Creative Commons: Und sie bewegt sich doch!
Es erweist sich nach und nach, dass Open-Access-Lizenzen und Kommerz doch zusammenpassen, wenn man es nur vernünftig anstellt und sich traut, die üblichen Pfade zu verlassen. Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft gehen endlich neue Wege beim Umgang mit dem Urheberrecht.
Creative Commons mit seinen sechs Standardlizenzen ist ja schon beinahe ein alter Hut. Seit inzwischen fast sieben Jahren gehört das Doppel-C zur Wirklichkeit des Internet und wird von immer mehr Menschen verwendet. Kürzlich stieg die Wikipedia-Gemeinde nachträglich auf CC-Lizenzierung für ihre Texte um. Aber lange Zeit galt freigiebiger Umgang mit Nutzungsrechten vielen als eine Sache von Hobbykreativen und radikalen Spinnern.
Die Argumente waren dabei stets dieselben, nämlich zum einen die Behauptung, dass wirtschaftlicher Erfolg mit geistigen Schöpfungen nur durch Monopolisierung oder wenigstens Verknappung des Zugangs zu erreichen sei, und dass psychologisch nun einmal feststehe: Was nichts kostet, ist nichts wert. Wie viele andere Initiativen hat auch Creative Commons diese Ansichten von Beginn an angezweifelt und darauf hingewiesen, dass die urheberrechtlich gestützte Verknappung des Zugangs nicht nur an der Wirklichkeit der heutigen Mediennutzung vorbeigeht. Darüber hinaus wurde der Bogen so weit überspannt, dass das Urheberrecht zum echten Hemmschuh kreativer Arbeit geworden ist.
Das von Creative Commons und zuvor schon durch die Entwickler von GNU Linux propagierte Gegenmodell basiert auf dem Prinzip der Privatautonomie, Englisch auch „private order“ genannt. Die Idee: Wenn der vom Urheberrecht vorgegebene Standardschutz zu weit geht und den kreativen Austausch behindert, dann wandelt man diesen Schutz über standardisierte privatrechtliche Nutzungsverträge (Lizenzen) so ab, wie man es für richtig hält. Genau diesem Prinzip folgen alle Open-Access-Modelle, von der GNU General Public License (GPL) über die Free Art License und die Creative Commons Public Licenses (CCPL) bis zur neuen Open Database License.
Vielleicht hat diese privatrechtliche Methodik den Eindruck erzeugt, freie Lizenzen seien nur etwas für Laien und Hobbykreative. Wahrscheinlicher aber ist, dass auch der Mangel an bekannten kommerziellen Erfolgsgeschichten die Ursache für solcherlei Ansichten war. Dabei war gerade bei GPL-Software nie eine Einschränkung aufs Private vorgesehen. Im Gegenteil: Unternehmerische Erfolgsgeschichten wie etwa die der Firmen Cygnus Solutions und später Red Hat Inc. reichen bis in die 1980er-Jahre zurück und waren schon damals allein auf frei und kostenlos zugänglicher Software aufgebaut.
Was allerdings die übrigen digitalen Inhalte angeht, alles außer Software, scheint das Denken aller Beteiligten noch wesentlich länger den althergebrachten Ideen der Werthaltigkeit durch Verknappung nachgehangen zu haben. Vielfach kannte man die erfolgreichen Geschäftsmodelle aus der Software-Welt entweder gar nicht, vestand sie nicht oder leugnete ganz einfach ihre Übertragbarkeit auf kreative Inhalte wie Texte, Bilder und Musik.
Inzwischen allerdings mangelt es auch außerhalb der Software-Welt nicht mehr an bekannten und nachhaltigen Projekten, die teilweise oder komplett auf freie Lizenzen setzen. Sehr oft wird dabei auf CC-Lizenzen zurückgegriffen. Wenn auch meistens nicht ganz genau bestimmbar ist, welchen Anteil am Erfolg die Lizenzverwendung jeweils hat, spielt sie doch eine ganz entscheidende Rolle.
Mit CC-Monitor ist an der Universität von Singapur ein eigenes akademisches Projekt entstanden, das weltweit die Verwendung von CC-Lizenzen erfasst und analysiert. Creative Commons selbst hat zudem kürzlich unter Federführung des Australischen CC-Projekts die Sammlung Case Studies ins Leben gerufen, in der interessante Praxisbeispiele der Lizenzverwendung zusammengetragen werden. Daher ist es nun möglich, eine zumindest grobe Einteilung der mit CC-Lizenzen realisierten Geschäftsmodelle vorzunehmen.
