Verbraucherschützer gehen in die Offensive
Bereits gestern ist eine neue Website des Verbandes der europäischen Verbraucherschutz-Organisationen online gegangen: Unter dem Titel „Consumers Digital Rights“ will sie Nutzern zeigen, dass längst nicht alles verboten ist, was die großen Rechteverwerter gern verboten sehen würden. Heute nun zieht der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nach. Er stellt eine Studie vor, in der untersucht wird, zu welchen Mitteln die Film- und Musikindustrie greift, wenn es um den Vertrieb digitaler Werke geht. Die Ergebnisse sind alles andere als schmeichelhaft.
„Im Windschatten des Kampfes gegen kriminelle Raubkopierer werden Verbraucherrechte ausgehebelt. Gleichzeitig zwingt die Industrie Verbraucher durch Kopierschutzsysteme und fehlende technische Kompatibilität dazu, doppelt und dreifach zu bezahlen“, kritisiert vzbv-Chefin Edda Müller das Vorgehen der Inhalteanbieter.
Zu diesem Ergebnis kamen die Verbraucherschüzer, nachdem sie sieben Musikangebote aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien untersucht hatten. Kriterien waren unter anderem, wie viel unterschiedliche Musik angeboten wurde, wie leicht sich gekaufte Songs auf unterschiedliche Abspielgeräte übertragen lassen und wie groß die Gefahr ist, dass die Anbieter die Privatsphäre der Kunden verletzen.
Die untersuchten Angebote schnitten in allen Kategorien schlecht ab. Beim T-Online-Shop Musicload war nur etwa ein Fünftel der 170 Popsongs erhältlich, die die Verbraucherzentralen als Auswahl festgelegt hatten, bei Klassik-Titeln sogar nur ein Zehntel. Die 170 Songs waren danach ausgewählt, dass sie ein breites Spektrum unterschiedlicher Musikgenres repräsentieren und im normalen Plattenhandel erhältlich sind.
Der vzbv schließt daraus, dass die kulturelle Vielfalt bei den großen Download-Plattformen stark eingeschränkt ist. „Für die künstlerische Vielfalt und die Interessen der einzelnen Musiker verheißt das nichts Gutes. Dabei sind es vor allem die angeblichen Interessen der Künstler, auf die sich die Musikindustrie in ihrer Interpretation des Urheberrechts immer wieder berufen“, schreibt der vzbv in seiner Stellungnahme.
Dazu kommt, dass die Songs meist an einen Verkäufer, einen Gerätehersteller oder eine Kombination aus beidem gebunden sind, und sich nicht auf andere Systeme übertragen lassen. So sei es derzeit für den durchschnittlichen Verbraucher nahezu unmöglich, ein Musikstück vom Online-Musikanbieter iTunes auf einen anderen MP3-player als den iPod zu laden. Ein Sony Walkman kann Musik nur auf der Sony Download-Plattform herunterladen.
Beispiele für Inkompatibilität gebe es in Hülle und Fülle, resümiert der vzbv und fragt: „Manchmal kann eine CD zwar auf dem CD-Player oder dem heimischen PC, nicht aber auf dem CD-Spieler im Auto abgespielt werden. Wie oft möchte uns die Industrie eigentlich für dasselbe Lied bezahlen lassen, damit wir es an verschiedenen Orten hören können?“
Doch nicht nur diese Beschränkungen sind den Verbraucherschützern ein Dorn im Auge. Durch die Techniken, die zum so genannten Rechtekontroll-Management (DRM) eingesetzt werden, würden nicht nur die Nutzungsfreiheiten eingeschränkt, sondern auch die Privatsphäre gefährdet. Es sei Software auf dem Markt, die ohne Wissen des Nutzers auf privaten Rechnern installiert, wenn er eine CD einlegt oder einen Song von einem Musikangebot herunterlädt. Sie könne der Musikfirma Informationen darüber weiterleiten, wer welche Musik oder Filme wann und wie oft hört oder sieht. Das sei eine schwerwiegende Verletzung der Privatsphäre.
Dass es sich dabei nicht um „Science Fiction“ handle, sehen die Verbraucherschützer durch den „Fall XPC“ belegt: Die Musikabteilung von Sony hatte vor kurzem CDs ausgeliefert, die ohne Wissen der Kunden einen Kopierschutz auf ihren PCs installierte, der nicht nur Nutzungsdaten an Sony senden kann, sondern die Rechner auch einem großen Risiko aussetzt, von Viren und Trojaner-Programmen befallen zu werden (iRights.info berichtete, Link unten).
Um derartige Fälle in Zukunft zu verhindern und die Rechte der Verbraucher zu stärken, fordern die europäischen Verbraucherschutz-Organisationen nun bestimmte Grundrechte festzuschreiben, die sie einer Charta formuliert haben. Die Charta umfasst das Recht auf Schutz der Privatsphäre, das Recht auf kulturelle Vielfalt und das Recht auf universelle, einheitliche technische Standards und ist auf der Webseite von Consumers Digital Rights einzusehen.
Sie soll vor allem dazu dienen, eine Balance zu finden zwischen den berechtigten Interessen der Industrie, Geld zu verdienen, denen der Öffentlichkeit, Zugang zu kulturellen Gütern zu bekommen und denen der Kreativen, für ihr Schaffen entlohnt zu werden. Weiterhin sollen die bestehenden Richtlinien der Europäischen Union zum Schutz geistigen Eigentums im Licht dieser Grundsätze überprüft werden.
Die konkreteste Forderung der deutschen Verbraucherschützer ist, Nutzern ein vor Gericht durchsetzbares Recht auf die so genannte Privatkopie zu gewähren, das nicht durch DRM-Technologie eingeschränkt werden dürfe.
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