US-Entertainment-Industrieverbände gegen Youtube-DL, VPN-Streaming und Musik in Let’s-Play-Videos

Enrico Strocchi unter CC-BY-SA-2.0 via Flickr.
RIAA vs. GitHub
Der Verband der US-amerikanischen Musikindustrie, die Recording Industry Association of America (RIAA), geht aktuell gegen die Open Source-Plattform GitHub vor. Dort wurde die kostenlose Software „Youtube-DL“ angeboten, mit der sich Video- und Audiospuren von Youtube herunterladen lassen. Das Herunterladen von Videos bietet YouTube selbst nicht an und sieht es auch generell nicht vor.
Die Software Youtube-DL („DL“ steht für „Download“), ist unter einer offenen Lizenz veröffentlicht und gilt als recht beliebtes Tool auf GitHub. Tatsächlich ist Youtube-DL auch nicht illegal. Allenfalls kann sein Einsatz Urheberrechte verletzen, etwa wenn damit kopiergeschützte Inhalte heruntergeladen und dafür deren Schutzmechanismen umgangen werden. Auch die Weiterverbreitung von Inhalten ist in vielen Fällen illegal.
Generell setzt Youtube zwei Kopierschutzverfahren ein: Zum Schutz der Bezahlinhalte wird ein relativ robuster Kopierschutz verwendet; ansonsten soll der Download der Inhalte über eine simple Verschlüsselungstechnik verhindert werden, die sich aber mit Youtube-DL und darauf basierenden Streamripper-Services problemlos umgehen lassen. Immer wieder geht daher auch Youtubes Mutterkonzern Google selbst gegen solche Tools vor.
Youtube-DL eignet sich auch, um Privatkopien von urheberrechtlich geschützten Werken zu sichern, denn solche Privatkopien sind gesetzlich erlaubt. Zudem bietet sich YouTube-DL an, um frei lizenzierte Werke herunterzuladen. Und auch Journalist*innen, Wissenschaftler*innen oder Aktivist*innen nutzen das Tool, um recherchierte Inhalte auf der eigenen Festplatte zu archivieren, wie Thomas Rudl in einem Artikel bei netzpolitik.org bemerkt.
Insofern ist der Vorstoß der RIAA in seiner Vehemenz ungewöhnlich. Die RIAA beruft sich dafür auf die „anti circumvention“-Regeln, die sich aus dem US-amerikanischen „Digital Millennium Copyright Act“ (DMCA) ergeben: Danach ist die Umgehung von technischen Kopierschutzmaßnahmen nicht erlaubt.
GitHub hat bereits reagiert und Youtube-DL aus seinem Angebot genommen, warnt seine Benutzer*innen mittlerweile auch davor, den Code erneut zu posten. Zwischenzeitlich war der Code auf Github wieder abrufbar, genauso wie an anderen Orten im Internet – unter anderem als chiffrierte Bilddatei, womöglich um automatische Kontrollen zu umgehen.
MPA vs. VPN
Umgehungskreativität spielt auch eine Rolle im Streit um Video-Streams auf kommerziellen Plattformen, wie Netflix oder Disney Plus. Mittels VPN, also virtuellen privaten Netzwerken, können sich Nutzer*innen Zugang zu Inhalten verschaffen, die beispielsweise an ihrem Aufenthaltsort nicht lizenziert sind oder die sie aus anderen Gründen nicht erreichen können. Im übertragenen Sinn nutzen sie einen Tunnel, um unter geografisch definierten Lizenzgrenzen hinweg auf entfernte Server zuzugreifen. Daher spricht man auch von VPN-Tunneln.
Die US-amerikanische MPA, die Motion Picture Association, nimmt als Interessensverband der Filmindustrie nun genau eine solche „geolocation piracy“ ins Auge. Damit bezeichnet der Lobbverband die Umgehungstechnik, sich über VPN-Tunnel illegal Zugriff auf Inhalte zu erschleichen. In einem Papier an die Handelsbeauftragten der Vereinigten Staaten betont die MPA den Schaden, der mutmaßlich über Urheberrechtsverletzungen durch VPN-Tunnel entstünde. Diese seien daher als „circumvention services“ abzulehnen.
Viele sehen diesen Vorstoß gegen mutmaßliche digitale Piraterie und illegales Herstellen von Zugang als undifferenziert. VPNs dienen auch in zahlreichen anderen Kontexten und vollkommen legal dazu, auf entfernte Server zuzugreifen. Beispielsweise, wenn sich Studierende mit ihrer Universitäts-Website verbinden oder Arbeitnehmer*innen vom Heimbüro aus auf dem Server ihrer Firma arbeiten.
