Untersuchung sieht Chancen für Wissenschaftsschranke im Bildungsbereich
Unter dem Titel „Bildungs- und Wissenschaftsschranke“ werden seit einigen Jahren Ansätze diskutiert, die Ausnahmen vom Urheberrecht im Bereich Bildung und Wissenschaft zu erweitern und zu vereinfachen. Die jetzt veröffentlichte Untersuchung (PDF) von Katharina de la Durantaye, Juniorprofessorin für Bürgerliches Recht an der Humboldt-Universität Berlin, bringt das Modell in Form einer sogenannten „allgemeinen Bildungs- und Wissenschaftsschranke mit Regelbeispielen“ ins Spiel. Die Untersuchung wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.
Eine solche Regelung komme den Anforderungen von Bildungseinrichtungen besser entgegen als die jetzigen. Schul- und Hochschulverbände kritisieren unter anderem, diese seien für das Lehren und Lernen zu kleinteilig und hinderlich. Das betrifft beispielsweise die Vorgaben, wann und in welchem Umfang urheberrechtlich geschützte Werke an Unis kopiert sowie auf Lernplattformen verwendet werden können. So dürfen Professoren zwar derzeit Textauszüge in das Uni-Intranet einstellen, nicht aber per E-Mail verschicken und damit vervielfältigen, schreibt Durantaye.
Das in der 320-seitigen Studie diskutierte Modell sieht vor, die im Urheberrecht verstreuten Befugnisse in einer „Generalklausel“ zusammenzufassen. „Wer Werke für wissenschaftliche Zwecke oder zur Veranschaulichung des Unterrichts nutzen möchte, muss statt fünf Vorschriften nur eine kennen“, heißt es. Daneben sollen sich Bibliotheken, Museen und Archive als „privilegierte Einrichtungen“ auf erweiterte Befugnisse berufen können. Vorbild sind vergleichbare Ansätze und Gesetze in den USA und England.
Durantaye: Reform mit EU-Vorgaben verträglich
Da eine Generalklausel für Bildung und Wissenschaft aber zugleich rechtlich unbestimmter sei, sei das Gesetz durch „Regelungsbeispiele“ zu konkretisieren. Dem Vorschlag der Studie zufolge dürften urheberrechtlich geschützte Werke unter anderem „zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts“, „für Prüfungen“ oder „zur automatisierten Analyse des Informationsgehalts“ (Data Mining) kopiert und öffentlich zugänglich gemacht werden (S. 214). Im Unterschied zu den bestehenden Regelungen könnte das auch für ganze Werke gelten, nicht nur für Auszüge. Wie schon bislang erhielten Urheber für die Nutzung eine Vergütung.
Einschränkende Bedingung sei, dass die Werke nicht kommerziell genutzt würden und das „durch den jeweiligen Zweck geboten“ ist. Dann sei eine solche Bildungs- und Wissenschaftsschranke mit dem bestehenden Rechtsrahmen kompatibel. Die Studie nennt hier besonders die EU-Urheberrechtsrichtlinie, deren Spielräume Deutschland nicht ausreichend nutze. Auch mit dem in internationale Verträgen verankerten Drei-Stufen-Test im Urheberrecht sei der Vorschlag verträglich. Mit dem Test wird geprüft, ob eine Regelung zu weit in die Rechte von Urhebern eingreift.
Koalition will Reform, aber Einigung offen
Die Untersuchung Durantayes könnte bald Eingang in die Debatte zum Urheberrecht im Bildungsbereich finden: Im Koalitionsvertrag hatten sich CDU/CSU und SPD auf eine entsprechende Schranke bereits verständigt. „Wir werden den wichtigen Belangen von Wissenschaft, Forschung und Bildung stärker Rechnung tragen und eine Bildungs- und Wissenschaftsschranke einführen“, heißt es darin (PDF).
Auch der Bundesrat hatte sich zuletzt vergangenes Jahr für eine entsprechende Regelung ausgesprochen. Organisationen wie die Allianz der Wissenschaftsorganisationen oder das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft fordern eine entsprechende Reform seit mehreren Jahren und haben ebenfalls Vorschläge formuliert.
Kritisch zu einer Reform haben sich Wissenschaftsverlage geäußert. „Die geforderten Ausweitungen von Schrankenbestimmungen würden dazu führen, dass Lehrbücher und wissenschaftliche Monografien, gleich ob gedruckt oder digital, nicht mehr auf privatwirtschaftlicher Basis angeboten werden könnten“, erklärte Christian Sprang, Justiziar im Börsenverein des deutschen Buchhandels im September zu entsprechenden Positionen der Parteien.
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