Urheberrechtsfragen bei Virtual und Augmented Reality

Mit VR- und AR-Technologien stellen sich – wie sie oft bei neuer Technik – auch urheberrechtliche Fragen. Diese betreffen etwa die Entwicklung von VR/AR-Anwendungen, die Integration fremder Werke in solche Anwendungen und die Möglichkeit, innerhalb der Anwendung eigene Werke zu erstellen.
Das Thema wird bei iRights.info in zwei Teilen behandelt: In diesem ersten Teil geht es darum, VR/AR-Anwendungen selbst urheberrechtlich einzuordnen. Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt auf der Einbindung fremder Werke in VR/AR-Anwendungen. Außerdem behandelt der zweite Teil urheberrechtliche Ausnahmeregelungen sowie de Frage, ob ein vom Nutzer innerhalb der Anwendung geschaffenes Werk urheberrechtlichen Schutz genießen kann.
Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR)
In einer Virtual Reality (VR) werden Nutzer mithilfe einer VR-Brille und Kopfhörern in einen computergenerierten, vollständig virtuellen Raum versetzt, welchen man beispielsweise mit einem Controller zusätzlich durchsteuern kann. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: So kann man beispielsweise bereits vorab durch den Architektenentwurf des geplanten Eigenheims gehen und Räume realitätsnah betrachten. Besonders prominent ist VR im Zusammenhang mit Videospielen. Dort ist die Immersion noch intensiver, da man als Nutzer mit einem eigenen Charakter durch virtuelle Landschaften wandert und sich selbst direkt im Raum als Teil der Spielwelt wahrnimmt.
Die Augmented Reality (AR) lässt eine Mischwelt zwischen Realität und Simulation entstehen. Sie integriert mithilfe von kamerabasierter Hardware wie Tablets oder AR-Brillen (oder Smart Glasses) virtuelle Elemente in einen realen Raum. Damit lassen sich beispielsweise betrachtete Gemälde in Museen zum Leben erwecken oder die optimale Laufbahn einer Kugel beim Billiardspiel bestimmen und in das Blickfeld des Spielers projizieren.

Grafik: „DIY Augmented Reality, MoMA NY“ von sndrv via openverse.org unter CC BY 2.0
Urheberrechtlicher Schutz von VR- und AR-Software
Den VR/AR-Anwendungen liegen Softwareprogramme zugrunde. Ein Softwareprogramm, einschließlich seines Quellcodes, ist in der Regel als Computerprogramm urheberrechtlich geschützt. Für die Frage, wer diesen Schutz beziehungsweise urheberrechtliche Rechte genießt, muss zwischen den Beteiligten Softwareprogrammierer, Softwarebetreiber und Endnutzer differenziert werden:
Der Softwareprogrammierer gilt als Urheber der Software, wobei die ausschließlichen Nutzungsrechte im Falle eines Anstellungsverhältnisses regelmäßig dem Arbeitgeber bzw. dem Unternehmen als Softwarebetreiber eingeräumt werden. Um die Software verwenden zu dürfen, hat der Nutzer die erforderlichen Lizenzen beim Softwarebetreiber einzuholen. Veränderungen am Quellcode stellen eine urheberrechtliche Bearbeitung des Werkes dar und sind zusätzlich zustimmungsbedürftig, soweit dies nicht durch die Lizenzvereinbarung gestattet ist (hierzu Näheres im zweiten Teil).
Welchen Schutz die Medieninhalte bei VR und AR genießen
Auf die Softwareebene folgt das Ausgabeprodukt, also die für den Nutzer audiovisuell wahrnehmbare Ebene. Eine VR-Welt beinhaltet neben der dreidimensionalen Umgebungsgestaltung unter anderem auch Tonelemente, eingeblendete Texte und Animationen.
Schutz der einzelnen Elemente
Diese einzelnen Bestandteile sind urheberrechtlich geschützt, sobald sie den urheberrechtlichen Erfordernissen für ein Werk genügen. Dabei gelten die allgemeinen Grundsätze: Ein Werk ist jede persönliche und geistige Schöpfung, die durch Originalität gekennzeichnet ist und eine ausreichende Schöpfungshöhe erreicht.
Beispielsweise können individuell gestaltete 3D-Modelle, einzigartige virtuelle Umgebungen, kreativ animierte Avatare oder eigens entwickelte Soundeffekte urheberrechtlich geschützt sein. Diese Elemente erfüllen in der Regel die Anforderungen an Originalität und persönliche geistige Schöpfung. Dagegen erreichen kurz eingeblendete Hinweisfelder mit Texten oder einfache Hintergrundgeräusche oft nicht die notwendige Schöpfungshöhe. Wie so oft gilt auch hier: Es hängt vom Einzelfall ab.
Schutz als Multimediawerk?
Dazu kommt ist die Frage, ob das Urheberrecht das gesamte Ausgabeprodukt, wie beispielsweise die virtuelle Welt eines Computerspiels inklusive der einzelnen Medieninhalte, als „Multimediawerk“ – ähnlich zu Filmwerken – gesamteinheitlich schützt. Zu beachten ist, dass bei einer solchen Einordnung der urheberrechtliche Schutz der Einzelwerke weiterhin bestehen bleibt.
