Warum entwickelt die C3S ein neues Spendensystem für Musik, Meik Michalke?
Hintergrund: Unter dem Namen „Adore“ entsteht bei der C3S derzeit eine Software, deren Grundidee an Micropayment-Systeme wie Flattr erinnert. Die C3S hat angekündigt, dass das System in der zweiten Jahreshälfte als Betatest starten soll. Die Nutzer von Adore sollen einen beliebigen Betrag festlegen können, den sie ins System einzahlen, dieser Betrag wird dann für einen bestimmten Zeitraum aufgeteilt und an die teilnehmenden Künstler verteilt, wenn ihre Musik gespielt wird.
iRights.info: Die C3S ist als Verwertungsgesellschaft konzipiert. Eine Verwertungsgesellschaft sammelt Tantiemen und andere Vergütungen ein und verteilt sie. Warum beschäftigen Sie sich mit dem Aufbau eines Spendensystems?
Meik Michalke: Tatsächlich haben wir bereits beim Start des C3S-Projekts öffentlich darüber gesprochen, dass wir uns die Umsetzung derartiger Konzepte wünschen. Das war 2010. Wenn man sich die technischen Abläufe genauer anschaut, sind sie tatsächlich sehr nah an dem dran, was wir als Verwertungsgesellschaft brauchen: Es geht darum, dass eingenommene Geldbeträge auf Künstler verteilt werden sollen.
iRights.info: Aber es macht einen Unterschied, ob man freiwillige Spenden entgegen nimmt oder etwa für gesetzliche Vergütungsansprüche zuständig ist.
Meik Michalke: Gewiss, auf der einen Seite handelt es sich um einen freiwilligen und frei festlegbaren Betrag und um privaten Musikgenuss, auf der anderen Seite um eine Vorgabe aus einer Tarifordnung für eine vergütungspflichtige Nutzung durch Verwerter.
Doch rein technisch gesehen gibt es große Überschneidungen, etwa was die Registrierung von Werken und ihre automatische Erkennung bei privaten oder gewerblichen Nutzungen betrifft. Mit der Arbeit an Adore soll es uns möglich sein, einen innovativen Dienst für Musiker und Musikliebhaber aufzubauen, und gleichzeitig ein modernes technisches Fundament für die klassische Verwertung zu konstruieren.
iRights.info: Weil Sie für die automatische Erkennung gespielter Musik dieselbe Software einsetzen können?
Meik Michalke: Im Prinzip ja, wobei Adore genau genommen gar nicht auf eine bestimmte Technik zur Erkennung festgelegt ist. Es geht hier um mehr: von der Pflege der Repertoire-Datenbank, der Zuordnung von Werken zu Urhebern – beziehungsweise von Werknutzungen zu Lizenznehmern, bis hin zur technischen Basis für die faire Verteilung von Geldern.
iRights.info: Soll das Spendensystem dann nur C3S-Musikern offenstehen?
Meik Michalke: Wir betrachten Adore als Dienst, der grundsätzlich allen Musikern beziehungsweise Urhebern verfügbar sein soll, ganz gleich, ob sie Mitglied unserer Verwertungsgesellschaft sind oder nicht. Unsere Repertoire-Verwaltung soll hierfür zusammengeführt werden, und das wird es uns und den Musikern einfach machen, C3S-Werke für Adore zu registrieren oder von Adore der C3S zur Verwertung zu übertragen.
Wir profitieren aber auch davon, wenn viele Nicht-C3S-Werke nur für Adore registriert werden. Es wird uns in der klassischen Verwertung einfacher fallen, diese Titel zu identifizieren und festzustellen, ob sie zu unserem Repertoire oder dem einer anderen Verwertungsgesellschaft gehören.
Von diesem Dienst profitieren Urheber also nicht nur direkt, wenn ihnen Fans etwas Geld zukommen lassen. Vielmehr gewinnen sie zudem indirekt – wie im Übrigen auch Veranstalter – weil ihre Werke auch in der lizenzpflichtigen Verwertung zuverlässiger und automatisch erkannt werden können.
