Was bringt das Recht auf Reparatur?
Smartphones, Autos, Waschmaschinen: Wie wichtig Technik im Alltag ist, merken wir erst, wenn sie kaputt geht. Funktioniert ein Gerät nicht mehr, stehen Verbraucher*innen vor der Frage: Reparieren und weiterhin verwenden? Oder lieber gleich wegschmeißen und neu anschaffen?
Die Gerätehersteller wissen darum. Und sie tun einiges, um Neuanschaffungen attraktiv zu halten – und damit das Wegschmeißen zu befördern. Die Akkus in Smartphones und Notebooks beispielsweise sind oft so verklebt, dass sie sich nicht ohne Weiteres tauschen lassen.
Außerdem hat sich ein rasanter Produktzyklus etabliert, laufend kommen neue Geräte mit neuen Features auf den Markt. Das spiegelt sich auch in den Mobilfunkverträgen: Viele Anbieter garantieren ihren Kund*innen etwa, bereits nach zwei Jahren ein neues Smartphone zu erhalten.
Der Wegwerf-Zyklus belastet Mensch und Umwelt
Was die Wirtschaft ankurbelt, schadet allerdings der Umwelt, dem Klima und den Menschen. Jedes einzelne Gerät muss produziert und entsorgt werden. Die hiesigen Konsument*innen kriegen davon wenig mit. Die Prozesse vor und nach der Geräte-Nutzung sind oft in Länder des Globalen Südens ausgelagert.
Aber es ist offensichtlich: Unnötige Neukäufe treiben den Ressourcen-Verbrauch in die Höhe an und verschmutzen die Natur. Dazu kommt das gesundheitliche Risiko, das Arbeiter*innen auf sich nehmen müssen. Etwa bei der Extraktion von Rohstoffen wie Kobalt, das in Akkus für Smartphones oder Elektro-Autos verbaut wird.
EU bringt „Recht auf Reparatur“ auf den Weg
Das Problem hat auch das EU-Parlament erkannt. Um es einzudämmen, arbeitet man dort seit Jahren an einem „right to repair“, einem „Recht auf Reparatur“.
Im April 2022 entschied das Parlament mit großer Mehrheit einen Vorschlag über eine Richtlinie zum Warenhandel, die auch ein Recht auf Reparatur beinhaltet. In der Pressemitteilung des Parlaments heißt es zu dem Vorschlag:
Die Abgeordneten fordern, dass Produkte so gestaltet werden, dass sie länger halten, sicher repariert werden können und ihre Teile leicht zugänglich und ausbaubar sind. Sie sind der Meinung, dass ein angemessenes „Recht auf Reparatur“ Reparaturbetrieben und Verbrauchern kostenlos Zugang zu den erforderlichen Reparatur- und Wartungsinformationen bieten sollte.
Reparieren attraktiver, Wegschmeißen unattraktiver machen – Unlautere Geschäftspraktiken unterbinden
Technische Geräte sollen also haltbarer werden und leichter zu reparieren sein. Dazu müssen sowohl die Verbraucher*innen wie auch die Hersteller-Firmen angesprochen werden, mit einem Mix aus Anreizen und Verpflichtungen:
- Reparaturen sollen für Verbraucher*innen attraktiver werden. Beispielsweise sollen diese eine Prämie erhalten, wenn sie ein defektes Gerät reparieren lassen oder während der Dauer der Reparatur auf ein Ersatzgerät angewiesen sind.
- Auch sollen die Verbraucher*innen in ihrer eigenen Reparatur-Kompetenz gestärkt werden. Das soll die allgemeine Akzeptanz für Reparaturen erhöhen und die Bequemlichkeit beim Wegschmeißen verringern.
- Hersteller sollen verpflichtet werden, besser über Reparatur und Wartung eines Geräts zu informieren. Im Gespräch sind etwa QR-Codes, über die Verbraucher*innen Bewertungen zur Reparierbarkeit eines Geräts erhalten. Dadurch sollen Verbraucher*innen die Lebensdauer eines Produkts besser einzuschätzen.
- Unlautere Geschäftspraktiken sollen verboten werden. Damit sind Mechanismen gemeint, die die Lebensdauer eines Geräts gezielt verringern. Außerdem soll es verbesserte und erweiterte Garantien geben.
- Hersteller sollen garantieren, während eines Mindest-Zeitraums Software-Updates bereitzustellen. Dadurch sollen sich Geräte länger nutzen lassen. Ein reguläres Software-Update darf nicht dazu führen, dass die Leistung eines Geräts in die Knie geht.
- Geht ein technisches Gerät defekt, sollen sich seine Teile leicht(er) abnehmen, auseinander bauen und austauschen lassen. Hersteller sollen keine technischen Kniffe anwenden, die Geräte schwieriger zu reparieren.
Welche Rolle spielen Lizenzen, geschlossene Produkt-Welten und Fernsteuerungen?
Die Diskussion um das Recht auf Reparatur hat noch einen weiteren Hintergrund. Es geht nicht nicht nur um den Vorgang des Reparierens an sich. Wichtig ist auch die Rolle von Lizenz-Mechanismen und proprietären, also geschlossenen Systemen.