Für VR-Welten wie bei Computerspielen lässt sich ein solcher Schutz allgemein annehmen. Denn Videospiellandschaften bestehen aus einer bewegten Bildabfolge und ähneln somit auch optisch Filmen. Die Programmierung ändert an dieser Beurteilung nichts, wie sich auch an Animationsfilmen erkennen lässt. Auch dass der Nutzer Einfluss auf den Verlauf des Spiels nehmen kann, stellt kein Ausschlusskriterium für den Urheberrechtsschutz dar. Denn der Nutzer kann sich immer nur innerhalb der vorprogrammierten Grenzen des Spiels bewegen.
Bei AR-Anwendungen ist der Erfolg einer solchen Einordnung weniger wahrscheinlich. AR zeichnet sich dadurch aus, dass sie virtuelle Elemente in die reale Welt integriert, die der Nutzer wahrnimmt. Der Programmierer weiß im Voraus nicht, in welchem Kontext die entwickelten Inhalte erscheinen. Deshalb spielen bei AR-Anwendungen oft Zufälle eine große Rolle. Zwar schützt das Urheberrecht die eingeblendeten Elemente möglicherweise als Gesamtwerk, wenn sie eine filmähnliche Gestaltung haben. Allerdings erreichen diese Elemente häufig nicht die Komplexität einer vollständig virtuellen Welt, wie sie bei VR entsteht. Dadurch ist es unwahrscheinlich, dass man sie als Gesamtwerk einordnet.
Neue Nutzungsart, neue Vergütung?
Durch VR können traditionelle Nutzungsarten wie das Spielen auf der PlayStation oder das Anschauen von Filmen völlig neu erlebt werden: Statt auf den Bildschirm zu schauen, taucht der Nutzer dank VR-Headset direkt in die virtuelle Welt ein. Gesten ersetzen den klassischen Controller oder die Fernbedienung.
Durch die Möglichkeit, traditionelle Nutzungsarten eines Werkes in eine neue Wahrnehmungsform zu überführen, könnte sich ein neuer Vergütungsanspruch für die Urheber dieser Werke ergeben. Das Urheberrecht enthält eine Regelung für die so genannte „unbekannte Nutzungsart“. Diese sieht eine Nachvergütung für Nutzungsformen des eigenen Werks vor, welche bei der ursprünglichen Einräumung von Nutzungsrechten noch nicht vorgesehen war. Für eine unbekannte Nutzungsart ist erforderlich, dass eine neue konkrete technisch und wirtschaftlich eigenständige Verwertungsform des Werkes vorliegt.
Am Beispiel des Videospiels: Die persönliche Einbindung des Nutzers in die VR-Welt des Spiels bietet zwar im Vergleich zum zweidimensionalen Spiel eine neue, immersive Erlebnisform – sie knüpft aber dennoch an bestehende Vertriebswege an, wie das Spielen über eine Spielkonsole. Da VR-Anwendungen somit das Spielerlebnis lediglich erweitern und keinen neuen wirtschaftlichen Zweig schaffen, dürfte eine Einstufung als unbekannte Nutzungsart unwahrscheinlich sein. Somit entfällt auch ein Anspruch auf eine Nachvergütung.
Zusammenfassung und Ausblick
Um VR/AR-Anwendungen urheberrechtlich einzuordnen, ist es wichtig, zwischen Softwareprogramm und Ausgabeprodukt zu unterscheiden. Softwareprogramme sind regelmäßig urheberrechtlich geschützt. Bei den einzelnen Medieninhalten kommt es auf die konkrete Ausgestaltung an. Die Gesamtheit der Einzelwerke lassen sich bei VR-Welten zu einem Multimediawerk zusammenführen. Die Urheberrechte an den eingebundenen Einzelwerken gehen bei einer solchen Einordnung nicht verloren.
Im zweiten Teil geht es stärker um die Einbindung fremder urheberrechtlich geschützter Werke in VR/AR-Anwendungen und den damit verbundenen Nutzungsrechten für die Verwendung solcher Werke. Zudem wird dort die Frage geklärt, wann ein Nutzer selbst Urheberrechte an in der VR/AR-Anwendung geschaffenen Inhalten beanspruchen kann.
Sie möchten iRights.info unterstützen?
iRights.info informiert und erklärt rund um das Thema „Urheberrecht und Kreativität in der digitalen Welt“. Alle Texte erscheinen kostenlos und offen lizenziert.
Wenn Sie mögen, können Sie uns über die gemeinnützige Spendenplattform Betterplace unterstützen und dafür eine Spendenbescheinigung erhalten. Betterplace akzeptiert PayPal, Bankeinzug, Kreditkarte, paydirekt oder Überweisung.
Besonders freuen wir uns über einen regelmäßigen Beitrag, beispielsweise als monatlicher Dauerauftrag. Für Ihre Unterstützung dankt Ihnen herzlich der gemeinnützige iRights e.V.!
DOI für diesen Text: https://doi.org/10.59350/tbgg5-bzy44 · automatische DOI-Vergabe für Blogs über The Rogue Scholar
Was sagen Sie dazu?