Natürlich können wir nur Verteilungen für Werke vornehmen, die wir identifizieren können. Und wir können wiederum nur Werke identifizieren, die für Adore registriert wurden. Hierbei werden uns keine Rechte an den Werken übertragen. Man muss also nur etwas Zeit investieren, um an den Ausschüttungen von Adore teilhaben zu können.
iRights.info: Viele hören Musik zum Beispiel per Streamingdienst und zahlen dafür. Warum sollten sie zusätzlich an Musiker spenden?
Meik Michalke: Adore soll von Menschen genutzt werden, die Musikschaffende so direkt wie möglich unterstützen wollen. Im Konzept von Adore ist es auch egal, auf welche Weise die Musik bezogen wurde oder genutzt wird. Es soll per Stream oder mit dem lokalen MP3-Archiv funktionieren, auf mobilen oder stationären Geräten, aber auch mit der heimischen CD-Sammlung, wenn man sie mit einem Computer abspielt.
Jedes Abspielen wird gezählt, solange Adore eingeschaltet ist – man kann es jederzeit ausschalten. Auf diese Weise müssen nicht langwierig Nutzungsrechte verhandelt werden und wir benötigen auch keine Serverfarm für das Bereitstellen der Musik.
Das heißt, kein Künstler wird allein dadurch diskriminiert, dass seine Vertreter keinen Kompromiss mit den Verwertern finden; zudem kommt anteilig viel mehr der gespendeten Geldbeträge bei ihm an, als er von Verwertern bekommt. Wir sagen den Künstlern eine Ausschüttung von 90 Prozent zu, später kann diese sogar noch höher ausfallen. Davon sind Streamingdienste zwangsläufig weit entfernt.
iRights.info: Beim Adore-System meint das 90 Prozent der jeweils auf den Künstler entfallenden Spendenbeiträge. Haben Sie weitere Kriterien, damit die Erfassung wirksam wird?
Meik Michalke: Es wird eine Mindestspieldauer dafür geben müssen, um den Titel zuverlässig identifizieren zu können. Davon abgesehen haben wir Adore absichtlich einfach gehalten: Es wird jeder Track gezählt und am Monatsende durch die Anzahl aller Tracks geteilt. Die Gelder für jeden Track werden wiederum auf die daran beteiligten Künstler und Urheber verteilt. Bei der Lizenzierung im Rahmen der Verwertungsgesellschaft wird die Verteilung komplexer ausfallen, da wird die Gewichtung von der Tarifordnung vorgegeben.
iRights.info: Soll auch Geld an Verwerter fließen?
Meik Michalke: Das bleibt letztendlich eine Entscheidung der jeweiligen Urheber. Wir haben bei der Konzeption großen Wert darauf gelegt, dass sich die Musiker jeweils selbst registrieren können. Gleichwohl wissen wir, dass sich viele von jemandem vertreten lassen möchten. Wenn sie explizit einer anderen Partei das Recht einräumen, diese Gelder zu erhalten, können wir daran nicht viel ändern.
Allerdings können sie sich auch in diesem Fall noch selbst anmelden und das Handeln der von ihr beauftragten Person oder Firma begutachten. Sie können ihr sogar das Recht entziehen, für sie tätig zu werden, und dies dann entweder selbst übernehmen oder jemand anderes beauftragen. Das ist zwar mit etwas Verwaltung und Papier verbunden, aber diese Transparenz soll den Künstlern auch dann nicht fehlen, wenn sie jemanden mit der Werkverwaltung beauftragt haben.
iRights.info: Womöglich genügt Musikern die Abrechnung über das Adore-System und sie verzichten dann auf die Mitgliedschaft in einer Verwertungsgesellschaft?
Meik Michalke: Für uns spielt eines eine ganz zentrale Rolle: Wir sind überzeugt, dass sich mit einem Dienst wie Adore die Anreizstruktur bedeutsam verschiebt. Denn es wird direkt honoriert, wenn die eigene Musik möglichst oft gehört wird. Es wird also reizvoll, die eigene Musik möglichst leicht zugänglich zu machen, und sie nicht hinter komplizierten Vertragsbauten vor dem Anhören zu schützen. Wir hoffen, dass es uns auf diese Weise gelingt, einen neuen, zeitgemäßen Ausgleich zwischen den Interessen von Urhebern und denen der Öffentlichkeit zu schaffen, also dem Urheberrecht zur vollen Entfaltung zu verhelfen.
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