Sony-BMG wegen DRM auf der Anklagebank
Nachdem Sony mehr als zwei Wochen geschwiegen und abgewiegelt hat, lenkte der weltweit zweitgrößte Musikkonzern nun unter dem massiven Druck von Sicherheitsexperten, Verbraucherschützern und Kunden ein. Die mit der DRM-Software XCP ausgestatteten Musik-CDs werden kostenlos umgetauscht. Noch in den Läden und Lagern befindliche Exemplare werden zurück gerufen. Die Produktion von mit XCP ausgerüsteten CDs wurde eingestellt. Auf Antrag werden den Kunden die Titel auf den von ihnen erworbenen CDs über die Sony-BMG-Website im MP3-Format zur Verfügung gestellt.
Sony-BMG äußerte Bedauern über die Ereignisse der vergangenen Wochen. „Sony BMG hat sich nicht nur ziemlich, sondern sehr blamiert.“, so Maarten Steinkamp, der bei Sony-BMG für das Europa-Geschäft verantwortlich zeichnet. „Das ist schade, denn im Grunde war der Ansatz, die freie Verfügbarkeit unserer Musik auf irgendeine Art und Weise regulieren zu wollen, genau richtig. Also eine gute Idee, aber eine schlechte Umsetzung.“
Legitim oder illegal?
Die rechtliche Aufarbeitung kommt derweil in Schwung. Am Montag gab die US-Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation (EFF) bekannt, dass sie eine Sammelklage gegen Sony-BMG und deren Lieferanten von Kopierschutzsoftware, F4I und Sunncomm, angestrengt hat. Die von Sunncomm entwickelte DRM-Software MediaMax wurde auf mehr als 20 Millionen Sony-BMG-CDs verteilt. MediaMax gefährdet die Sicherheit von PCs und Apple-Computern und sammelt Daten über die Nutzung der CDs, um sie an SunnComm zu übertragen. Die Endanwender-Lizenz sagt das Gegenteil aus. Auch für MediaMax wurde keine Deinstallationsfunktion mitgeliefert.
Der Generalstaatsanwalt von Texas sieht in der automatischen XCP-Installation einen Verstoß gegen das Gesetz zum Verbot von Spionagesoftware. Laut dem Texanischen Gesetz zum Schutz der Verbraucher gegen Computerspionag, ist die Installation von Software, die vor dem PC-Besitzer versteckt wird, unter Strafandrohung verboten. Auch gehe die Funktion der Software weit über den reinen Kopierschutz hinaus, wie er durch das Copyright-Gesetz abgedeckt sei.
Der Generalstaatsanwalt zu den Gründen für die Klage: „Die Käufer von Sony-CDs dachten, sie würden Musik bekommen. Stattdessen erwarben sie Spionagesoftware, die den Computer beschädigen kann, ihn der Infektion durch Viren aussetzt und den Verbraucher zu einem potentiellen Opfer von Identitätsdiebstahl macht.“
Der Verband der US-amerikanischen Musikindustrie Recording Industry Association of America (RIAA), äußerte hingegen Verständnis für das Vorgehen von Sony-BMG. Cary Sherman, Präsident der RIAA: „Das Problem mit der Sony-BMG-Situation ist, dass die eingesetzte Technologie eine Sicherheitslücke hatte, von der sie nichts wussten. Sie haben ihren Irrtum bedauert, die Produktion der CDs eingestellt und die ausgelieferten CDs zurückgerufen. Mir erscheint das sehr verantwortungsvoll.“
Code-Piraterie
Auch aus der Open-Source-Community droht Sony-BMG Ungemach. Die XCP-Software soll, so die Vorwürfe von Entwicklern, Programmbestandteile enthalten, die aus Open-Source-Projekten stammen. So wurden unter anderem Bestandteile der Open-Source-MP3-Encoder Lame und FAAC identifiziert. Beide stehen unter der LGPL-Lizenz, deren Bestimmungen zufolge die Verwendung des Codes hätte erwähnt werden müssen. Besonders pikant und für Sony-BMG kritisch ist aber die Benutzung von Open-Source-Software, die der strengen Gnu General Public License (GPL) unterliegt.
Wie von Experten der Firma Sabre Security nach Analysen bestätigt wurde, enthält die XCP-Software Code aus einer Datei namens drms.c. Die Datei drms.c wurde von Jon Lech Johansen und Sam Hocevar für das Open-Source-Projekt VideoLAN Media Player (VLC) programmiert, um Apples DRM-System FairPlay zu umgehen. Da diese Datei unter der GPL lizenziert wurde, hätte First 4 Internet den Quellcode für XCP frei zur Verfügung stellen und den GPL-Lizenztext beifügen müssen. Das zu unterlassen, wie geschehen, stellt einen Verstoß gegen die urheberrechtlichen Lizenzbestimmungen der GPL dar.
Titel mit XCP
Sony-BMG hat mittlerweile eine Liste mit 52 Titeln veröffentlicht, die in den USA mit XCP ausgestattet wurden. Da diese Titel durch Importe auch nach Deutschland gelangt sein können, sind möglicherweise auch deutsche Musikfans betroffen. Die vollständige Liste findet man im Internet unter http://cp.sonybmg.com/xcp/english/titles.html (Englisch).
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