Und last but not least wird inzwischen auch systematisch versucht, bei der noch immer am stärksten diskutierten Frage des CC-Lizenzmodells weiter zu kommen, die da lautet: Wo genau liegt die Grenze zwischen kommerzieller und nicht-kommerzieller Nutzung im Sinne der NonCommercial-Bedingung der CC-Lizenzen mit dem „NC“ im Namen? Ein ganz praktischer Baustein zur Einbettung der Lizenzen in kommerzielle Online-Angebote schließlich ist die 2008 eingeführte Erweiterung CC+, einer Art Einhängepunkt für individuell entworfene Zusatzbedingungen in die standardisierten CCPLs.
CC-Geschäftsmodelle im Überblick
Den ersten Boom erlebten CC-Lizenzen ganz klar bei den privaten Blogs dieser Welt, und damit in einem fast gänzlich nicht-kommerziellen Bereich. Die inzwischen auch immer zahlreicheren kommerziellen Projekte sollen im Folgenden dadurch in Gruppen eingeteilt werden, dass nach dem Zweck gefragt wird, den die Lizenzen jeweils für das Geschäftsmodell erfüllen. Hierbei ist zwar immer zu bedenken, dass die CC-Lizenzen meist nicht nur einem einzigen Zweck dienen, oft wird aber ein hauptsächlicher Zweck erkennbar.
Daneben gibt es noch eine große Gruppe von kommerziellen CC-Nutzern, die in keine Schublade so recht hineinpassen und hier deshalb unerwähnt bleiben. Als Quelle für weitere Informationen zum Thema sind die Wiki-Einträge der bereits erwähnten Case Studies zu empfehlen.
Die erfolgende Einteilung erhebt im Übrigen nicht den Anspruch, die tatsächlichen Intentionen der jeweils hinter den genannten Beispielen stehenden Personen beim Einsatz der CCPLs wiederzugeben, sondern basiert auf der Ausrichtung, die beim jeweiligen Geschäftsmodell nach außen erkennbar wird. Manches Projekt oder Start-Up gehört eigentlich in mehrere Gruppen zugleich und nicht selten ändert sich die Ausrichtung von Projekten mit der Zeit.
Nebenangebote und -produkte zu freien Inhalten
Es gibt relativ viele Beispiele des Geschäftsmodells, das auch im Bereich der freien Software verbreitet ist und bei dem die freien Inhalte nur der Bezugspunkt der eigentlichen kommerziellen Angebote oder Dienstleistungen sind. So bietet etwa die Bar Breipott in Berlin-Kreuzberg einen Treffpunkt für Netlabels, diverse Veranstaltungen rund um freie Musik, Drinks und Kulinarisches und stellt eine eigene Sammlung von CC-lizenzierter, GEMA-freier Musik bereit, die vor Ort komfortabel durchgehört und auf eigene Speichersticks kopiert werden kann. Hier ist die freie Musik also das Vehikel für das eigentliche Geschäft.
Ähnliches versuchen die Betreiber des Portals 1000Mikes, auf dem es kostenloses Hosting für (fast komplett) CC-lizenzierte Audio-Casts gibt, die daneben aber ihre Technologien auch kommerziell für Portale und Radiostationen anbieten.
Auch die deutschen Fotoportale piqs.de und Augensound hosten CC-lizenzierten Content kostenfrei und stellen Communityfunktionen bereit, bieten daneben aber diverse Printservices für die Fotos an und schalten teilweise Werbung. Ein weiteres Beispiel dieser Art ist flickr – trotz eines großen nicht frei lizenzierten Teils des Datenbestandes wahrscheinlich der größte Hoster von CC-Inhalten überhaupt – bei dem die Grundfunktionen kostenfrei sind, sich aber professionellere Features in Form eines kommerziellen Abos hinzubuchen lassen. Anders als bei piqs.de ist die CC-Lizenzierung bei flickr allerdings nicht der zentrale Bestandteil des Angebots, sondern eine Zusatzoption.
Das gilt auch für Behance.com, eine Firma aus New York, die neben Beratung zur Verwendung freier Lizenzen und weiterer Vernetzungsdienstleistungen auch Inhalte hostet und dabei CC als Option in ihr User-Interface einbezogen hat.
