USA: Schwurgericht verhängt Rekordstrafe wegen Filesharing
Kläger war der mächtige US-Branchenverband Recording Industry Association of America (RIAA). Er warf der Frau vor, insgesamt über 1.700 Songs, bei denen die Verwertungsrechte von Plattenfirmen wie Virgin Records oder Sony BMG Music Entertainment gehalten werden, über die Tauschbörse KaZaA anderen Nutzern in ihrem Shared-Ordner zum Download zur Verfügung gestellt zu haben. Die beklagte Nutzerin bestritt in der Verhandlung die Vorwürfe.
Bei diesem Prozess handelte es sich um die erste Filesharing-Klage, die in den USA vor einem Schwurgericht verhandelt wurde. Bislang wurden Rechtsverletzungen durch die Nutzung von Tauschbörsen fast immer außergerichtlich zwischen der RIAA und den Betroffenen beigelegt. Dabei mussten sich die Nutzer zumeist verpflichten, mehrere tausend Dollar Strafe zu bezahlen und nie wieder geschützte Musikdateien zu tauschen.
Gericht folgt Argumenten der Musikindustrie
Im vorliegenden Fall „Capitol Records v. Jammie Thomas“ sah das Schwurgericht nur in 24 Fällen den Nachweis erbracht, dass die Dateien tatsächlich von der Beklagten bereitgestellt wurden. Dabei konnte ihr im Prozess sowohl die richtige IP-Adresse als auch die MAC-Adresse eindeutig zugeordnet werden. Ferner hatte sich die Beklagte mit einer identifizierbaren E-Mail-Adresse und dem von ihr bereits in der Vergangenheit immer wieder verwendeten Nutzernamen „tereastarr” bei der Tauschbörse KaZaA angemeldet.
In der Begründung des Urteils ist das Gericht weitestgehend den vorgebrachten Argumenten der Musikindustrie gefolgt. Für einen Verstoß gegen die Copyright-Gesetze reicht danach schon die bloße Bereitstellung der Dateien aus. Ein Download durch andere Nutzer, der zu einem Tausch von Musik oder zu einer Verbreitung der geschützten Werke geführt hätte, ist nach Ansicht des Gerichts zur Erfüllung des Tatbestands nicht mehr nötig. Dementsprechend musste die klagende Musikindustrie diesen schwierig zu erbringenden Beweis auch nicht mehr führen. Vor den Geschworenen führte der Vertreter der Anklage Richard Gabriel aus: „Wir haben nicht zu beweisen, wer die Datei von der Angeklagten bekommen hat.“
Zuvor hatte die Verteidigung in ihrem Schlussplädoyer auf der Unschuld der Beklagten bestanden. Rechtsanwalt Brian Toder wies darauf hin, dass zwar die ganze Zeit von Rechtsverletzungen durch die Verwendung des Nutzernamens und der identifizierten IP-Adresse gesprochen werde, die Anklage aber nicht den Beweis geführt habe, dass die Beklagte dafür verantwortlich sei. Ferner habe sie die geschützten Dateien auch nie verschickt.
9.250 Dollar Schadensersatz pro Musikdatei
Das Gericht sah die Vorwürfe als erwiesen an und verurteilte die Nutzerin zu 9.250 Dollar Schadensersatz pro bereitgestellter Datei. Der Strafrahmen bei Copyright-Verletzungen dieser Art bewegt sich zwischen 750 und bis zu 30.000 Dollar.
Der in den USA übliche abschreckende Schadensersatz beruht in diesem Fall auf dem seit 1999 geltenden „Digital Theft Deterrence and Copyright Damages Act“. Bei besonders schweren Copyright-Verstößen im Internet kann dabei sogar Schadensersatz bis zu einer Höhe von 150.000 Dollar pro Fall gefordert werden. In Fällen, bei denen eine Höhe des Schadensersatz gesetzlich festgeschrieben ist, („statutory damages“) muss vor Gericht nicht bewiesen werden, ob der Schaden tatsächlich in der geforderten Höhe entstanden ist.
Auswirkungen des Urteils umstritten
Nach Angaben der RIAA wurden seit 2003 bereits über 26.000 Filesharing-Klagen gegen Nutzer angestrengt. Dies ist der erste Fall, in dem sich die Beklagte weigerte, vor Prozessbeginn einer außergerichtlichen Einigung zuzustimmen. Das Urteil des Gerichts wird von Beobachtern nun als Grundsatzentscheidung bewertet, die in Zukunft die Beweisführung der Rechteinhaber stark vereinfachen könnte. Der RIAA-Anwalt Gabriel sieht im Urteil des Gerichts einen wegweisenden Erfolg. Gegenüber der Nachrichtenagentur AP erklärte er: „Das hier sendet eine klare Botschaft (…). Der Download und das Verteilen unserer Musik ist nicht in Ordnung.“
Jedoch dürfte auch die RIAA wenig Interesse an vielen weiteren Urteilen dieser Art haben. Zwar hat sie in diesem Fall Recht bekommen und zudem noch Anspruch auf einen hohen Schadensersatz, doch bleibt zu bezweifeln, ob die Beklagte die Strafe jemals wird bezahlen können. Das Urteil dient aus Sicht der Musikindustrie deswegen auch vielmehr der Abschreckung vor der Nutzung von P2P-Tauschbörsen. Diese Strategie verfolgt der Branchenverband jedoch bereits seit Jahren, ohne dass die Zahl der Tauschbörsennutzer und die getauschte Anzahl geschützter Dateien gesunken ist. Nach dem Ergebnis einer Untersuchung der US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) ist die Anzahl der Nutzer sogar deutlich gestiegen.
Was sagen Sie dazu?