USA: Copyright-Schurkenstaaten im Visier
Der „Special 301 Report“ differenziert dabei zwischen zwei verschiedenen Kategorien von Staaten. Auf der „Priority Watch List“ (PWL) werden neben China und Russland auch Argentinien, Chile, Ägypten, Indien, Israel, Libanon, Thailand, Türkei, Ukraine und Venezuela geführt. Diesen Staaten wirft die US-Regierung einen besonders mangelhaften Schutz von geistigem Eigentum amerikanischer Unternehmen vor. In der zweiten niedrigeren Kategorie „Watch List“ (WL) werden weitere 31 Staaten wie beispielsweise Polen, Italien, Saudi-Arabien oder auch Kanada aufgelistet. Diese Staaten stehen nach einer Mitteilung der USTR unter besonderer Beobachtung. Rechtliche Grundlage der Auflistung ist Paragraph 301 des US-Handelsgesetzes.
Russland muss für WTO-Beitritt mehr tun
Russland befindet sich zur Zeit in den entscheidenden Verhandlungsrunden für einen Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO (World Trade Organization). Dieser soll Mitte 2007 erfolgen. Die USTR verknüpft die russischen Bemühungen zum stärkeren Schutz des geistigen Eigentums eng mit einem möglichen Beitritt. Dazu heißt es im Bericht: „Die folgenden Monate sind ein kritischer Zeitraum, da Russland im Begriff ist, eine Reihe von rechtlichen und polizeilichen Verbesserungen einzuführen, zu denen es sich im Rahmen des bilateralen Abkommens mit der USA bezüglich seiner eventuellen Aufnahme in der WTO bereiterklärt hat. Die Einführung dieser Verpflichtungen ist eine wesentliche Voraussetzung für die abschließenden multilateralen Verhandlungen über das vollständige Beitrittspaket.“ Die US-Behörde beklagt insbesondere die massenhafte Produktion von DVDs mit nicht-lizenzierten Inhalten.
Daneben sind der USTR auch Online-Musikdienste wie „Allofmp3“ ein Dorn im Auge. Das russische Unternehmen beruft sich beim Vertrieb von Musikstücken und Alben vieler Künstler auf ein Abkommen mit der „Russian Organization for Multimedia and Digital Systems“. Danach sei das Online-Angebot legal. Die USA sehen in dem populären Online-Musikshop allerdings lediglich eine große kriminelle Piraterie-Organisation. Da sich Russland bereits in der Vergangenheit gegenüber den USA und der EU verpflichtet hatte, stärker gegen Raubkopierer und den Vertrieb von Raubkopien vorzugehen, sollen die Entwicklungen in diesem Sektor besonders genau beobachtet werden. Die USTR hat dafür einen Sonderbericht („Out-of-cycle review“) angekündigt.
China: Piraterie auf hohem Niveau
Trotz einiger Verbesserungen und einer verstärkten Zusammenarbeit zum Schutz des geistigen Eigentums bemängelt der Bericht nach wie vor eine Vielzahl von Urheberrechts- und Markenrechtsverletzungen in China. Probleme bei der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums seien vor allem auf der lokalen Ebene zu finden. Deswegen wird eine bessere Zusammenarbeit mit den lokalen Behörden gefordert.
Vor diesem Hintergrund ist auch die Ankündigung der USA vom Februar 2007 zu sehen, zwei formelle Beschwerden wegen des Handels mit illegalen Kopien von DVDs und CDs gegen China bei der WTO einzureichen. Dabei richtet sich die Kritik der Handelsbehörde einerseits dagegen, dass es aus ihrer Sicht nur schwer möglich ist Herstellern und Verkäufern illegaler Ware rechtlich zu verfolgen. Andererseits kritisieren die US-Handelsvertreter die geltenden Importbedingungen Chinas. Diese sehen aktuell vor, dass beispielsweise Software, Musik oder Filme nur von staatlich kontrollierten Institutionen eingeführt werden dürfen. Dies führt nach Ansicht der USTR zu Verzögerungen, die für illegale Händler einen entscheidenden Vermarktungsvorteil darstellen.
