Verfassungsgericht prüft Open-Access-Pflicht
Wissen, das die öffentliche Hand finanziert, soll der Öffentlichkeit auch frei zugänglich sein. So lautet eines der Argumente für Open Access, den offenen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen. Auf welchen Wegen dieser Zugang erreicht werden kann, wird nun auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof Mannheim heute bekannt gab, wird er in einem laufenden Verfahren über Open-Access-Vorgaben in Baden-Württemberg das Verfassungsgericht anrufen. Karlsruhe soll darüber befinden, ob das Bundesland seine Kompetenzen überschreitet, wenn es Wissenschaftler über das Hochschulgesetz zu Zweitveröffentlichungen verpflichten lässt.
Was sie von Baden-Württembergs Regelung halten, geben die Mannheimer Richter gleich mit auf den Weg: Die Open-Access-Vorgabe im Landesgesetz sei nach ihrer Überzeugung „mit dem Grundgesetz unvereinbar“. Zwar seien die Hochschulen Ländersache, die Regelung betreffe aber vor allem das Urheberrecht, für das die Kompetenz allein beim Bund liegt.
Wissenschaftler gegen Open-Access-Auflage
Auslöser des Streits ist eine Satzungsänderung, die die Universität Konstanz im Dezember 2015 erlassen hatte. Haben deren Wissenschaftler Artikel für Fachzeitschriften verfasst, müssen die Beiträge ein Jahr nach Veröffentlichung auf einem Publikationsserver zugänglich gemacht werden. Dazu räumen die Wissenschaftler der Universität ein einfaches Nutzungsrecht ein. In manchen Fällen sind Ausnahmen vorgesehen.
Open Access
bezeichnet den offenen Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen. Open-Access-Literatur im engeren Sinn ist online kostenfrei zugänglich und unter offenen Lizenzen veröffentlicht, die die weitere Nutzung erleichtern. Es gibt mehrere Ansätze: Anderswo veröffentlichte Publikationen können online zugänglich gemacht werden („Green Road“) oder in eigenen Open-Access-Zeitschriften erscheinen („Golden Road“). Beim Diamond-Open-Access-Modell fallen weder für Autor*innen noch Leser*innen Gebühren an; finanziert wird die Publikationsinfrastruktur hier von wissenschaftlichen Einrichtungen oder Wissenschaftsverbänden. In Deutschland gilt seit 2014 unter bestimmten Voraussetzungen ein Zweitveröffentlichungsrecht für Wissenschaftler*innen.
Gegen die Regelung haben 17 Professoren der Universität eine Normenkontrollklage angestrengt (Aktenzeichen 9 S 2056/16). Vor allem an der juristischen Fakultät enzündete sich Kritik. Die Professoren sehen die im Grundgesetz verankerte Freiheit von Wissenschaft und Forschung verletzt. Es gilt als Teil der Wissenschaftsfreiheit, dass sie weisungsfrei entscheiden können, ob, wo und wie sie ihre Erkenntnisse veröffentlichen.
Die Regelung der Uni Konstanz macht dazu zwar keine direkte Vorgabe, sondern betrifft nur Beiträge, die bereits anderswo erschienen sind. Allerdings befürchten die Professoren, sie würden indirekt in ihren Wahlmöglichkeiten beim Veröffentlichen eingeschränkt. Fachzeitschriften könnten etwa Autoren meiden, an deren Hochschule die neue Pflicht gilt.
Weiterhin hatten sie kritisiert, das „geistige Eigentum“ werde durch die Regelung „zwangsvergemeinschaftet“. Für den Verwaltungsgerichtshof waren jedoch bereits in der Verhandlung weniger solche Fragen als vielmehr die Kompetenzen bei der Gesetzgebung entscheidend, wie „Legal Tribune Online“ berichtete.
