Tag der Gemeinfreiheit 2022: Bei welchen Werken seit 1. Januar das Urheberrecht erloschen ist
Der 1. Januar läutet regelmäßig nicht nur das Neue Jahr ein, sondern auch die Gemeinfreiheit für zahlreiche Werke, die zuvor urheberrechtlich geschützt waren. Deshalb wird der 1. Januar international als „Public Domain Day“ gefeiert. In Deutschland spricht man auch vom „Tag der Gemeinfreiheit“.
Wann die Gemeinfreiheit wo in Kraft tritt
Welche Werke gemeinfrei werden, hängt von der jeweils geltenden Länge der Regelschutzfrist eines Landes ab. In Europa beträgt diese Regelschutzfrist 70 Jahre nach dem Tod der Urheberin oder des Urhebers: Mit dem 1. Januar, der auf den 70. Todestag der Urheber*innen folgt, gehen die Werke automatisch in die Gemeinfreiheit über.
Für Länder wie Kanada oder Neuseeland gilt beispielsweise nur eine 50-jährige Schutzfrist. Hier sind Werke von Urheberinnen, die 1971 verstorben sind, seit Jahresbeginn gemeinfrei. Die USA stellen dagegen auf das Jahr der Veröffentlichung ab und garantieren Werken ab dann eine 95-jähige Schutzfrist: Werke, die 1926 veröffentlicht wurden, sind nun in die Public Domain übergegangen.
Im deutschen Urheberrecht ist die 70-Jahres-Frist in § 64 Urheberrechtsgesetz geregelt. Konkret bedeutet das: Die Werke aller Künstlerinnen, Schriftsteller, Musikerinnen oder Filmschaffenden, die irgendwann im Laufe des Jahres 1951 gestorben sind, sind seit diesem Jahr gemeinfrei.
Was „Gemeinfreiheit“ für die Nutzung eines Werks bedeutet
Bei der Gemeinfreiheit bestehen gar keine Urheberrechte an einem Werk: entweder, weil sie nie bestanden haben oder weil ihr Schutz abgelaufen ist. Ob Werke gemeinfrei sind, wird allein durch Gesetze bestimmt – die von Land zu Land unterschiedlich sein können. Das bedeutet auch: Ein Werk kann in Deutschland beispielsweise bereits gemeinfrei sein, in einem anderen Land, in dem eine längere Schutzfrist gilt, aber noch urheberrechtlich geschützt sein. Die Gemeinfreiheit ist deshalb keine Lizenz, sondern ein Zustand oder Status.
Wenn keine Urheberrechte an einem Werk bestehen, müssen Nachnutzende auch keine Vorgaben beachten, wenn sie die Inhalte nutzen wollen. Sie müssen also weder Urheber- noch Lizenzhinweise anbringen, sie dürfen die Werke verändern und bearbeiten und auch kommerziell nutzen. Doch Vorsicht: Übersetzungen literarischer Werke genießen in der Regel selbst urheberrechtlichen Schutz. Auch wenn das eigentliche Werk also in die Gemeinfreiheit übergegangen ist, kann es urheberrechtliche Einschränkungen geben.
Auch iRights.info nutzt regelmäßig gemeinfreie Bilder zur Illustration von Texten (etwa für diesen Artikel). Wer sich zudem über Details der Gemeinfreiheit und den Unterschied zur CC0-Lizenz informieren will, findet zum Beispiel hier und hier hilfreiche Artikel bei iRights.info.
Konkret bedeutet Gemeinfreiheit beispielsweise, dass die Bebilderung von Informationen oder Texten leichter fallen kann, etwa bei der Online-Einzyklopädie Wikipedia. So schrieb ein Twitter-Nutzer bereits kurz nach dem Jahreswechsel, dass er die Bildersammlung Wikimedia Commons mit verschiedenen, nun gemeinfreien Bildern angereichert habe – und fügte seinem Tweet kurzerhand die betreffenden Werke hinzu, darunter etwa die „Tänzerinnen bei einer Ballettaufführung“ des 1951 verstorbenen Malers Louis Legrand.
Noch nicht 1 Uhr und schon alle gehorteten Bilder mit Todesjahr 1951 bei den Commons hochgeladen… z. B. pic.twitter.com/lUVCKkhI4i
— AndreasP_RV (@AndreasP_RV) December 31, 2021
Ab 2022 mit dabei: Ludwig Wittgenstein, Walter Trier, Dorothy Parker und Pu der Bär
Ludwig Wittgenstein prägte die Philosophie des 20. Jahrhunderts maßgeblich und starb am 29. April 1951. Seine philosophischen Werke sind daher nun in die Gemeinfreiheit übergegangen. Auch die Kompositionen des österreichischen Pianisten Artur Schnabel gehören dazu.
Während man auf den Übergang der Werke von Erich Kästner in die Gemeinfreiheit noch warten muss (er starb 1974, sodass seine Werke erst 2045 gemeinfrei werden), sind die Urheberrechte für die Illustrationen von Walter Trier, der viele von Kästners Erzählungen bebilderte, mit Beginn des Jahres abgelaufen.
In den Vereinigten Staaten ist der Roman „Enough Rope“ der 1967 verstorbenen Autorin Dorothy Parker jetzt frei von Urheberrechten.
Der ebenfalls 1926 veröffentlichte Roman „The Sun also rises“ von Ernest Hemingway (in Deutschland unter dem Titel „Fiesta“ veröffentlicht) gehört in den USA auch dazu. Er machte Hemingway berühmt.
Und auch das Kinderbuch Pu der Bär, englisch „Winnie-the-Pooh“, erschien erstmals 1926 in den USA und verhalf dem Autor Alan Alexander Milne zu Weltruhm.
Micky Maus und die Gemeinfreiheit: Wie frei wird Disneys Trickfigur werden?
Micky Maus, die wahrscheinlich berühmteste Zeichentrick-Figur der Welt, geht Ende 2023 in die Gemeinfreiheit über – jedenfalls in ihrer ursprünglichen Version aus dem Jahr 1928. Dem Journalisten Till Krause zufolge arbeitet der Disney-Konzern allerdings daran, die Gemeinfreiheit der Trickfigur über Markenrechte zu begrenzen. » mehr
Ressourcen zum Weiterstöbern
Wer auf den Geschmack gekommen ist und sich weiter mit gemeinfreien Werken befassen möchte, findet bei verschiedenen Quellen Material und weiterführende Informationen. Beispielsweise in einem deutschsprachigen Blogpost von wikimedia.de oder in einer umfangreichen Übersicht in der Wikipedia.
Hilfreiche englischsprachige Artikel zum Public Domain Day sind unter anderem bei openculture.com, beim Center for the Study of the Public Domain der US-amerikanischen Duke Law School oder bei publicdomainreview.org abrufbar.
Und wie immer gilt natürlich: Die Redaktion von iRights.info freut sich über Ergänzungen zu weiteren Sammlungen und Ressourcen, die mit Gemeinfreiheit zu tun haben. Gerne als Kommentar unter diesen Artikel, unseren Kanälen in den Sozialen Medien oder per eMail.
2 Kommentare
1 Gundula Freymuth am 16. Februar, 2022 um 08:25
Hallo Nicole,
heißt dies, dass die Bilder von Erich Kästner z.B. im Gemeindebrief kostenlos und ohne Gefahr einer Kostenverfolgung benutzen dürfen?
Lg Gundula
2 Tom am 16. Juni, 2023 um 15:23
Wenn auch etwas verspätet: Ich würde deine Frage bejahen. Wenn es sich nur um Illustrationen handelt, nicht um Textzitate, sollte das ohne Ärger möglich sein.
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