Gegen die damals erhobenen Vorwürfe wehrte sich China umgehend. Die USA würden durch solche Vorwürfe die Anstrengungen Chinas zum Schutz des geistigen Eigentums ignorieren. Im aktuellen Bericht der USTR wird China nun grundlegend bescheinigt, dass Verbesserungen sichtbar seien. Diese reichen nach Ansicht der Behörde aber noch lange nicht aus.
Weitere Sünder auf der „Priority Watch List“
Auch die anderen aufgezählten Staaten in der „Priority Watch List“ können sich auf Diskussionen mit den USA einstellen. Die USTR kündigt in ihrem Bericht an: „Länder auf der Priority Watch List werden im Laufe des folgenden Jahres einem besonders intensiven Engagement im Rahmen von bilateralen Diskussionen unterworfen.“ Bei Verstößen gegen Rechte des geistigen Eigentums behalten sich die USA ökonomische Sanktionen vor. Die Gründe, warum ein Land auf der Liste erscheint, sind unterschiedlich und teilweise sehr umstritten. In der Vergangenheit wurde in vielen Fällen immer wieder eine mangelhafte Umsetzung des „Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums“ (TRIPS) zum Anlass genommen. Durch die Auflistung der Staaten im Report soll der öffentliche Druck erhöht werden.
Auch die EU fand sich 2005 auf der „Priority Watch List“ wieder. Hintergrund waren dabei jedoch keine Probleme beim Schutz des geistigen Eigentums, sondern vielmehr Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA und der EU wegen der EU-Richtlinien über Agrarprodukte. Nachdem der Streit weitestgehend beigelegt wurde, stand die EU im Folgejahr nur noch auf der „Watch List“ unter Beobachtung. Im aktuellen Bericht taucht die EU nun nicht mehr auf. Dies wird auch ausdrücklich vermerkt, allerdings ohne jegliche weitere Hintergrundinformation.
Brasilien kann ebenfalls aufatmen. Im aktuellen Bericht wird das Land nicht mehr länger auf der PWL, sondern nur noch auf der WL geführt. Zur Begründung heißt es: „Brasilien wurden von der dringlichen Beobachtungsliste auf die reguläre Beobachtungsliste verschoben, was signifikante Verbesserungen in der Durchsetzung von Urheberrechten reflektiert. Das USTR wird einen Sonderbericht durchführen, um die Nachhaltigkeit des Fortschritts, den Brasilien in Hinsicht auf die Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums erzielt hat, zu beurteilen und weiteren Fortschritt bezüglich noch nicht gelöster Probleme zu fördern.“
Thailand zählt zu den Aufsteigern in die PWL. Angeprangert werden dabei jedoch keine Verletzungen des Urheberrechts durch illegale Kopien. Vielmehr befindet sich Thailand zur Zeit in einem Rechtsstreit mit US-Unternehmen. Die USA werfen Thailand vor, teure, lizenzierte Medikamente, unter anderem zur Behandlung von AIDS, als Billig-Produkte nachzumachen und zu verkaufen. Wie die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam mitteilt, würde der Erwerb der lizenzierten US-Präparate die thailändische Regierung 3,2 Billionen US-Dollar mehr kosten. Mit einer solchen Preiserhöhung für den Kauf der Medikamente von führenden Pharma-Unternehmen wird nach Ansicht der Organisation das Leben von tausenden Personen, die am HI-Virus erkrankt sind, gefährdet.
Zudem weist Oxfam daraufhin, dass die Verletzung von Patenten bereits durch die internationale Gemeinschaft sanktioniert ist. Der vorgelegte Bericht lässt nach Angaben eines Oxfam-Sprechers internationale Abkommen, an denen auch die USA beteiligt sind, unberücksichtigt. In diesen werde klargestellt, dass Länder der Dritten Welt das Recht haben, öffentliche Interessen und das Gesundheitswesen über den Schutz des geistigen Eigentums zu stellen. Die US-Handelsbeauftragte Susan C. Schwab kommentiert die Kritik an der amerikanischen Vorgehensweise: „Wir müssen unsere Ideen, Erfindungen und Kreativität vor Betrügern und Dieben schützen.“
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