Wenn Hersteller die Umstände von Reparaturen und Veränderungen bestimmen, kann sich daraus ein interessantes Geschäftsfeld für sie entwickeln. Vom Elektronik-Riesen Apple ist beispielsweise bekannt, dass Reparaturen von Apple-Geräten nur in lizenzierten Werkstätten stattfinden dürfen – andernfalls droht ein Garantie-Verlust. Das bindet die Verbraucher*innen an den Hersteller und befördert geschlossene Produkt-Welten.
Dazu kommt, dass Apple in seinen Lizenzvereinbarungen sogenannte „Jailbreaks“ (zu Deutsch: Gefängsausbrüche) ausschließt. Darunter versteht man das Hacken beziehungsweise Aufbrechen von Smartphones oder Computern, etwa um deren Leistung zu steigern oder für nicht-autorisierte Funktionen zu öffnen. Nach einem Jailbreak können Nutzer*innen auf alternative App-Stores zugreifen und damit offizielle Apple-Angebote umgehen.
Vom Eigentum zum lizenzierten Produkt
Für die Hersteller geht es um die Kontrolle ihrer Produkte. Das zeigt sich besonders deutlich beim „Digital Rights Management“, das aus der Unterhaltungsbranche kommt: Die Verbreitung von CD-Brennern um das Jahr 2000 herum etwa bekämpfte die Musikindustrie, indem sie Urheberrechte an der Musik geltend machte und harte Kopierschutz-Mechanismen entwickelte. Dass Nutzer*innen CDs einfacher kopieren konnten, nährte in der Industrie die Sorge um Kontrollverlust und Absatzeinbrüche.
Digital Rights Management (abgekürzt DRM) lässt sich etwa mit „Digitale Rechteverwaltung“ übersetzen. Per DRM konnten Musik-Labels genau(er) definieren, wie CDs kopiert werden (oder die Kopier-Vorgänge sogar verhindern). In der Filmindustrie zog man bei DVDs nach. Beim Streaming sowie bei eBooks gibt es bis heute vergleichbare DRM-Techniken.
Mit der Lizenz zum Lesen: Was E-Books von physischen Büchern unterscheidet
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DRM und Fernsteuerung auch bei Traktoren und Autos
DRM ist heute aber nicht mehr nur auf (digitale) Medien beschränkt: Auch die Autoindustrie digitalisiert sich zunehmend. Mit der Folge, dass Kontroll-Praktiken und DRM ins Spiel kommen.
Das eigene Fahrzeug zu reparieren, setzt in vielen Fällen schon eine Ausbildung zur Mechatronikerin voraus. Viele Hersteller verbauen auch den Motorblock oder die Elektronik so sehr, dass man als Verbraucherin gar nicht richtig drankommt. So wird auch bei geringfügigen Problemen schnell eine Fahrt in die Werkstatt nötig.
Dazu kommt die Software-Dimension: Der US-amerikanische Traktor-Hersteller John Deere geriet hier vor einigen Jahren in die Kritik. Er hatte in seinen Nutzungslizenzen den Besitzer*innen der Traktoren verboten, deren Software-Code zu modifizieren. Die Besitzer*innen konnten also ihre Traktoren – oftmals erworbenes Eigentum – nicht selbst reparieren. Die Landwirte behalfen sich mit Hacking-Anleitungen oder stiegen auf ältere, DRM-freie Modelle um.
John Deere berief sich auf den „Digital Millennium Copyright Act“ (DMCA), also ein US-amerikanisches Copyright-Abkommen. Dieses verbietet die Umgehung von Kopierschutz-Maßnahmen und DRM. Andere Autohersteller wie Ford oder General Motors entwickelten vergleichbare Praktiken, die den Umgang mit erworbenem Eigentum über Nutzungsbedingungen restringieren.
Der digitale Arm der Industrie
Für die Landwirte hat die Technologie der Traktor-Industrie natürlich auch Vorteile: Über die digitale Fernwartung können Traktoren Software-Updates erhalten und auch autonom gesteuert werden.
Wie weit der digitale Arm der Industrie reicht, zeigte sich zuletzt im Krieg Russlands gegen die Ukraine: Russische Truppen hatten John-Deere-Traktoren in der Ukraine entwendet und nach Belarus verschleppt. Dort angekommen konnten sie die Traktoren allerdings nicht weiterbewegen – die Fernsteuerung der Traktoren verhinderte dies.
Erhalten Verbraucher*innen mit dem Recht auf Reparatur mehr Kontrolle ihr Eigentum?
In den Entwicklungen ist ein Trend zu erkennen: Wer ein Produkt erwirbt, verfügt nicht immer vollumfänglich darüber, sondern bleibt in vielen Fällen an Vorgaben des Herstellers gebunden.
Die verschiedenen Industriezweige haben profitable Geschäftsmodelle gefunden, die nicht auf dem Eigentum alleine, sondern auf Lizenzen, geschlossenen Systemen oder Leasing beruhen. Das schafft Abhängigkeiten.
