Von Abmahnbremse bis Zweitverwertungsrecht: die diesjährigen Änderungen im Urheberrecht
Es war ein Jahr der verhärteten Fronten zwischen den verschiedenen Interessengruppen und des Stillstands in Zeiten des Wahlkampfs. Zudem trug die berechtigte Aufregung rund um PRISM & Co. dazu bei, dass dem immensen Reformbedarf im Urheberrecht gerade in den Medien kaum noch die notwendige Beachtung geschenkt wurde. Trotzdem gab es eine Menge erheblicher Änderungen im Urheberrecht, die auch für Endnutzer relevant sind.
Abmahnbremse: Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken
Die größte öffentliche Wahrnehmung hatte dabei zweifellos das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“, welches im Oktober in Kraft trat. Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger sah darin einen großen Schritt, um Verbraucher in ihren Rechten zu stärken und den „grassierenden Abmahnwahnsinn“ insbesondere bei Tauschbörsen einzudämmen. Kernstück der Reform ist eine Begrenzung des Streitwerts für urheberrechtliche Abmahnungen an Privatpersonen auf 1.000 Euro. Hieraus ergibt sich, dass Abmahnanwälte für ihr Formschreiben nur noch 147,56 Euro (brutto) geltend machen können. Bisher waren Beträge zwischen 400 und 1.000 Euro üblich.
Allerdings muss häufig zusätzlich Schadensersatz für das Anbieten etwa eines Musikstücks oder eines Kinofilm in einer Tauschbörse gezahlt werden. Oft betragen diese Forderungen weitere 300 bis 1.000 Euro. Und genau in diesem Punkt liegt eine der Schwächen der neuen Regelungen: Die Höhe des möglichen Schadensersatzes begrenzen sie nicht.
Die bereits im Vorfeld geäußerte Befürchtung von Experten, das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ würde an just jenem Geschäftsgebaren kaum etwas ändern, scheint sich zu bestätigen.
Verbraucherfreundlich: Wohnsitzregelung und keine Störerhaftung
Allerdings enthält das neue Gesetz neben der Reduzierung des Streitwerts und einigen neuen Vorgaben an die Formalien von Abmahnungen noch einen bemerkenswerten Punkt, nämlich die Abschaffung des sogenannten fliegenden Gerichtsstands im Urheberrecht bezüglich Privatpersonen. Bislang konnte ein Abmahner überall dort klagen, wo das Internet „bestimmungsgemäß abrufbar ist“. Wenig überraschend kam es dadurch zu wahren Klageorgien bei solchen Gerichten, die als besonders urheberfreundlich gelten, etwa in Köln, München oder Hamburg.
Jetzt muss dort geklagt werden, wo der Abgemahnte seinen Wohnsitz hat – wie es auch sonst in den meisten Verfahren üblich ist. Sofern die Klagewut der Abmahnkanzleien anhält, dürfte es deren Mitarbeiter zukünftig an viele interessante Orte in Deutschland führen, deren Gerichte wahrscheinlich nicht unbedingt der Rechtsprechung der Richter in Hamburg oder München folgen, die meist auf schnelle Erledigung ausgerichtet ist.
Bedeutender für die zahlreichen Abmahnungen im Bereich Filesharing war ohnehin eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs von Ende 2012. In seinem „Morpheus“-Urteil verneint das Gericht eine Haftung der Eltern für ihren 13-jährigen Sohn. Zwar müssen Eltern ihre Sprösslinge über die Risiken des Filesharings belehren, eine Verpflichtung zur Überwachung der Internetnutzung bestehe gegenüber minderjährigen Kindern jedoch nicht.
Die Entscheidung ist auch auf Lebenspartner oder Wohngemeinschaften anwendbar und sorgt dafür, dass ein Abgemahnter nicht mehr wie bislang automatisch als sogenannter Störer haftet, sondern die Chance hat, nachzuweisen, dass er für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich ist.
