VG-Wort-Ausschüttung: „Das Patentamt entzieht sich“
Autorenvertreter in der VG Wort kritisieren, dass Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) entziehe sich bei der Aufsicht über die Verwertungsgesellschaften seiner Verantwortung. Bis heute konnte die staatliche Aufsichtsbehörde nicht sagen, ob es die – spätestens seit Mai 2012 strittige – Ausschüttungspraxis der VG Wort beanstandet oder nicht. „Das Patentamt entzieht sich durch rechtsstaatswidrige Passivität, diesen schwierigen Entscheidungsprozess helfend zu begleiten“, sagte Fred Breinersdorfer, Sprecher der Berufsgruppe der Belletristik-Autoren und Drehbuchschreiber dem Gewerkschaftsmagazin „Journalist“. Ulf J. Froitzheim, der als Wissenschaftsjournalist im Verwaltungsrat der VG Wort sitzt, kritisiert ebenfalls das DPMA: „Die Aufsichtsbeamten haben den Schwarzen Peter in beschämender Weise uns Ehrenamtlichen zugeschoben.“
Angst vor Haftung
Die VG Wort hat Mitte August entschieden, nach dem bisherigen Verteilungsschlüssel Tantiemen aus Zweitverwertungsrechten an Urheber und Verlage auszuschütten. Der Beschluss steht unter Vorbehalt, denn Ende Mai hat das Landgericht München die Verteilungspraxis im Einzelfall für rechtswidrig erklärt (AZ: O 28640/11). Sie verstoße gegen das Willkürverbot, so die Richter. Konkret ist der pauschale Abzug des Verlegeranteils strittig.
Die VG Wort hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Allerdings ist unklar, was passiert, wenn sich die Entscheidung der Münchner Richter in letzter Instanz bestätigt. Möglich wäre, dass Urheber Nachforderungenen in Millionenhöhe stellen, weil der Verlegeranteil an ihren Tantiemen unzulässig war. Das rechtliche Risiko weckt nun Ängste in der VG Wort. „Der Vorstand und jedes Verwaltungsmitglied haften persönlich, wenn etwas schiefgehen sollte“, so Breinersdorfer. Froitzheim erklärt: „Wir sind juristische Laien, müssen aber den Kopf für eine schwerwiegende Entscheidung hinhalten.“
Nach dem Münchener Urteil stoppte die VG Wort zunächst die Ausschüttung und bat das DPMA bis zum 1.August um eine Stellungnahme. Die Aufsichtsbeamten kamen offenbar zu einer wenig eindeutigen Entscheidung. „Hätten wir geahnt, dass die Aufseher sich nicht konkreter äußern als die Pythia von Delphi, hätten wir Zigtausende Autoren und Kleinverleger nicht so lange auf ihr Geld warten lassen“, so Froitzheim.
Die aktuelle Ausschüttung erfolgte also ohne einen ausdrücklichen Vorab-Segen der staatlichen Aufsicht, was die Rechtsunsicherheit für die Verantwortlichen erhöhen mag. Das Magazin „Journalist” kommentiert: „Das Patentamt lässt die VG Wort im Regen stehen“. Eine Sprecherin des DPMA erklärte gegenüber iRights.info, man prüfe die Rechtsmäßigkeit des aktuellen Ausschüttungsbeschlusses, den man habe abwarten müssen. Die Ergebnisse sollen in Kürze vorliegen. Auch habe die VG Wort selbst externe Rechtsgutachten eingeholt.
Auch Kläger Vogel kritisiert DPMA
Offen bleibt, warum die staatliche Aufsichtsbehörde die strittigen Rechtsfragen nicht selbstständig angeht und beantwortet, sobald sie auftreten. Bereits im Februar stellte ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Vergütungspraxis der großen Verwertungsgesellschaften grundlegend in Frage (Rechtssache C-277/10), wie einige Experten meinen. Allerdings nahm das DPMA bis heute nicht öffentlich zu den Folgen der sogenannten Luksan-Entscheidung Stellung. Auch über die Einwände des Patentrichters Martin Vogel, der in München erfolgreich gegen die Vergütungspraxis der VG Wort geklagt hat, war das DPMA frühzeitig informiert „Es ist doch unglaublich, wenn die Aufsicht bloß zuschaut“, kritisierte Vogel im Interview mit iRights.info.
Der Autorenvertreter Breinersdorfer beantragte laut „Journalist“ im Verwaltungsrat der VG Wort, das Patentamt wegen Verantwortungslosigkeit zu rügen. Damit konnte er sich allerdings nicht durchsetzen. Dass eine Institution die zuständige staatliche Aufsicht rügt, weil sie ihren Prüfaufgaben nicht nachkommt, wäre wohl ein einmaliger Vorgang gewesen.
Eine Reaktion des DPMA auf die Kritik der Autorenvertreter war am Montag nicht zu erhalten. Die Linke-Bundestagsfraktion bittet inzwischen die Bundesregierung um Auskunft. In einer Anfrage von Ende August heißt es unter anderem: „Ist der Bundesregierung die Haltung des DPMA zu der Frage bekannt, inwiefern Verwertungsgesellschaften weiterhin Gelder nach ihren bestehenden Verteilungsplänen ausschütten können, ohne Schadensersatzforderungen von Urhebern fürchten zu müssen, und falls ja, welche Haltung ist es?“. Die Antwort steht noch aus.
Hintergrund
In der 1958 gegründeten VG Wort haben sich Autoren und Verlage zur gemeinsamen Verwertung von Urheberrechten zusammengeschlossen. Einnahmen erzielt die Gesellschaft aus Tantiemen für Zweitverwertungsrechte an Sprachwerken. 2011 lagen sie laut Geschäftsbericht bei 120 Millionen Euro. Mehr als die Hälfte der Einnahmen stammt aus Kopiergeräteabgaben, mit denen die Vervielfältigung urheberrechtlich geschützter Werke pauschal vergütet wird.
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