Tagung: Kreative Arbeit und Urheberrecht
Die Digitalisierung der Medienwelt verändert alles: die Arbeitsbedingungen der Kreativen, die Nutzungen durch die Empfänger und die Verwertungsketten auf dem Markt. Früher haben Künstler, Journalisten und Musiker Werke geschaffen, die Verlage haben sie vermarktet und die Verbraucher haben sie verbraucht. Heute sind Autoren Multimediaproduktionskonglomerate in einer Person. Die sogenannten Endverbraucher stehen nicht länger am Ende der Leitung, sondern sind Ausgangspunkt für eigene Werke und globale Distribution aus dem Wohnzimmer.
Und aus den Industrien, die früher säuberlich in Medienhardwarehersteller, Kommunikationsdiensteanbieter, Verlage, Vertriebe und Veranstalter getrennt waren, sind heute unüberschaubare Konstellationen geworden, bei denen man kaum sagen kann, wer gerade wen quersubventioniert oder aufkaufen wird. Das Urheberrecht soll, so lässt der Name vermuten, die Rechte der Urheber sichern. Tatsächlich ist es zu einem weiteren Instrument im Kräfteringen um Marktanteile geworden. Wo bleiben in dieser komplexen Dynamik diejenigen, die kreative Werke im Sinne des Urheberrechts schaffen, diejenigen also, um die sich alles dreht?
Das Projekt „Arbeit 2.0 – Urheberrecht und kreatives Schaffen in der digitalen Welt“ versucht Licht ins Dunkel der digitalen Kultur- und Wissensordnung zu bringen. Mit analytischen, künstlerischen und dialogischen Mitteln untersucht es die neuen kreativen Arbeitsverhältnisse und ihre Rahmenbedingungen. Die Kernfragen zu Ökonomie, Remixing und Organisation von Kreativschaffenden, sie sich aus der Untersuchung ergeben, werden auf der Tagung zur Diskussion gestellt.
Die Tagung findet statt im Rahmen des Projektes Arbeit 2.0 – Urheberrecht und kreatives Schaffen in der digitalen Welt.
Die Tagungssprache ist deutsch.
Teilnahmegebühr: 10 EUR, ermäßigt 5 EUR (für 3 Tage)
Anmeldungen bitte bis zum 15. Sep. 2008 unter info@hmkv.de
Anmeldeformular im PDF-Format
Verpflegung wird vor Ort kostengünstig angeboten.
Wir empfehlen das City Hotel Dortmund (http://www.cityhotel-dortmund.de/) und das Hotel Union (http://www.hotel-union-do.com/).
Ablauf
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Freitag, 26. Sep. 2008
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11:00 Eröffnung
* Udo Mager, Geschäftsführer Wirtschaftsförderung Stadt Dortmund
* Inke Arns, HMKV
* Volker Grassmuck, iRights.info
11:30 Was für ein Urheberrecht braucht kreative Arbeit? // Standpunkte
* Wolfgang Schimmel, Sekretär im Fachbereich Medien, Kunst und Industrie, ver.di, Stuttgart
* Ilja Braun, freier Journalist, Köln
* Paul Keller, Senior-Projektleiter Creative Commons Niederlande & Vorstandsmitglied iCommons, Amsterdam
* Christian von Borries, Dirigent, Komponist und Produzent, Berlin
* Moderation: Till Kreutzer, iRights.info
Das Urheberrecht schützt die ideellen und materiellen Interessen der Urheber – sagt jedenfalls das Urheberrecht. Aber tut es das wirklich? Und tut es das in seiner gegenwärtigen Form? Was für ein Urheberrecht brauchen denn die Kreativen, die ”Arbeiter 2.0”? Diesen Fragen werden vier Referenten nachgehen, die von den Antworten unmittelbar betroffen sind. Die kurzen, zehnminütigen Statements bilden den Auftakt zur Konferenz. Sie werden ein breites Spektrum unterschiedlicher Meinungen von Personen aufzeigen, die eigentlich alle ”auf der gleichen Seite“, auf der Seite der Urheber stehen, jedoch ganz unterschiedliche Positionen vertreten. Dies dient nicht nur der Einführung in die Thematik, sondern auch dazu, einen Eindruck davon zu vermitteln, wie kontrovers über die Ausgestaltung eines zeitgemäßen Urheberrechts diskutiert wird.
