Tantiemenstreit: GEMA-Beschwerde abgewiesen, Nachzahlungen noch ungeklärt
Wenn die GEMA Tantiemen an Künstler ausschüttet, darf sie das Geld nicht um pauschale Anteile für Verlage kürzen. Der Bundesgerichtshof wies Mitte Oktober eine formelle Beschwerde der GEMA im Streit mit zwei Musikern ab, wie eine Sprecherin des Gerichtshofs auf Anfrage von iRights.info bestätigte.
Ein Urteil des Kammergerichts Berlin vom November 2016 wird damit in Kürze rechtskräftig. Die Verwertungsgesellschaft wollte erreichen, dass in dem Streit ein Revisionsverfahren zugelassen wird, was der Bundesgerichtshof mit Verweis auf den Streitwert ablehnte (Entscheidung vom 18.10.2017, Aktenzeichen I ZR 267/16).
Der Musiker und Politiker Bruno Kramm hatte zusammen mit seinem Bandkollegen Stefan Ackermann gegen die Verteilungspraxis der GEMA geklagt. Die jahrelang praktizierte pauschale Ausschüttung an Verlage hatte sich mit dem Urteil vom vergangenen Jahr auch im Musikbereich als rechtswidrig erwiesen.
Höhe der Rückforderungen noch ungeklärt
Dass der Klageweg um Tantiemen gangbar ist, hatte zunächst der Urheberrechtler und Autor Martin Vogel aufgezeigt. Auf seine Klage hin hatte der Bundesgerichtshof den pauschalen Verlagsanteil im letzten Jahr bereits für Autoren in der Verwertungsgesellschaft VG Wort gekippt. Das Kammergericht Berlin hatte die Grundsätze des Bundesgerichtshofs dann auf den GEMA-Streit angewendet.
Über konkrete Zahlungsansprüche der klagenden Musiker hatte das Kammergericht aber noch nicht entschieden und ein Teilurteil erlassen. Zunächst müsse die Auskunft der GEMA über die entsprechenden Verlagsanteile abgewartet werden (Aktenzeichen 24 U 96/14, Musikverlegeranteil).
GEMA sammelt Erklärungen zur Rechtelage
Auch mit dem in Kürze rechtskräftigen Urteil ist somit noch nicht ausgemacht, wie viele der Tantiemen, die die GEMA Verlagen überwies, den Musikurhebern zustehen. Zwar wurden pauschale Überweisungen an Verlage für rechtswidrig erklärt. Musikverlage können dem Urteil zufolge aber an den Ausschüttungen beteiligt werden, wenn die Urheber es so angewiesen oder ihre Rechte wirksam abgetreten haben.
Auf einen solchen Nachweis der individuellen Rechtelage setzt die GEMA, die seit Februar entsprechende Bestätigungen einsammelt. Wie viele solcher Bestätigungen bislang eingegangen sind, konnte eine GEMA-Sprecherin auf Anfrage von iRights.info noch nicht sagen. Die GEMA hat die Nachweisfrist kürzlich bis Mitte Januar 2018 verlängert.
Rückabwicklung für 2018 angekündigt
Der Kläger Bruno Kramm erwartet infolge des Urteils „eine Rückforderungs- und Klagewelle von Urhebern“, die Tantiemen „in Höhe von mehreren 100 Millionen Euro“ betreffen werde. Dem widerspricht die GEMA. Es stehe bereits fest, dass der „weit überwiegende Teil der Autoren die Zahlungen an die Verlage bestätigt“ habe. Nur „ein Bruchteil“ der ausgeschütteten Summe müsse rückabgewickelt werden, erklärte die Verwertungsgesellschaft. Das solle im zweiten Halbjahr 2018 geschehen.
Verwertungsgesellschaften
Verwertungsgesellschaften verwalten Nutzungsrechte und Vergütungsansprüche an den Werken von Urheber*innen. Werden die Werke wirtschaftlich genutzt, sammeln sie meist pauschale Abgaben ein, zum Beispiel die „Bibliothekstantieme“ für das Verleihen von Büchern oder die „Leermedienabgabe“ für privates Kopieren. Die Einnahmen schütten sie an Urheber und zum Teil an andere Rechteinhaber aus. Bekannte Einrichtungen sind etwa die GEMA, die VG Bild-Kunst oder die VG Wort. Mehr zum Thema.
Verlegerbeteiligung auf neuer Grundlage
Auch wenn im Tantiemenstreit somit noch weitere Gerichtstermine zu erwarten sind, dürfte es grundsätzlich beim Modell der Ausschüttungen an Musikverlage bleiben – womöglich aber mit einer gestärkten Position der Künstler innerhalb der Verwertungsgesellschaft, wie Berthold Seliger in diesem Medium kommentierte (iRights.info vom 15. November 2016). Im Mai 2017 hatte eine Mitgliederversammlung der GEMA dafür gestimmt, die Verlegerbeteiligung beizubehalten.
Das zwischenzeitlich novellierte Gesetz über Verwertungsgesellschaften macht Ausschüttungen an Verlage davon abhängig, ob Urheber diesen zustimmen. Zudem wird auch auf EU-Ebene geplant, die Verlegerbeteiligung in der derzeit erarbeiteten Richtlinie zum „Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt“ zu verankern. Der Europäische Gerichtshof hatte im Verlauf des Streits entschieden, dass Ausschüttungen an Verlage auf Kosten der Urheber europarechtswidrig sind.
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