Anregung unvergüteter Nutzerleistungen durch Open Access
Projekte wie „A Swarm of Angels“ nutzen die CCPLs dagegen, um Kreativen auf einfache Weise die Mitarbeit am eigenen Projekt zu ermöglichen. Die Lizenzen wirken konkret in zwei Richtungen: Zum einen bieten sie eine sichere rechtliche Grundlage für die weltumspannende Zusammenarbeit der Mitglieder, zum anderen wird der Einsatz des Einzelnen durch die Gewissheit angeregt, dass die Rechte am Ergebnis – in diesem Fall der erste mit Mitteln des Internet produzierte Spielfilm – nicht nur bei wenigen liegen, sondern für jedermann freigegeben werden. In ähnlicher Weise versucht der Produzent des deutsch-polnischen Films „Valkaama“ andere in seine Produktion einzubeziehen. Ob derlei Modelle sich letztendlich als nachhaltig erweisen und etablieren werden, ist noch nicht abzusehen.
Größere Bekanntheit durch erleichterte Verbreitung
Die meisten Ansätze für den kommerziellen Einsatz der CCPLs setzen in irgendeiner Weise auf die vereinfachte Weitergabe des damit lizenzierten Contents. Zu ihr wird ausdrücklich eingeladen, weil die Lizenzen immer wenigstens die Vervielfältigung, die Weitergabe im Netz und auch das Einstellen des Contents in Filesharing-Netzwerke erlauben. Dadurch bedarf es in der Regel keiner besonderen eigenen Serverleistung für die Verbreitung der digitalen Inhalte, denn sie können von jedem Empfänger wieder selbst online gestellt oder anderweitig weitergereicht werden. So wird im Idealfall der eigene Content lizenzkonform mit Quellenangabe und Link anderswo im Internet auftauchen und als Rückwirkung mehr Traffic auf der Ausgangsseite erzeugen.
So verfahren Nachrichtenportale wie Netzwelt.de, New Internationalist und auch eine wachsende Zahl neuer akademischer Online-Journale. Hierhin gehören auch NetLabels wie ++audio, die ihr Repertoire im Netz freigeben, um mehr Sichtbarkeit zu erreichen und sich im Markt zu etablieren. Man kann diesen Einsatz der CC-Lizenzen schon fast als Klassiker bezeichnen, und er wurde auch durch Creative Commons immer wieder als Argument für die Sinnhaftigkeit von Open-Access-Lizenzen angeführt.
Viele der Ansätze, die die größere Flussgeschwindigkeit von CC-Content nutzbar machen, sind jedoch wesentlich differenzierter als die der Newsportale. Weiter kann bei diesen komplexeren Modellen dann danach unterschieden werden, ob der frei lizenzierte Content eher Produkt oder Zugpferd ist, ob eigener Content promotet oder eine Verbreitungsplattform für andere angeboten wird und ob/wie generierte Einnahmen weitergegeben werden.
Selbstvermarktung und Ankurbelung des Verkaufs physischer Medien
Allen voran hat der Autor Cory Doctorow, nebenbei auch leidenschaftlicher Aktivist für freie Lizenzen, seine Bücher auch dadurch zu einem Erfolg gemacht, dass er sie unter CC-Lizenzen (mit den Elementen Keine kommerzielle Nutzung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen) für jedermann ins Netz gestellt hat. Ähnlich verfahren übrigens auch der CC-Gründer Lawrence Lessig und eine ganze Reihe weiterer US-amerikanischer Akademiker mit ihren Büchern.
Im Bereich Musik machten vor einiger Zeit die Nine Inch Nails größere Schlagzeilen, als sie ihr letztes Album unter CC-Lizenz online stellten und gerade deshalb mit limitierten Pressungen mehr verdienten als jemals zuvor. Auch die dänische Sängerin Tone geht diesen Weg und hat ihre CD-Verkäufe so um über 40 Prozent steigern können.
Eher experimenteller Natur war dagegen das Re-Release von zwei Songs von David Byrne und Brian Eno im Frühjahr 2006, das die Fans jedoch erfolgreich zum Remixen der Titel anregte. Insgesamt wird deutlich, dass diese Beispiele häufig damit einhergehen, dass die Künstler sich mittels Internet und freien Lizenzen auch der Zwischenhändler und allgemein der klassichen Vertriebswege entledigen, die seit langem einen großen Teil vor allem der Musikindustrie ausmachen.