12:30-13:30 Mittagspause
13:45 Einkommensverhältnisse von Kreativen // Vortrag
* Martin Kretschmer, Professor am Lehrstuhl für Informationsrecht & Direktor des Centre for Intellectual Property Policy & Management, Bournemouth University
* Moderation: Volker Grassmuck, iRights.info
Martin Kretschmer und Philip Hardwick haben die erste umfassende empirische Studie zum Einkommen von Autoren aus Urheberrechten vorgelegt. Dazu haben sie 25.000 britische und deutsche Autoren befragt und Daten von Verwertungsgesellschaften, Künstlersozialkasse, Einkommenssteuer und Arbeitsämtern ausgewertet. Das Ergebnis: Die Einnahmen von Autoren liegen deutlich unter dem gemittelten nationalen Lohnniveau. Wenige Stars erzielen einen überproportionalen Anteil daraus. In Deutschland mit seiner stärkeren Regulierung von Urheberrechtsverträgen ist die Verteilung weniger stark verzerrt, aber die Einnahmen noch niedriger als in England. Autorinnen verdienen deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Die zunehmende Verwertung im Internet hat sich nicht in zusätzliche Einnahmen übersetzt. Die typischen Autoreneinnahmen sind seit 2000 in beiden Ländern zurückgegangen.
15:00 Kaffee // Pause
15:30 Wer bezahlt Kreativität? // Diskussion
* Paul Keller, Senior-Projektleiter Creative Commons Niederlande & Vorstandsmitglied
iCommons, Amsterdam
* Peter Grafe, Referatsleiter Kulturwirtschaft im BKM (Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien), Bonn
* Meike Richter, Kulturwissenschaftlerin, Dozentin, Kuratorin und freie Journalistin, Hamburg
* Christoph Gurk, Kurator, Autor und Dramaturg, Volksbühne Berlin und Schauspiel Leipzig
Kreative arbeiten in aller Regel freischaffend. Das Panel erkundet, wo sie Abnehmer und Förderer für ihre Werke finden. Wie sieht es tatsächlich aus in der Kultur- und Kreativwirtschaft, die von der Politik als Wachstumsmotor gesehen und besonders gefördert wird? Ist es möglich, Werke unter Creative Commons frei zu lizenzieren und dennoch Geld damit zu verdienen? Wo streckt sich Kulturschaffenden die öffentliche Hand entgegen: in Rundfunk und Theater, mit Wettbewerben und Residencies? Oder bleibt für die meisten Bohemiens doch nur der prekäre Mix aus Kneipenjob, Arbeitslosenhilfe und einem seltenen Taschengeld für die eigentliche kreative Arbeit?
17:30 Pause
17:45 Kunst und ihre technische Reproduktion // Diskussion
* Cornelia Sollfrank, Netz- und Konzeptkünstlerin, Hamburg
* Gerhard Pfennig, Geschäftsführender Vorstand VG Bild-Kunst, Bonn
* Christoph Irrgang, freier Fotograf, Hamburg
* Hanns-Peter Frentz, Leiter Bildarchiv der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
* Moderation: Volker Grassmuck, iRights.info
Die Künstlerin malt. Das Museum kauf an. Der Fotograf reproduziert. Die Agentur vermarktet. Die Verwertungsgesellschaft verwertet. So weit so einfach. Aber wie werden die Erlöse aufgeteilt und wie verändern sich die Verhältnisse durch die Digitalisierung der Medienwelt? Die Umsätze auf dem Kunstmarkt entwickeln sich positiv, wie die Enquete-Kommission Kultur des Deutschen Bundestages feststellte. „Doch nur wenige Künstlerinnen und Künstler haben daran auch teil.“ Sammeln, Bewahren, Forschen, Ausstellen im Dienste der Öffentlichkeit sind die Aufgaben des Museums. Heute kommt eine hinzu: Verwerten. Wird das Museum zum Anhang seines Shops oder erfüllt sich Benjamins Vorstellung von der Demokratisierung der Anteilnahme an Kunst durch ihre technische Reproduzierbarkeit?
19:45 Pause
20:30 Wir spielen, was wir wollen // Konzert
* Christian von Borries, Dirigent, Komponist und Produzent, Berlin
mit Schülerinnen und Schülern der Musikschule Dortmund (Uraufführung)
Der Berliner Dirigent und Musiker Christian von Borries erarbeitet zusammen mit Dortmunder MusikschülerInnen eine neue Musik, die aus der Lieblingsmusik der TeilnehmerInnen besteht. Die Stücke verschiedenster Musikgenres, die in Form von Xerox Kopie, mp3, gepfiffener Melodie oder Erinnerung vorliegen, werden verschiedenen Kopier- und Scanvorgänge unterzogen. Dabei entstehen zwangsläufig Übersetzungsfehler und Unschärfen, die zu zentralen Elementen der neu entstehenden Komposition bzw. deren Notation werden. Handelt es sich bei den neuen, live gespielten Stücken um Medleys, Cover-Versionen, Adaptationen, Interpretationen oder gar eigenständige neue Kompositionen – oder gar nichts von alledem? Die Beantwortung dieser Frage wirkt sich unmittelbar auf die – möglicherweise unbezahlbaren – (Lizenz-)Gebühren aus. Dürfen wir wirklich spielen, was wir wollen?