Hochschulgesetz auf dem Prüfstand
Die Open-Access-Pflicht in Konstanz geht auf Vorgaben in Baden-Württembergs Hochschulgesetz (LHG) zurück. Die grün-rote Landesregierung hatte das Gesetz 2014 reformiert und die Hochschulen dazu angehalten, ihre Mitarbeiter auf Zweitveröffentlichungen zu verpflichten (Paragraf 44 Absatz 6 LHG).
Die Regelung, über die Karlsruhe entscheiden wird, lautet:
Die Hochschulen sollen die Angehörigen ihres wissenschaftlichen Personals durch Satzung verpflichten, das Recht auf nichtkommerzielle Zweitveröffentlichung nach einer Frist von einem Jahr nach Erstveröffentlichung für wissenschaftliche Beiträge wahrzunehmen, die im Rahmen der Dienstaufgaben entstanden und in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung erschienen sind. (…)
Das darin angesprochene Recht auf Zweitveröffentlichung gilt in Deutschland seit 2014 – mit zahlreichen Einschränkungen. Unter einer Reihe von Bedingungen dürfen wissenschaftliche Autoren ihre Publikationen zugänglich machen. Die Befugnis kann in Verträgen zwischen Autoren und Verlagen nicht einfach ausgehebelt werden.
Das richtige Mittel zum Zweck?
Da die Universität Konstanz als Pionier einer Open-Access-Satzung gilt, wird das Verfahren bundesweit aufmerksam verfolgt. Zum Teil sehen jedoch auch Befürworter des freien Zugangs die Open-Access-Pflicht kritisch. Ein solcher Übergang sei „nicht durch Zwang, sondern nur durch Anreize“ zu erreichen, schreibt etwa der Jurist Georg Sandberger in der Fachzeitschrift „Ordnung der Wissenschaft“. Für geeigneter hält der ehemalige Kanzler der Universität Tübingen etwa Publikationszuschüsse und neue Onlineplattformen für Zweitveröffentlichungen.
Andere halten die Open-Access-Pflicht nach dem Konstanzer Modell für unproblematisch und begrüßenswert. Alexander Peukert, Rechtsprofessor an der Universität Frankfurt, argumentierte laut „Legal Tribune Online“ in der Verhandlung, die Regelung konkretisiere nur die Dienstpflichten der Universitätsangehörigen. Schließlich dürfe das Land die Professoren auch verpflichten, Lehrveranstaltungen abzuhalten, obgleich sie darin ein urheberrechtlich geschütztes Sprachwerk aufführten.
5 Kommentare
1 Dr. Harald Müller am 7. November, 2017 um 17:16
Kleiner Hinweis: auch die Konstanzer zwingen eine bestimmte Personengruppe zur Veröffentlichung eines urheberrechtlich geschützten Werkes, obwohl es dafür kein Bundesgesetz gibt >>> Veröffentlichungszwang bei Dissertationen. Der dafür geltende KMK-Beschluss ist kein Bundesgesetz!!!
2 David Pachali am 7. November, 2017 um 17:50
Danke!
3 Eric Steinhauer am 8. November, 2017 um 23:08
Hm. Ja. Bei den Dissertationen geht man u.a. von vorkonstitutionellem Gewohnheitsrecht aus. Dafür gilt die Kompetenzordnung des GG gerade nicht.
4 Lahrs am 9. November, 2017 um 13:57
Forschung, welche mit öffenlichen Geldern finanziert wird, sollte in jedem Fall dokumentiert und öffentlich zugänglich gemacht werden. Patentfähige Forschungsergebnisse sollten in Patentschriften enden und zum Wohle aller vermarktet werden. Besondere Leistungen können wie in der Wirtschaft auch finanziell belohnt werden.
5 Peter Funk am 23. November, 2017 um 12:02
Für Forscher, die als Professoren vom Staat mit Steuermitteln besoldet werden, sollte es eine hinnehmbare Einschränkung ihrer Freiheit sein, dass ihre Forschungsergebnisse, die durch die Besoldung und unkündbare Beamtenverhältnisse schon von der Allgemeinheit hinreichend honoriert wurden, der Allgemeinheit auch wieder kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
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