Selbstvermarktung mit Schwerpunkt Interaktion
Bei den eben genannten Beispielen ist jeweils das lizenzierte und frei im Netz verfügbare Objekt zugleich auch das promotete Produkt, nur eben in digitaler statt in physischer Form auf CD, DVD oder als Buch. Andere Vermarktungsgegenstände dagegen können nicht im eigentlichen Sinne digitalisiert werden, beispielsweise Möbel oder Kleidungsstücke. Dennoch lässt sich auch hierfür mittels CC-Lizenzen etwas tun. Auf der Seite flexiblestream.org können Produktdesigner die Entwürfe und Baupläne der von ihnen entworfenen Möbel und Gebrauchsgegenstände im Netz freigeben und dadurch die Bearbeitung der Designs und den Nachbau der Objekte durch andere ermöglichen, was eine sonst kaum zu erreichende Interaktion und auch Kundenbindung erzeugt.
Ähnlich verfährt das Berliner Modelabel Pamoyo mit einigen Schnittmustern seiner Kollektion. Es muss also nicht unbedingt immer der Anbieter selbst sein, der ein digital freigegebenes Produkt herstellt, es kann auch den Nutzern eine kreative Auseinandersetzung mit dem Produkt ermöglicht und dadurch dem Geschäft indirekt zusätzliche Dynamik gegeben werden.
Nebenbei-Vermarktung des eigenen Know-Hows
Aber es geht auch noch „weiter weg“ vom CC-lizenzierten Inhalt selbst, was die Promotion angeht. So schiebt etwa die Blender Foundation aus den Niederlanden, die zwar gemeinnützig arbeitet und insofern nicht dem üblichen Kommerz zuzurechnen ist, ihren Auftrag und die dazu notwendigen Spenden und Merchandisingverkäufe durch Freigabe hochwertiger Animationsfilme an. Diese haben es dank entsprechend liberaler Lizenzwahl bis auf die flimmernden Fernseherregale großer deutscher Elektrofachmärkte geschafft, wo sie in Schleife als Beispielvideos laufen. Auch die schottische Strange Company, eine Gruppe von Machinimaproduzenten, gibt ihre Werke frei, verkauft aber nebenbei Literatur zum Thema und bietet ihr Know-How für kommerzielle Auftragsanimationen und Vorträge an.
Unterstützung der Selbstvermarktung anderer als Materialquelle für Werbefinanzierung
Den Ansatz der besseren Selbstvermarktung durch Weiterreichbarkeit der Inhalte haben diejenigen weitergedacht, die Hilfsangebote für die Selbstvermarktung im Netz etablieren. Statt dass jeder Kreative eine eigene Site aufbaut, findet man sich auf größeren Portalen mit Gleichgesinnten zusammen. Nach diesem Prinzip funktioniert auch das Portal Jamglue, bei dem man Musikstücke und Samples zum freien Remixen hosten lassen kann und wo dafür zusätzlich auch gleich ein flashbasierter Mixer zur Verfügung steht und Communityfunktionen auch nicht fehlen. Hier wird also Urhebern und Konsumenten von Musik ein Treffpunkt im Web geboten, der über Werbebanner finanziert wird und den Kreativen die Möglichkeit bietet, dass ihre Tracks von anderen bearbeitet und sie als Urheber durch entsprechende Trendscouts entdeckt werden.
Mit etwas mehr Schwerpunkt auf der reinen Datenbankfunktion gehört auch die Seite CADyou in diese Kategorie, auf der Architekten, Ingenieure, Grafiker, Produkt- und Game-Designer und alle sonst Interessierten hochauflösende 3D-Modelle für den Rest der Welt einstellen können. Auch hier ist Werbung geschaltet, allerdings wohl mehr mit dem Zweck der Kostendeckung, denn als großer Profitbringer. Gleiches gilt für das Thingiverse, eine Online-Sammlung von 3D-Vorlagen für Lasercutter und 3D-Printer, bei der alle Inhalte unter CCPLs oder anderen freien Lizenzen stehen.
Modelle mit Einnahmenaufteilung
Einer der ersten größeren Hoster von CC-lizenziertem Content war Revver, ein Portal zur Online-Veröffentlichung selbstgedrehter Videoclips, bei dem vor jedem Stream eine kurze Werbebotschaft eingeblendet wird und die Einnahmen daraus zwischen Urheber und Revver geteilt werden. So entsteht eine neue Art kommerzieller Absatzbranche, für die als prominenter Vertreter auch die Luxemburgische Firma Jamendo steht. Dort können Newcomer-Bands ihre Musik kostenfrei hosten lassen, inklusive Streaming- und Downloadmöglichkeiten, thematischen Radios, einem Ratingsystem und allem, was heute sonst von einem Musikportal erwartet wird. Auch für die Hörer ist die Nutzung kostenfrei, sofern sie sich an die CC-Lizenzbedingung Keine kommerzielle Nutzung halten.