Ende ca. 21:30
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Samstag, 27. Sep. 2008
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11:00 Anticopyright in künstlerischen Subkulturen // Vortrag
* Florian Cramer, Course Director Media Design M. A. und Professorial Coordinator (Lector) des Forschungsprojektes „Communication in a Digital Age“, Piet Zwart Institute, Willem de Kooning Academy, Rotterdam University of Applied Sciences
* Moderation: Inke Arns, HMKV
Der Vortrag erzählt eine Kulturgeschichte von Anticopyright-Kunst und -Aktivismus vor allem des späten 20. Jahrhunderts. Inspiriert von Lautréamonts Lob des Plagiats und Marcel Mauss’ Anthropologie von “Geschenkökonomien” propagieren Situationisten, Neoisten, Festivals of Plagiarism, Plunderphonics und das Luther Blissett-Projekt eine Kultur ohne geistiges Eigentum. Im Internet schreibt sich ihr Diskurs fort und ist neue Allianzen mit GNU-Copyleft, Open Source und Filesharing-Aktivismus eingegangen. Doch bleibt in diesem Mainstream des Anti-Copyrights ästhetische Radikalität auf der Strecke?
12:15-13:15 Mittagspause
13:30 Rekreativität und Urheberrecht // Vortrag
* Volker Kitz, LL.M. (New York University), Höcker Rechtsanwälte, Köln / Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, München
* Moderation: Philipp Otto, iRights.info
Kreativität ist zu weiten Teilen immer auch Rekreativität: Sampling, Remixing, Appropriation, Cut-Ups und Mashups sind weit verbreitete Phänomene. Betroffen sind alle Bereiche kreativen Schaffens. Insbesondere der User Generated Content lebt von Rekreativität. Welche legalen Möglichkeiten für Rekreativität gibt es derzeit? Wie haben sich die rechtlichen Voraussetzungen für Zitat, Parodie und andere freie Benutzung im Lauf der Zeit verändert? Wie können neue Lizenzierungsmodelle die Rekreativität fördern? Welche rechtspolitischen Forderungen kann die kreative Klasse realistischerweise erheben?
14:45 Pause
15:00 Führung durch die Ausstellung
Inke Arns und Francis Hunger, HMKV
16:30 Kaffee // Pause
17:00 Remix Culture // Diskussion
* Felix Stalder, Dozent Theorie der Mediengesellschaft, Züricher Hochschule der Künste, Vertiefung Neue Medien
* Martin Conrads, freier Autor; Dozent am Institut für Transmediale Gestaltung, Universität der Künste Berlin
* Frank Dostal, Textdichter, Producer, stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der GEMA, Hamburg
* Johannes Kreidler, Komponist und Musiktheoretiker (Hochschule für Musik und Theater Rostock, Hochschule für Musik Detmold), Berlin
* Thierry Chervel, Perlentaucher.de (angefragt)
* Moderation: Inke Arns, HMKV
Kultur war schon immer Bezugnahme auf und produktive Verarbeitung von vorhergehenden kulturellen Äußerungen. Neue Technologien machen heute diese Aneignungen leichter – und führen zu einer massenhaften Re-Kreativität (“Sampling”). Das Panel beschäftigt sich mit zeitgenössischen aneignenden Kulturpraktiken, die sich in rechtlichen Grauzonen bewegen und fragt, inwiefern das derzeitige Urheberrecht Kultur effektiv be- oder sogar verhindert. Heute entscheidet sich, ob wir in Zukunft in einer “Remix Culture” – also einer Gesellschaft, die die Entstehung abgeleiteter (’derivativer’) Werke erlaubt bzw. explizit fördert – oder in einer “Permission Culture” (“Erlaubniskultur”) leben werden, in der jede aneignende Bezugnahme einer expliziten Erlaubnis des Rechteinhabers bedarf.
19:00 Pause
19:15 Steal this Film II (The League of Noble Peers & J.J. King, 2007) // Kino
„Wahrlich sind dies seltsame Zeiten. Während die Mainstream-Medien den ‚Kämpfen’ zwischen alten und neuen Distributionswegen, zwischen Piraterie und der Institution des Urheberrechts weiterhin große Aufmerksamkeit widmen, erscheint vielen von uns diese Auseinandersetzung bereits verloren und gewonnen. Wir wissen, wer die Sieger sind. Wozu also weiterreden?
