Verfassungsgericht: Vorläufig kein Urteil zur Privatkopie
Eine Privatperson hatte Verfassungsbeschwerde eingereicht mit der Begründung, der Paragraph 95a des novellierten Urheberrechtsgesetzes verstoße gegen sein vom Grundgesetz geschütztes Eigentumsrecht. Paragraph 95a legt fest, dass ein Nutzer einen vorhandenen Kopierschutz nicht umgehen darf – auch dann nicht, wenn er sich vom Datenträger eine prinzipiell durch das Urheberrecht genehmigte Kopie zu privaten Zwecken machen möchte.
Der Beschwerdeführer argumentierte, dass er jährlich zahlreiche CDs und DVDs kaufe, von denen inzwischen mehr als vier Fünftel mit einem Kopierschutz versehen seien, so dass er von ihnen keine Sicherungskopie mehr machen könne. Außerdem sei es nicht mehr erlaubt, sich Software zu beschaffen, mit deren Hilfe er einen Kopierschutz umgehen könne, da das Gesetz auch verbiete, derartige Programme zu verbreiten oder einzuführen. Zusammen genommen, würden diese Regelungen die Eigentumsfreiheit des Klägers aushöhlen.
In ihrer Begründung vom 25. Juli, die am Mittwoch dieser Woche veröffentlicht wurde, machen die Richter verschiedene Gründe dafür geltend, dass sie die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen haben. Eine solche sei grundsätzlich nur zulässig, wenn vorher der ordentliche Rechtsweg erschöpfend beschritten wurde. Von dieser Regel seien Ausnahmen nur zugelassen, wenn der Streit grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung habe oder der Beschwerdeführer durch ein Gesetz unmittelbar in seinen Grundrechten betroffen sei.
Bisher keine „spürbaren Rechtsfolgen“
Beides sei hier nicht der Fall, da der Kläger „keine bereits jetzt spürbaren Rechtsfolgen“ zu erleiden habe. Zu diesem Schluss kommen die Richter, weil der Kläger offenbar versäumt hat darzulegen, dass er tatsächlich bestimmte CDs oder DVDs nicht kopieren konnte, weil diese einen „wirksamen“ Kopierschutz enthielten.
Auch habe der Beschwerdeführer keine unmittelbare Rechtsfolgen zu befürchten, wenn er gegen das Umgehungsverbot verstoße. Zum einen handele es sich bei der Umgehung weder um eine Straftat noch um eine Ordnungswidrigkeit, wenn diese zu privaten Zwecken erfolge. Zum anderen sei auch nicht ersichtlich, dass die Rechteinhaber – also etwa Plattenfirmen – zivilrechtlich gegen Umgehungshandlungen zu privaten Zwecken vorgehen würden. Fälle, in denen aus diesem Grund geklagt wurde, seien nicht bekannt.
Kopierschutzknacker weiter erhältlich
Auch die Behauptung, aufgrund des Verbotes seien keine Programme mehr verfügbar, mit denen man Kopiersperren umgehen kann, verwarfen die Verfassungshüter. Einerseits seien aus der Zeit vor ihrem Verbot – also vor September 2003, als die Regelung in Kraft trat – noch viele derartige Programme im Umlauf. Sie könnten auch weiterhin genutzt werden, weil es nicht ersichtlich sei, dass die Kopierschutztechniken so weit fortgeschritten sind, dass die Knackprogramme nicht mehr funktionieren. Und ähnlich wie beim Knacken des Schutzes selbst, sei auch das Herunterladen dieser Software aus dem Internet weder unter Strafe gestellt, noch mit einem Bußgeld bedroht, wenn es zu dem Zweck erfolgt, eine Privatkopie herzustellen.
Zum Schluss der Ausführungen folgt ein Absatz, den Beobachter der Entscheidungen des Verfassungsgerichts für ungewöhnlich halten. Denn obwohl es in der Entscheidung ausdrücklich heißt, dass man die Frage, ob es ein Recht auf Privatkopie gebe, nicht zu erörtern habe, geben die Richter hierzu in einem Zusatz eine vorläufige Einschätzung ab. Es spreche viel dafür, dass selbst ein Verbot der digitalen Privatkopie keine Verletzung der Eigentumsgarantie darstellen würde, sondern „lediglich eine wirksame Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinn des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG“.
Entscheidung ungewöhnlich in der Form, nicht im Inhalt
Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass ein solcher – eigentlich für die Entscheidung irrelevanter – Hinweis gegeben wurde, nicht aber der Hinweis selbst, sagt Till Kreutzer, Urheberrechtsjurist und iRights.info-Redakteur. „Das ist eine rechtliche Einschätzung, die für mich keineswegs überraschend ist“, so Kreutzer. „Das Bundesverfassungsgericht entscheidet in ständiger Rechtsprechung, dass die Eigentumsgarantie in Bezug auf die Ausgestaltung des Urheberrechts nur einen engen Kernbereich zwingend vorgibt. Dieser erfasst lediglich, dass geschützte Werke dem Urheber in gewisser Weise zugeordnet werden müssen und dass dem Urheber bei einer Auswertung seines Werkes Anspruch auf eine angemessene wirtschaftliche Beteiligung zu gewähren ist. Alles Weitere obliegt dem Gesetzgeber, der bei der Ausgestaltung von Inhalt und Schranken des Rechts einen weiten Ermessensspielraum hat.”
So habe beispielsweise das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Reduzierung von einem Urheber- zu einem Leistungsschutzrecht – in diesem Fall bezogen auf die Rechte der ausübenden Künstler, die vor der großen Urheberrechtsreform 1965 als Urheber angesehen wurden – verfassungsrechtlich unbedenklich ist und im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessensspielraums liegt.
Durch die Ablehnung des Gerichts wird die Rechtslage lange ungeklärt bleiben. Denn bis eine vergleichbare Klage durch alle Instanzen gebracht ist, vergehen üblicherweise mehrere Jahre. Auch ist das Kostenrisiko, das für einen Kläger mit diesem Klageweg verbunden ist, ungleich höher als bei einer Verfassungsbeschwerde, die direkt vor das Gericht gebracht wird.
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