Urheber-Verträge: Die Chance zur Reform verpasst
Der Bundestag berät derzeit eine Überarbeitung des Urhebervertragsrechts. Das Regelungsvorhaben steht ganz oben auf der Urheberrechtsagenda der aktuellen Legislaturperiode. Eine Reform hatte die Bundesregierung bereits im Koalitionsvertrag zugesagt. Mit gutem Grund: Schon lange wird beklagt, dass die letzten größeren Änderungen an den gesetzlichen Vorgaben für Urheber-Verträge im Jahr 2002 nicht zu den gewünschten Effekten geführt haben. Leider ist schon jetzt absehbar, dass auch die überarbeitete Fassung dieses Ziel verfehlen wird.
Das Urhebervertragsrecht ist für viele professionelle Urheber – Menschen, die mit ihrer kreativen Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen – von grundlegender Bedeutung. Vor allem für freischaffende oder selbstständig arbeitende Kreative ist es entscheidend, was sie mit ihrem Auftraggeber oder Verwerter vor der Erstveröffentlichung vertraglich vereinbaren.
Dabei haben sie zumeist nicht die Verhandlungsposition, ihre eigenen Bedingungen durchzusetzen – zum Beispiel beim Umfang der an den Verwerter zu übertragenden Rechte, deren exklusive oder nicht-exklusive Übertragung oder bei der Vergütung. Das Urhebervertragsrecht schützt sie davor, übervorteilt zu werden oder sich auf unzumutbare Konditionen einlassen zu müssen. Es ist für solche Kreativschaffenden wichtiger als das Urheberrecht selbst.
Vertragsrecht: Wichtigster Hebel für Vergütung
Man könnte sagen, dass das Urhebervertragsrecht in Millionen alltäglicher Fälle das eigentliche Urheberrecht ist. Hat zum Beispiel ein freier Journalist sämtliche Rechte an seinem Beitrag gegen ein viel zu geringes Pauschalhonorar, vollumfänglich, exklusiv und uneingeschränkt an einen Verlag abgetreten, hat er an Wohl und Wehe der Werkverwertung keinen Anteil mehr.
Ob das Recht im Anschluss 70 oder 150 Jahre oder nur noch zehn Tage lang existiert, betrifft ihn nicht mehr. Ebenso wenig, ob hiermit viel oder wenig Geld verdient wird. Der Umfang des Rechts ist für ihn daher deutlich weniger wichtig als der seines vertragsrechtlichen Schutzes.
Beim Urhebervertragsrecht geht es indes nicht darum, kreativen Leistungen und Urhebern zum Erfolg zu verhelfen. Es liegt in der Natur der Sache, dass das Urhebervertragsrecht weder für ein geregeltes Einkommen noch dafür sorgen kann, dass etwa Musik bei den Hörern gut ankommt. Ob und wie gut ein Urheber von seiner Kreativität leben kann, hängt immer davon ab, ob er erfolgreich eine Nachfrage bedient, indem er den Geschmack der Leser, Hörer oder Zuschauer trifft.
Das Urhebervertragsrecht kann dabei dafür sorgen, dass der Urheber fair daran partizipiert, wenn Werke erfolgreich von anderen vermarktet werden. In sehr vielen Konstellationen besteht ein strukturelles Machtungleichgewicht zwischen Urhebern und Verwertern. Angesichts dieses Ungleichgewichts muss der Gesetzgeber in das Verhältnis zwischen diesen Gruppen eingreifen. Er hat diesbezüglich einen Schutzauftrag.
Eine einzige Lösung für alle wäre problematisch
Die Umstände, unter denen Urheber und Verwerter miteinander Verträge schließen, sind ebenso vielfältig wie die Verwertungsrealitäten, Geschäftsmodelle und Märkte. Das erschwert es, im Urhebervertragsrecht zu generellen Lösungen finden, die für jede Konstellation gleichermaßen passend erscheinen.
Wenn der Gesetzgeber etwa einmalige Pauschalvergütungen oder Total-Buyout-Verträge vollständig untersagen würde, würde das zwar in manchen Branchen zu wünschenswerten Effekten führen, in anderen Bereichen aber eher zu Kollateralschäden. Zum einen mag der Spatz in der Hand (einmalige Pauschalvergütung) für manchen Urheber attraktiver sein als die Taube auf dem Dach (Beteiligungsvergütung). Denn nicht jeder Urheber will Wohl und Wehe der Verwertung mittragen.