Das Recht auf Reparatur ist ein Gegenmittel zu diesen Entwicklungen. Es soll die rechtliche Kontrolle über die Produkte genauer regeln und dadurch neu verteilen: weg von der Industrie hin zu den Verbraucher*innen. Es bricht deren Abhängigkeit teilweise auf und soll den industriellen Hunger nach Ressourcen verringern.
Unterstützung online und in Reparatur-Cafés
Der Wunsch nach besseren Reparatur-Möglichkeiten ist definitiv vorhanden. Das zeigt auch eine aktuelle Umfrage der Verbraucherzentrale. Online-Angebote wie kaputt.de oder ifixit.com sind ebenfalls stark nachgefragt: Dort gibt es Anleitungen, um das eigene Smartphone oder die Kaffeemaschine wieder in Schuss zu bringen.
Und wer das nicht alleine vor dem Bildschirm machen will: In Reparatur-Cafés kann man seine Geräte reparieren und die passenden Werkzeuge dafür ausleihen. Wer möchte, sogar unter Anleitung von Gleichgesinnten. Ob sich solche Reparatur-Cafés auch für Traktoren eignen, ist nicht bekannt.
3 Kommentare
1 Mike am 12. Januar, 2023 um 14:52
Wenn das Recht auf Reparatur richtig umgesetzt wird, könnte es tatsächlich dagegen helfen, dass alles sofort weggeworfen wird oder zumindest einige Produkte langlebiger machen.
Für viele ist die Reparatur einer Waschmaschine oder Kühlschranks zu teuer und kaufen lieber ein neues Produkt mit den neusten Features. Auch kann man sich oft auf die Kundendienste der verschiedenen Marken nicht verlassen und ärgert sich mit langen Wartezeiten und teuren Reparaturen herum. Da ist man zum Beispiel bei externen Reparaturdiensten wie Elha Kundendienst, die sich auf bestimmte Marken spezialisiert haben, besser dran.
Vielleicht entscheiden sich durch die Prämie in Zukunft mehr Menschen dazu, ihre Geräte reparieren zu lassen.
2 Karl Tuwat am 3. Juli, 2023 um 13:47
Leider ist es so, dass die Reparatur oft schon an dem Preis für das erforfderliche Ersatzteil scheitert.
Beispiel: Mein V.-Brennwert-Heizkessel aus 2004 hätte gemäss Ebay Kleinanzeigen noch einen Handelswert von 400, wenn er denn nicht reparaturbdürftig wäre.
Die Heizwasserumwälzpumpe ist kaputt. Früher war sowas als ein handelsübliches Teil für ein paar Mark fünfzich Pfennig von verschiedenen Herstellern zu beziehen.
Heute Lassen sich die Kesselhersteller von den einschlägig bekannten Pumpenherstellern “Spezialersatzteile” anfertigen, aber auf der Basis der vom gleichen Hersteller erzeugten Allerweltspumpen.
Der Unterschied. Kleine Softwaretricks verhindern, dass das Allerweltsmodell ersatzweise anstelle des “Spezialteils” eingebaut werden kann.
Während die vom Kesselhersteller bestellte Modifikation in der Massenherstellung einen Mehrpreis von wenigen Cents ausmachen würde, steigt der empfohlene Verkaufspreis dadurch auf wundersame Weise auf das doppelte und mehr.
Bei mir kostet die V-spezielle Grundfoss UPM3 mit Aufschrift des Namens des Kesselherstellers mindestens 460,–€, während das unveränderte Modell UPM3 im Baumarkt für unter 200,– € zu haben wäre.
Den unglaublichen Zugewinn teilen sich Kesselhersteller und Heizungsbauer, wobei der letztere wohl das meiste bekommt. Das alles zusätzlich zu dem Arbeitslohn für den Austausch der Pumpe.
Die Bestellung der Pumpe durch den Installateur mit der V-Ersatzteilapp dauert 2 Minuten.
Was nutzt mir ein Recht auf Reparatur, wenn ich dann auf so unglaubliche Weise ausgenommen werde?
3 GRÜNY am 6. August, 2023 um 00:21
Merci für den informativen Artikel zum Thema! Erst das Lieferkettengesetz, jetzt das Recht auf Reparatur. Ich habe ja schon fast ein wenig resigniert in/nach meinem Studium der Umweltwissenschaften. Aber es bewegt sich was. Das geht hoffentlich so weiter. Letztens habe ich bei einem alten Mac die Festplatte getauscht mit einem Set von iFixit. Wahnsinn, wie verklebt das Gerät ist. Zum Glück gibts sowas und mit etwas Geduld, ist das auch gut machbar. Ich repariere auch gerne mein Fahrrad selbst. Viele in meinem Umkreis machen das nicht mehr. Sie möchten sich neben ihrer Arbeit nicht mehr um soetwas kümmern. Für mich gehört das zum Leben, das, was ich in meinem Alltag nutze, zu verstehen und im Bestfall auch reparieren zu können. Ist ein tolles Erlebnis, wenns klappt :)
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