Streit um Second-Hand-E-Books
Die Linkspartei hat am Donnerstag einen Gesetzentwurf zur „Ermöglichung der privaten Weiterveräußerung unkörperlicher Werkexemplare“ in den Bundestag eingebracht. Das Ziel: Wer E-Books, Filme und Musikdateien legal bezieht, soll sie auch weiterkaufen dürfen. Derzeit ist es rechtlich unklar, ob dies erlaubt ist.
Die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ hat den Bundestag 2011 aufgefordert, zu prüfen, „ob es der Setzung rechtlicher Rahmenbedingungen für den Weiterverkauf von digital lizenzierten Gütern bedarf.“
Bislang gelten beim Bezug von Musik- und Filmdownloads vielfach andere Regeln als beim Kauf von CDs oder DVDs. Die Linkspartei verweist beispielsweise auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Online-Shops Libri.de. Darin heißt es: „Libri.de verschafft dem Kunden an E-Books und Audiodateien kein Eigentum. Der Kunde erwirbt ein einfaches, nicht übertragbares (…) Recht zur Nutzung des angebotenen Titels für den persönlichen Gebrauch.“ Einfach formuliert: Der Kunde erwirbt nicht das E-Book selbst, sondern nur das Recht, es zu lesen. Er kann weder dieses Recht noch das E-Book selbst weiterverkaufen.
Linke: AGB schränken Verbraucherrechte ein
Die Linkspartei will solche Geschäftsbedingungen unterbinden. „Das Recht zur Weiterveräußerung kann nicht vertraglich abbedungen werden“, heißt es im Gesetzentwurf. „Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter dienen häufig nur dazu, die Rechte der Verbraucherinnen und Verbraucher einzuschränken”, kommentiert Petra Sitte, Sprecherin für Forschungs- und Technologiepolitik der Bundestagsfraktion Die Linke, gegenüber iRights.info. „Was ich gekauft habe, möchte ich auch weiterverkaufen dürfen.“
Die Linkspartei beruft sich auf ein Gutachten des Urheberrechtsexperten und iRights.info-Mitbegründers Till Kreutzer im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (VZBV). Kreutzer kommt zu dem Schluss, „dass es nicht gerechtfertigt ist, Erwerber von unkörperlichen Vervielfältigungsstücken (vor allem Downloads von Musikstücken, Filmen oder Computerspielen) gegenüber den Erwerbern körperlicher Werkträger (wie CDs, DVDs oder DVD-ROMs) zu benachteiligen.“
Auch der VZBV setzt sich für das Recht auf Weiterverkauf digitaler Inhalte ein. “Verbraucher bezahlen für den Erwerb des Werkes und dafür, dass sie dauerhaft und frei hierüber verfügen können”, heißt es in einem VZBV-Positionspapier zur Reform des Urheberrechts.
Börsenverein: Keine Kaufgeschäfte im üblichen Sinne
Kritik an dieser Sichtweise und dem Gesetzentwurf der Linkspartei übt der Börsenverein des deutschen Buchhandels. Die Darstellung der Linkspartei sei in der Sache falsch und in höchstem Maße unredlich. Der Gesetzentwurf erwecke den Eindruck, es sei gängige Praxis, dass sich Online-Händler wie beispielsweise libri.de einer unlauteren Vertragspraxis bedienten und ihren Kunden angeblich mit dem Download erworbene Verwertungsrechte vorenthielten.
Die Formulierung in den AGB von Libri.de entspreche aber der nach dem Urheberrechtsgesetz bestehenden Rechtslage, erklärt der Börsenverein in einer Stellungnahme gegenüber iRights.info und in einem Brief an die Bundestagsfraktion der Linkspartei. Beim Handel mit Mediendateien, wie sie beispielsweise Verlage und E-Book-Plattformen zum kostenpflichtigen Download anbieten, handele es sich eben nicht um Kaufgeschäfte im üblichen Sinne, sondern wegen der stets damit verbundenen Kopierhandlung um Lizenzgeschäfte im Sinne des Urheberrechts. „Das Recht auf Weitergabe und Weiterverkauf der Datei erwirbt der Endverbraucher (…) ausdrücklich nicht.“
Die Linkspartei kontert die Einwände in einem Brief an den Börsenverein. Auch mit Blick auf die vom Börsenverein angeführten Urteile des Bundesgerichtshofes sei es „sehr problematisch“, dass Anbieter Verträge, mit denen unkörperliche Werkexemplare verkauft werden, nicht als Kaufverträge, sondern als Lizenzverträge ausgestalten.
Das Ende für E-Book-Plattformen?