Zum anderen entspricht eine abgeschlossene Einzeltransaktion auch gerade bei Einzelurhebern, kreativen Handwerkern und in ähnlichen Feldern häufig der alltäglichen Geschäftspraxis. Erfolgsvergütungen und Einzelabrechnungen erhöhen den administrativen Aufwand enorm und sind für so manchen Freiberufler schlicht keine Option.
Absolute Regelungen verbieten sich daher. Der Referentenentwurf (PDF) bediente sich dazu eines ebenso eleganten wie vielversprechenden Ansatzes: Eine Reihe zentraler Regelungen des Entwurfs waren als grundsätzlich unabdingbar ausgestaltet. Sie konnten also nicht durch individuelle Verträge wieder umgangen werden. Die Notwendigkeit hierfür liegt bei vertragsrechtlichen Schutzvorschriften in der Natur der Sache: Könnten die Vertragspartner frei über sie verfügen, würde der Schutz regelmäßig wieder dem Machtungleichgewicht zum Opfer fallen. Einen Vergleich zwischen geltendem Recht, Referentenentwurf und Regierungsentwurf hat das Institut für Urheber- und Medienrecht erstellt.
Ausnahmen sinnvoll, wenn kollektiv vereinbart
Um Fehlentwicklungen und unerwünschte Effekte zu vermeiden, ließ der Referentenentwurf die Vertragsfreiheit insofern wieder aufleben als Abweichungen durch Kollektivvereinbarungen (gemeinsame Vergütungsregeln) vereinbart werden konnten. Beispielsweise sollte der Urheber ein unabdingbares Recht erhalten, ausschließliche Nutzungsrechte unter gewissen Umständen zurückzurufen (Paragraf 40 a im Entwurf). Hiervon konnten Urheber und Verwerter nur durch Tarifvertrag oder eine gemeinsame Vergütungsregel abweichen.
In diesem Ansatz liegt ein kongenialer Schachzug, weil er zwei Probleme gleichzeitig löst. Zunächst würde hiermit dem Prinzip der gemeinsamen Vergütungsregeln Wirkmacht verliehen. Die letzte große Reform am Urhebervertragsrecht aus dem Jahr 2002 hatte sie als zentralen Regulierungsmechanismus vorgesehen, ohne dass dieser Anspruch in der Praxis eingelöst werden konnte. Der Anreiz, solche gemeinsamen Vergütungsregeln abzuschließen, würde für beide Verhandlungsparteien erheblich gesteigert, wenn hierdurch im Einzelfall unliebsame gesetzliche Regelungen mit erheblicher Bedeutung außer Kraft gesetzt werden könnten. Ansätze der regulierten Selbstregulierung in anderen Regelungsbereichen, wie zum Beispiel dem Jugendschutzrecht, belegen die Effizienz solcher Modelle.
Im gleichen Zuge kann auf diesem Weg Härtefällen und Sonderkonstellationen elegant begegnet werden. Es liegt in Händen der Betroffenen selbst, sich auf Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen zu einigen. Da einzelne Urheber im Zweifel nicht in der Lage sein werden, sich bei diesen Verhandlungen durchzusetzen, ist dies nur in Kollektivvereinbarungen möglich. Paternalismus wird dadurch ebenso verhindert wie allzu vage Härtefallregelungen, über die allein die Gerichte entscheiden könnten.
Bedauerlich ist jedoch, dass der gute Ansatz, wie er mit dem Entwurf des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums vorlag, im neueren Regierungsentwurf erheblich an Bedeutung verloren hat. Das liegt weniger daran, dass der Ansatz – z. B. beim Rückrufs- oder Auskunftsrecht – gestrichen worden wäre. Vielmehr wurden diese Bestimmungen derart entwertet, dass die Anreizfunktion für den Abschluss von gemeinsamen Vergütungsregeln weitgehend entfallen sein dürfte. Gerade dieser Umstand ist bedauerlich. (Offenlegung: iRights e.V. erhält Zuwendungen des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums.)