Leistungsschutzrecht: viele Fragen offen
Der zweite große Streitpunkt im Bereich des Urheberrechts war das Inkrafttreten des höchst umstrittenen Leistungsschutzrechts für Presseverleger. Während der erste Entwurf der neuen Regelung noch so weitgehend gefasst war, dass zum Beispiel auch private Blogger davon betroffen sein konnten, dürfte die tatsächlich beschlossene Fassung nur indirekte Auswirkungen auf die Bürger haben. Denn diese gilt dem Wortlaut nach nur für „Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten, die Inhalte entsprechend aufbereiten“.
Als Reaktion hat Google die Verlage dazu aufgefordert, ihr Einverständnis in die Nutzung von Textteilen durch Google News zu erteilen, was die allermeisten Unternehmen auch getan haben. Ob jemals Geld mit dem Leistungsschutzrecht verdient wird, ist derzeit noch ebenso offen, wie die Frage, wie hoch denn diese Beträge sein könnten.
Schutzfristverlängerung: behindert Digitalisierung
Weitgehend unbeachtet von der Öffentlichkeit gab es zudem ein paar Reformen des Urheberrechts. Auswirkungen auf den Privatnutzer hat vor allem die Umsetzung einer EU-Richtlinie, die unter anderem eine Verlängerung der Schutzdauer von Rechten für Tonträgerhersteller vorsieht. Diese werden von 50 auf 70 Jahre angehoben.
In der Praxis begünstigt die Neuregelung vor allem die Musikindustrie, die nun aus den 1960er-Jahren stammende Aufnahmen zum Beispiel von den Beatles oder Elvis weiter gewinnbringend vermarkten kann. Nicht zuletzt wird durch diese einseitige Gesetzgebung die Digitalisierung von historischen Aufnahmen, die eigentlich gemeinfrei geworden wären, erheblich behindert.
Vergriffene Werke: vereinfachte Regelung
Ebenfalls im September 2013 wurde eine Neuregelung verabschiedet, die es öffentlichen Einrichtungen erlauben soll, geschützte Werke einfacher zu digitalisieren und ins Internet zu stellen. Erlaubt ist demnach die nicht-kommerzielle Nutzung von Büchern, Musikstücken und Filmen, die vergriffen sind oder deren Rechteinhaber nach einer „sorgfältigen Suche“ nicht mehr zu ermitteln sind.
Open Access: Zweitveröffentlichungsrecht für Wissenschaftspublikationen
Schließlich gab es auch einen ersten Schritt in Richtung Open Access in Form eines Zweitveröffentlichungsrechts für Wissenschaftspublikationen, der aber von Seiten der Wissenschaft überwiegend als zu zaghaft empfunden wurde. Danach dürfen Forscher ihre Artikel künftig ein Jahr nach der ersten Veröffentlichung in einem Fachmagazin öffentlich im Internet zugänglich machen. Die Beiträge müssen allerdings vorher „im Rahmen einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungstätigkeit“ entstanden sein.
Joerg Heidrich ist Justiziar des Heise-Verlags (c’t, iX, Technology Review, Heise Online) sowie als Rechts- und Fachanwalt für IT-Recht in Hannover tätig. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln und Concord, New Hampshire, beschäftigt er sich seit 1997 mit den Problemen des Internet- und Medienrechts. Heidrich ist Autor zahlreicher Fachbeiträge und Referent zu rechtlichen Aspekten der neuen Medien und des Urheberrechts.
Dieser Text ist auch im Magazin „Das Netz – Jahresrückblick Netzpolitik 2013-2014“ erschienen. Sie können das Heft für 14,90 EUR bei iRights.Media bestellen. „Das Netz – Jahresrückblick Netzpolitik 2013-2014“ gibt es auch als E-Book, zum Beispiel bei Amazon*, beim Apple iBook-Store* (Affiliate-Link) oder bei Beam.
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