Finanziert wird das Ganze durch Werbung und dadurch, dass die Einnahmen aus kommerziellen Nutzungen der Titel, die die Firma lizenziert, zwischen dem jeweiligen Künstler und Jamendo geteilt werden. Hier werden also, ähnlich wie bei Myspace, die Werke von Laien, Newcomern und wenig bekannten Künstlern zur Generierung von Werbeeinnahmen erschlossen, indem den Kreativen die Plattform und den Nutzern die freie Lizenz geboten wird. Anders als bei Myspace wird hier direkt eine Art Maklerdienstleistung angeboten, falls jemand an kommerzieller Nutzung der Titel interessiert ist.
Nach ähnlichem Modell verfährt auch das zweite große CC-Musikportal Magnatune, wobei dort statt auf Werbung auf freiwilliges Bezahlen der Hörer für heruntergeladene Tracks gesetzt, ansonsten aber auch die Vermittlung kommerzieller Nutzbarkeit angeboten wird. Das Portal Beatpick setzt ausschließlich auf die Vermittlerrolle, spricht also speziell solche Nutzer an, die Musik für kommerzielle Produktionen suchen.
Von Werbefinanzierung und Einzelvertrag zum Angebot für Großabnehmer
Magnatune waren die ersten, die daneben noch einen weiteren Vertriebskanal aufgemacht haben, über den sie größere Musikpakete speziell für kommerzielle Großabnehmer anbieten. Auf diese Weise wurden zum Beispiel die MP3-fähigen Autoradios einiger Fahrzeughersteller mit CC-lizenzierter Musik vorgeladen, aber auch andere Projekte haben sich auf diese Weise über Magnatune mit Soundtracks versorgt. Inzwischen hat Jamendo mit seinem Produkt Jamendo Pro ebenfalls diesen Weg eingeschlagen und vertreibt CC-Musik vor allem an Anbieter von Hintergrundmusik für Kaufhäuser.
Eine solche Bündelung des Geschäfts mit größeren Abnehmern wird nachvollziehbar, wenn man bedenkt, dass sich diese Art von Kunden kaum auf das Herunterladen einzelner Titel mit einfachem CC-Lizenzhinweis verlassen, sondern eher Rundum-sorglos-Angebote haben wollen, bei denen alle rechtlichen Fragen wie bei einem Rahmenvertrag verhandelt werden. Hierin weichen die Geschäftspraktiken in gewisser Weise von der Idee der Standardlizenzen ab, denn die sollen ja gerade die Einzelverhandlungen entbehrlich machen. Letztendlich liegt das aber wohl eher am konservativen Denken der kommerziellen Kunden, die (noch) nicht ausreichend Vertrauen in die Standardlizenzmodelle des Internet gefasst haben. Auffällig ist auch die zunehmende Nähe zum Geschäftsmodell der altgedienten Verwertungsgesellschaften.
NC-Bedingung als Schlüsselfaktor
Sehr viele der oben genannten Projekte und Geschäftsmodelle basieren auf der gezielten Verwendung der CC-Lizenzbedingung Keine kommerzielle Nutzung, mit der ein Trittbrettfahren anderer zumindest teilweise verhindert werden soll. Abgesehen von der noch immer weitgehend offenen Frage nach der Durchsetzbarkeit dieses mit „NC“ abgekürzten Lizenzbausteins, läuft eine Einschränkung dieser Art den Prinzipien der reinen Lehre des Open Access ganz klar zuwider, weshalb die drei CC-Lizenztypen, die das NC im Namen tragen, durch die Free Software Foundation auch nicht als freie Lizenzen anerkannt werden.
Darum entsteht bisweilen ein widersprüchlicher Eindruck, wenn sich kommerzielle Projekte als Vorreiter einer nie dagewesenen Freiheit des Kulturbetriebs gerieren, dabei aber nur eine Art „Privatnutzung deluxe“ zulassen, die nur wenig über das gesetzlich ohnehin Erlaubte hinausgeht. Hinzu kommt, dass diese ebenso kontroverse wie weit verbreitete NC-Option einigen Interpretationsspielraum bietet, was die Grenze zwischen kommerziell und nicht-kommerziell anbetrifft. Die Geister scheiden sich dabei nicht nur an der Frage, ob kostendeckende Finanzierung über Werbebanner mangels erwirtschafteten Gewinns noch als nicht-kommerziell gelten kann. Auch die Organisationsform des Nutzers spielt eine große Rolle bei der Beurteilung, und auch dabei gibt es die verschiedensten, teils vehement vertetenen Auffassungen innerhalb der Creative-Commons-Community.