RIAA vs. Twitch
Im dritten Fall geht es um die Gaming-Plattform Twitch, auf der Gamer*innen ihre sogenannten Let’s Play-Videos hochladen beziehungsweise streamen. Diese Videos zeigen, wie sie die Games durchspielen, häufig von urheberrechtlich geschützter Musik unterlegt.
Kürzlich reagierte Twitch auf offensichtlich heftigen Druck aus der Musikindustrie: Ende Oktober entfernte die Plattform tausende Videos mit Musikuntermalung und rief die eigenen Streamer*innen auf, innerhalb einer Frist von wenigen Tagen eigene Uploads mit etwaigen Urheberechtsverletzungen zu löschen oder die Musik zu entfernen.
Diesem Aufruf zur Musikentfernung in ihren Kanälen kamen viele Streamer*innen aus Angst vor sonst drohenden Sperrungen nach. Der Aufruf bezog sich dabei nicht nur auf aktuelle Uploads, sondern auch auf länger zurückliegende. Viele Streamer*innen entfernten daher ihr komplettes Archiv an Uploads.
Bereits im Juni hatte Twitch Ärger mit der RIAA, reagierte damals aber offensichtlich nicht zufriedenstellend auf die „DMCA-Takedowns“. Gemeint sind Urheberrechtsbeschwerden mit Löschaufforderungen, die auf Grundlage des „Digital Millennium Copyright Acts“ ausgesprochen wurden.
Diesmal handelte die Plattform vergleichsweise zügig und ebenfalls recht schonungslos gegenüber den Kanälen der Streamer*innen. Mit der hastigen Aktion zog Twitch auch den Ärger der Streamer*innen auf sich: In einem Statement bittet die Plattform um Entschuldigung und erklärt sich: Tausende „DMCA-Takedowns“ hätten die drastische Löschaktion erorderlich gemacht.
Twitch kündigt auch Veränderungen an: Überarbeitete FAQs sollen die Nutzer*innen besser über das Rechtemanagement informieren und Hilfestellung bieten, etwa um Widersprüche bei DMCA-Takedowns zu formulieren; die Plattform will auch, dass die Nutzer*innen stärker auf „Soundtrack by Twitch“ zurückgreifen, eine eigens bereitgestellte und entsprechend lizenzierte Mediathek für Hintergrundmusik.
Daneben ist zu erwarten, dass die Plattform Verträge mit Verbänden und Verwertungsgesellschaften aushandelt, damit sie selbst wie ihre Nutzer*innen nicht wieder in eine derartige Bredoullie gerät.
Twitch gehört seit 2014 zu Amazon ist in den vergangenen Jahren enorm gewachsen. Die Gaming-Plattform überträgt nicht nur Videospiele seiner Streamer*innen, sondern sendet auch E-Sports-Programme auf darauf spezialisierten Sendern. Auch gibt es, ähnlich wie bei Youtube, ein Monetarisierungs-Programm, über das Streamer*innen durch Werbeeinblendungen Geld einnehmen können.
Fazit
Es ist ein „Katz-und-Maus-Spiel“: Digitale Werkzeuge und ihre Weiterentwicklungen schaffen immer wieder neue Spielräume für Nutzer*innen. Etwa, um Zugang zu digitalen Inhalten zu bekommen, wie mittels Youtube-DL oder VPN. Oder um Medien miteinander zu kombinieren und in neuer Form selbst anzubieten, wie im Falle der Musik in Twitch-Streams.
Medienindustrien beruhen ihrerseits darauf, die Verwertung ihrer Inhalte über Urheberrechte und damit verbundene Regelungen und Kopierschutztechniken zu regulieren, zu kontrollieren und zu begrenzen.
Die Vertretungen der digitalen Medienindustrien begegnen dem drohenden Kontrollverlust mit teils harten Bandagen und versuchen, möglichst viele Nutzungen auszuschließen, die ihren eigenen Interessen zuwiderlaufen.
Gleichzeitig gilt es, die Vorstöße der Medienindustrie kritisch zu hinterfragen und die rechtlichen Erlaubnisse für Nutzer*innen genau zu prüfen. Im Falle von Twitch zeigt sich zudem, dass Plattformen sich nicht als vermeintlich neutrale Instanzen aus den Streitigkeiten heraushalten und Schwierigkeiten auf Nutzer*innen abwälzen können.
Schnelles Wachstum kann einer Plattform so auch auf die Füße fallen, wenn sie Lizenzierungsmöglichkeiten nicht entsprechend mitentwickelt und in angemessener Form den Nutzer*innen zur Verfügung stellt.
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