Stärkung der Urheber: Oft vorgeschoben, selten wirklich erreicht
Eine große Chance zur Überarbeitung des wichtigen Urhebervertragsrechts wird – sofern der Regierungsentwurf in seiner derzeitigen Fassung verabschiedet wird – verpasst. Dieses Versagen ist umso betrüblicher, als darin auch ein starkes Signal für eine längst überfällige Diskussion des Urhebervertragsrechts auf EU-Ebene hätte liegen können.
Schon lange erscheint es äußerst eigentümlich, dass sich die Europäische Union für zuständig hält, annähernd jeden Aspekt des Urheberrechts neu zu regeln, ohne das Urhebervertragsrecht dabei eines Blickes zu würdigen. Diese Ignoranz führt zu der absurden Situation, dass die Politik erklärtermaßen ständig damit beschäftigt ist, „die Interessen der Urheber zu stärken“ und zu diesem Zweck das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte zu verlängern, auszuweiten und Beschränkungen zurückzudrängen.
Jegliche Hilfe dagegen, dass der ach so schützenswerte Urheber sämtliche Rechte durch eine einzige Unterschrift an einen Verwerter übertragen kann und sehr häufig übertragen muss, wird ihm jedoch verwehrt. Gerade in diesem logischen Bruch, in dieser Unwucht im konzeptionellen Ansatz des Urheberrechts liegt jedoch eines der fundamentalen Defizite des geltenden Systems. Über das Urhebervertragsrecht ließe sich dieses Defizit in erheblichem Maß korrigieren.
Dem Druck der Verwerter gebeugt
Das Fazit zur aktuellen Reform des Urhebervertragsrechts fällt nüchtern aus. Ein Zweitverwertungsrecht nach 10 Jahren (nicht: ein Rückrufrecht nach 5 Jahren!) wie es im Regierungsentwurf nun vorgesehen ist (Paragraf 40a), wird an der prekären Situation freier Journalisten oder Literaturübersetzer nichts ändern. Ebenso wenig der Zusatz, dass die „Häufigkeit“ der Nutzung bei der Beurteilung, ob eine Vergütung angemessen ist, eine Rolle spielen soll (Paragraf 32 Absatz 2).
Da das Thema nun absehbar für mindestens weitere zehn bis 15 Jahre politisch nicht wieder aufgegriffen werden wird, muss man wohl resümieren: Es ist sehr schade, dass nicht einmal die allseits bekannten gröbsten Defizite des geltenden Rechts ausgeräumt wurden.
Wie konnte es nach den vollmundigen Ankündigungen im Koalitionsvertrag dazu kommen? Weil es politisch offensichtlich wieder einmal nicht möglich war, dem Druck der Verwerterlobby zum Trotz eine sinnvolle Regelung nicht nur auf den Weg zu bringen, sondern am Ende auch durchzusetzen.
Dieser Artikel erschien zuerst in Ausgabe 9/2016 von „Kommunikation & Recht“. iRights.info veröffentlicht ihn hier in leicht bearbeiteter Fassung.
1 Kommentar
1 Matthias Ulmer am 31. August, 2016 um 14:35
Lieber Herr Kreutzer,
eine Verständnisfrage: inwieweit hätte ein Rückaufrecht von 5 Jahren etwas an der prekären Situation von Übersetzern geändert? Nach meinem Verständnis kann der Übersetzer ohne die Lizenz des ausländischen Lizenzgebers, die in der Regel der Verlag erwirbt, mit seiner Übersetzung gar nichts anfangen?
Und eine Anmerkung: warum sind Verleger und ihr Branchenverband Lobbyisten, Urheber und ihre Verbände aber nicht? Mit dem Schimpfwort Lobbyist soll die Position des anderen als Interessengeleitet abgewertet werden. Aber letztlich stehen sich doch nur Interessen gegenüber, mal zwei, mal mehrere. Und es ist eigentlich Prinzip der Demokratie unterschiedliche Interessen zu diskutieren. Dem anderen die Legitimität oder die Aufrichtigkeit seiner Interessen abzusprechen ist ja nicht sinnvoll.
Herzliche Grüße
Matthias Ulmer
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