Weil auch weiterhin Druck ausgeübt werden wird: Nach wie vor werden Gerichtsverfahren gegen Unschuldige angestrengt und Verhaftungen auf der Grundlage unhaltbarer Vorwände durchgeführt – all das, um Leute zu verwirren und in Angst zu versetzen. Außerdem wird mit verschärften Gesetzen hart gegen Filesharing vorgegangen – Gesetze, die auch zur schrittweisen Erosion unsere Privatsphäre beitragen und den Überwachungsstaat stärken. All das ist darauf angelegt, die unaufhaltsamen Veränderungen der Art und Weise, wie Werke entstehen und ausgetauscht werden, zu verzögern oder gar aufzuhalten. Wenn STEAL THIS FILM II sich als hilfreich erweisen sollte, neue Leute in die Bündnisse derer zu bringen, die bereit sind, eine Situation „nach geistigem Eigentum“, zu denken und kreativ über die Zukunft von Distribution, Produktion und Kreativität nachzudenken, haben wir unser Ziel erreicht.“
Ende ca. 20:00
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Sonntag, 28. Sep. 2008
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11:00 Organisation von Kreativarbeitern // Diskussion
* Veronika Mirschel, Leiterin des ver.di-Referats Selbstständige, Berlin
* Alexandra Manske, Institut für Gesellschaftswissenschaften und historisch-politische Bildung, Technische Universität Berlin
* Manuela Zechner, Künstlerin, London
* Marc Röbbecke, Heimatdesign, Dortmund
* Moderation: Valie Djordjevic, iRights.info
Arbeitnehmer schließen sich traditionell zu Gewerkschaften zusammen, um gemeinsam ihre Interessen durchzusetzen. Viele Kreative jedoch reiben sich als Einzelkämpfer in Verhandlungen mit Verlagen, Galerien oder Plattenfirmen auf. Wer vertritt die Interessen der prekarisierten Kulturarbeiter im 21. Jahrhundert? Was bieten Gewerkschaften den kreativen Freiberuflern, können sie die Vielfalt der Beschäftigungsformen erfassen? Sind alternative Zusammenschlüsse außerhalb der institutionalisierten Künstler- und Autorenorganisationen eine Lösung? Oder gehört die Zukunft sozialen Netzwerken, die ihren Kampf für eine faire Bezahlung in Facebook organisieren?
13:15 Die Tagung im Rückblick: Zusammenfassung und offene Diskussion
14:00 Chill out mit Mittagessen und Getränken
Stand: 25.08.2008. Änderungen vorbehalten.
Die Tagung ist eine Kooperation von
Der Hartware MedienKunstVerein hat seit 1996 über 70 Ausstellungen, Film- und Videoprogramme, Workshops, Vorträge, Tagungen und Konferenzen an verschiedenen Orten in Dortmund sowie in anderen Städten im In- und Ausland realisiert. Unter den 40 Ausstellungen der letzten zwölf Jahre waren so bedeutende Projekte wie Reservate der Sehnsucht, games. Computerspiele von KünstlerInnen und History Will Repeat Itself. Durch seine inhaltliche Konzentration auf den Bereich Medienkunst hat sich der HMKV zu einer in Deutschland einmaligen Institution entwickelt.
und
iRights.info ist im deutschsprachigen Raum das führende Informationsangebot zum Urheberrecht in der digitalen Welt. Es ist für seine Aufklärungsarbeit zu diesem komplexen Thema mehrfach ausgezeichnet worden, unter anderem mit dem Grimme Online Award.
Gefördert durch
Projektleitung:
Volker Grassmuck, iRights.info
Inke Arns, künstlerische Leiterin HMKV
iRights Redaktion:
Valie Djordjevic
Robert A. Gehring
Till Kreutzer
Philipp Otto
Matthias Spielkamp
HMKV:
Susanne Ackers, geschäftsführende Leiterin HMKV
Francis Hunger, Juniorkurator HMKV
Organisation HMKV:
Andrea Eichardt
Kathleen Blümel
Technische Betreuung:
Uwe Gorski, Technischer Leiter HMKV
Melenk Veranstaltungstechnik, Dortmund
Pressearbeit:
Roland Kentrup, ZK Medienagentur, Dortmund
Redaktion iRights.info
Spremberger Straße 1
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www.iRights.info
Hartware MedienKunstVerein (Büro)
Güntherstr. 65
44143 Dortmund
www.hmkv.de
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