Nachdem bereits aus dieser Not geboren eine ganze Anzahl von auf bestimmte Anwendungsszenarien begrenzter genauerer Definitionen des NC entstanden waren (beispielsweise zwischen CC-Länderprojekten und ihren Musikverwertern ausgehandelte Richtlinien zur Bedeutung von „nicht-kommerziell“), hat sich Creative Commons entschieden, eine eigene und groß angelegte Erhebung vorzunehmen, die abfragt, was die verschiedenen Gruppen von Urhebern, Nutzern und Projekten jeweils unter „nicht-kommerziell“ verstanden wissen wollen. Dabei wurden zunächst alle verfügbaren Quellen zur Abgrenzung kommerzieller Nutzung in Literatur und Netz ausgewertet. In einer zweiten Phase wurden Urheber befragt, welche Art von Nutzungen sie noch als nicht-kommerziell einstufen und wie sie selbst die Begrifflichkeiten definieren würden. In der dritten noch laufenden Phase wird nun aufseiten der Nutzer geschaut, welche der qualitativen Erkenntnisse aus Phase 2 sich in welcher Quantität tatsächlich im Netz wiederfinden.
Die Endergebnisse werden im Herbst 2009 erwartet. Es wird daraus mit einiger Sicherheit nicht direkt eine Änderung der Formulierung der NC-Bedingung ableitbar sein, aber schon die ersten Zwischenergebnisse sind nicht uninteressant. Es hat sich herausgestellt, dass etwa 80 Prozent der Lizenzverwender Laien sind, sich die Geschlechterverteilung beinahe die Waage hält und bei den Altersgruppen nur die 18 bis 24-jährigen besonders stark vertreten sind. Die Lizenzverwender kennen sich überwiegend nicht mit Open-Source-Prinzipien aus und haben beim Freigeben zu 25 Prozent die größte Sorge „jemand könnte von meinen Werken finanziell profitieren, ohne die Profite mit mir zu teilen“, zu weiteren 20 Prozent „jemand könnte meine Werke für ablehnenswerte Zwecke verwenden“.
Nach Angabe der Befragten erzeugen allerdings 86 Prozent der Werke keinerlei Einnahmen, und wenn doch, stammen diese zu über der Hälfte aus direkten Verkäufen oder Nutzungseinräumungen und nur zu etwa einem Drittel indirekt aus Werbung. Etwas drei Viertel der Werke der ca. 4.500 Befragten sind nach deren Angaben nicht einmal urheberrechtlich geschützt, was zeigt, dass sehr viel Vorsicht bei der Interpretation der Endergebnisse geboten sein wird: Diese Zahl lässt vermuten, dass die Befragten bei der Beantwortung von einem vom Urheberrecht abweichenden Werkbegriff ausgegangen sind, denn in fast allen Herkunftsländern der Erhebungsteilnehmer sind kreative Schöpfungen schon ohne weitere Formalien urheberrechtlich geschützt; bei der frei zugänglichen Version waren es allein 48 Prozent aus den USA, gefolgt von 8 Prozent aus Deutschland und weiteren je 7 Prozent aus Großbritannien und Kanada.
Nach Auswertung der NC-Erhebung wird die Debatte sicher neue Wellen schlagen und möglicherweise in eine Ausdifferenzierung der CC-Lizenzbedingungen in einer zukünftigen Lizenzversion 4.0 münden.
Inzwischen sind die Ergebnisse der NC-Erhebung erschienen und online verfügbar (PDF, 17,9 MB). Zusätzlich sind die Rohdaten (ZIP, 3,6 MB) auch separat erhältlich und vollständig freigegeben nach der CC0-Verzichtserklärung. Eine Übersicht aller Materialien findet sich im Wiki von Creative Commons.
John Weitzmann hat Rechtswissenschaften in Saarbrücken, Sydney und Trier studiert mit Studienschwerpunkt Urheber- und Medienrecht. Seit 2006 ist er Legal Project Lead für Creative Commons Deutschland und hat als eine der ersten Aufgaben in dieser Funktion die Portierung der Version 3.0 des CC-Lizenzensets ins deutsche Urheberrecht geleitet.
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