Nicht nur über die bestehende Rechtslage herrscht Uneinigkeit. Der Börsenverein warnt: Dürften heruntergeladene E-Books und Hörbücher vom Endverbraucher beliebig kopiert, weitergegeben und sogar weiterverkauft werden, gäbe es aus wirtschaftlicher Sicht weder die Veranlassung für den Urheber, seine Werke online zugänglich zu machen, noch für den Vertrieb, kommerzielle E-Book-Plattformen aufzubauen. „Denn die angebotenen E-Books wären in gleicher Qualität rasend schnell einer unüberschaubar großen Menge von Verbrauchern kostenlos privat oder billiger auf dem parallel existierenden privaten ‚Gebrauchtwarenmarkt’ zugänglich.“ Das Geschäft der E-Book-Plattformen hätte sich laut Börsenverein schnell erledigt.
Linkspartei: Verkäufer darf E-Book nicht behalten
Die Linkspartei entgegnet, der Börsenverein habe den Gesetzentwurf missverstanden. Eine Vermehrung der in Verkehr gebrachten Exemplare habe man ausdrücklich nicht vorgesehen. Es gehe nur darum, einen Gebrauchtgütermarkt für E-Books, Musik und Filme zu ermöglichen. Demnach müssten die Dateien bei der Weiterveräußerung tatsächlich den Besitzer wechseln. Der private Verkäufer eines E-Books müsste dieses beispielsweise von seinem Rechner oder seinem E-Reader löschen. Im Gesetzentwurf heißt es, der Weiterverkauf sei dem Erwerber gestattet, „soweit er keine weitere Vervielfältigung des veräußerten Werkexemplars zurückbehält“.
USA: Streit um gebrauchte MP3s
Der rechtlich einwandfreie Weiterverkauf „gebrauchter“ Dateien wird derzeit ausprobiert. In den USA hat die Firma ReDigi ein Angebot hierfür entwickelt. Nutzer können beispielsweise ihre bei iTunes erworbenen Musikdateien im ReDigi-Store zum Verkauf anbieten. Zu diesem Zweck lädt die ReDigi-Software die Musik auf einen Server der Firma und löscht sie zugleich vom Rechner des Verkäufers. Ob das Modell legal ist, bleibt aber auch in den USA umstritten. Das Musiklabel Capitol Records und der Verband der US-Musikindustrie (Recording Industry Association of America, RIAA) gehen gerichtlich gegen ReDigi vor. Der Online-Shop für „gebrauchte“ Musik-Dateien konnte zuletzt einen Teilsieg erringen. Ein Richter lehnte den Antrag ab, ReDigi zu schließen.
Tauber bringt begrenzten Weiterverkauf ins Spiel
Während sich Bücher mit der Zeit abnutzen, was ihrem Weiterverkauf natürliche Grenzen setzt, „altern“ E-Books nicht. Wird der Verkauf eindeutig legalisiert, wäre es also denkbar, dass ein E-Book hundertfach den Besitzer wechselt, aber nur einmal vom Verlag erworben wurde. Der Markt für gebrauchte E-Books wäre wohl größer als der für gebrauchte Bücher.
Der CDU-Netzpolitiker Peter Tauber kann sich trotzdem vorstellen, den Weiterverkauf zu legalisieren. „Der Endlosschleife bei der Weiterveräußerung von E-Books könnte man den Riegel vorschieben, indem jedes Buch nicht beliebig weiter verkauft werden kann“, schreibt Tauber in seinem Blog. „Entsprechend würde der Wert des ‚gebrauchten’ E-Books sinken.“ Der Nutzer profitiere von einer solchen Regelung, die eine Annäherung der digitalen an die analogen Regelungen bedeuten würde. „Dass die Verlage dabei Schaden nehmen würden, kann ich nicht recht glauben“, so Tauber. Technisch ließe sich ein begrenzter Weiterverkauf realisieren, indem Dateien mit digitalen Wasserzeichen markiert werden.
1 Kommentar
1 sabine johnson am 22. Dezember, 2014 um 11:55
Ich finde es eine Schande, dass mir der Zugang zu Peter Scholl Latour’s ebooks verwehrt werden. Ich moechte es einfach nur lesen (in Suedafrica), wie jedes andere ebook auch und das im digitalen Zeitalter. Und ich sehe auch nicht ein, dass ich der Post das Geld in den Rachen schmeissen soll. Aber solange die Zuwanderer in Deutschland zuhause Deutsch sprechen ist ja alles in Butter.
Mit freundlichen Gruessen
Sabine Johnsen anno MMXIV
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