Seehofer präsentiert Verbraucherschutzcharta
Die Charta ist gemeinsam mit den Verbraucherzentralen erarbeitet worden. Sie zeigt auf, welche Herausforderungen für den Verbraucherschutz in der Informationsgesellschaft das Ministerium sieht. Denn Verbraucherschutz in der digitalen Welt ist ein Thema, das neuerdings auch Politik und Medien umtreibt. Die Bundesregierung hat es jüngst auf die Agenda der Themen gesetzt, die im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft behandelt werden sollen.
Am heutigen Donnerstag hat das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrauchschutz (BMELV) dazu eine prominent besetzte Konferenz in Berlin organisiert. Der Titel: „Herausforderungen und Chancen in einer digitalisierten Welt: Beiträge der Verbraucherpolitik.“
Verbraucherinteressen in Kernbereichen schützen
„Die wachsende Bedeutung digitaler Medien erfordert eine umfassende verbraucherpolitische Konzeption und die Formulierung klarer Verbraucherrechte für die Nutzung digitaler Dienste“, heißt es in der Einleitung der Charta, die Bundesverbraucherschutzminister Horst Seehofer vorstellte. Im Weiteren werden fünf Kernprinzipien für den Verbraucherschutz in der digitalen Welt formuliert: Informations- und Kommunikationstechnik muss sicher und zuverlässig, der Zugang zu digitalen Medien und Informationen gesichert sein, außerdem müssen digitale Dienste interoperabel, barrierefrei, nutzerfreundlich gestaltet und gleichberechtigt nutzbar sein.
Edda Müller, Vorstand des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, begrüßte die Verabschiedung der Charta in einer Pressemitteilung: „Die Charta bildet das Fundament für ein verbraucherpolitisches Gesamtkonzept, um starke Bürger- und Verbraucherrechte auch in der digitalen Welt durchzusetzen.“
IT-Sicherheit im elektronischen Geschäftsverkehr
Nur wenn Informationstechnologien sicher genutzt werden können, werde das Vertrauen der Verbraucher im Umgang mit digitalen Medien gestärkt, schreiben die Verfasser der Charta. Insbesondere sei zu gewährleisten, dass persönliche Daten nicht unbefugt genutzt würden. Die Verbraucher müssten über Sicherheitsrisiken eingehend informiert und ihr Bewusstsein beim Umgang mit sensiblen Online-Diensten (etwa Online-Banking) geschärft werden.
Interoperabilität: Gegen iTunes & Co.
Das Thema Interoperabilität bei digitalen Inhalten beschäftigt die Verbraucherschützer schon seit einiger Zeit. Nachdem der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) im Frühjahr 2006 eine Studie über Verbraucherschutz bei digitalen Medien veröffentlicht hatte, ging der Verband unter anderem gegen Apples Downloadshop iTunes vor und forderte den Computerhersteller auf, dafür zu sorgen, dass Songs, die im iTunes Musicstore erworben wurden, nicht nur auf dem Apple eigenen iPod-Player abgespielt werden können. Die Verbraucher haben ein berechtigtes Interesse an Interoperabilität, argumentierte der Verband.
Im Januar 2007 schlossen sich dann verschiedene europäische Verbraucherschutzorganisationen zusammen, um ihren Forderungen gegenüber Apple Nachdruck zu verleihen. Interoperabilität, also die Möglichkeit, Dateien mit beliebigen Endgeräten nutzen zu können, sehen die Verbraucherschützer auch als wesentliche Voraussetzung dafür an, dass kommerzieller Downloadangebote akzeptiert werden.
Auch die Charta greift das Thema Interoperabilität auf: „Eine sowohl den Verbraucherinteressen als auch den Interessen der Wirtschaft dienende Angebotsstrategie sollte zur Vermeidung von Abhängigkeiten auf offene Standards setzen und die Interoperabilität der Produkte gewährleisten. Verschiedene Systeme sollten miteinander kommunizieren und interagieren können und die Nutzung von Inhalten sollte nicht an bestimmte Endgeräte oder Betriebssysteme gebunden werden.“
Der vzbv hofft, dass dieser Gedanke der europäischen Politik als Leitlinie dient: „Sollte die Charta bestimmend für die künftige EU-Politik werden, müssten die Anbieter von Hard- und Software sich künftig weitaus stärker als bisher auf offene Technologiestandards einstellen“, heißt es in der Pressemitteilung des Verbandes. „Apple und iTunes müssten ihr Geschäftsmodell ändern“, formulieren die Verbraucherschützer optimistisch.
DRM-Systeme dürfen Verbraucherinteressen nicht verletzen
Im Zugang zu digitalen Medien und Informationen sieht die Verbraucherschutzcharta einen weiteren wesentlichen Aspekt. Digital-Rights-Management-Systeme (DRM) würden die Nutzungsmöglichkeiten digitaler Inhalte oft begrenzen und stellen somit ein Hindernis dabei dar, die Interessen der Nutzer zu wahren. Die Charta fordert in diesem Zusammenhang, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den Interessen der Anbieter und denen der Nutzer gewahrt werde. DRM solle nur unter vier Bedingungen eingesetzt werden:
– Die Integrität des privaten Eigentums in Bezug auf die Endgeräte, Programme und Daten muss gewahrt bleiben.
– Die Funktion und Sicherheit von Hard- und Software beim Nutzer darf nicht beeinträchtigt werden.
– Es dürfen keine Nutzerprofile erstellt werden und die Anonymität der Nutzer muss gewahrt bleiben.
– Die Wahrnehmung der gesetzlichen Schrankenbestimmungen des Urheberrechts muss im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben gewährleistet werden.
Die Verfasser der Charta gehen auch auf die Urheberrechtsnovelle ein, die in Deutschland ansteht, den so genannten „Zweiten Korb“. Der Hinweis, dass die Strafverfolgung von nicht-kommerziellen Urheberrechtsverletzungen „über das unverzichtbare Maß hinaus vermieden werden sollte“, zielt sichtlich auf die hier diskutierte „Bagatellklausel“ ab. Nach ersten Entwürfen für das neue Urheberrecht sollten Privatpersonen, die in geringem Umfang gegen Urheberrechte verstoßen, von der Strafbarkeit ausgenommen werden. Zwischenzeitlich wurde die Klausel zwar wieder aus den Gesetzesentwürfen gestrichen. Sie wird jedoch weiterhin diskutiert, zuletzt bei den Expertenanhörungen im Bundestag.
Zudem legt die Charta großen Wert darauf, dass Verbraucher über das Urheberrecht aufgeklärt werden. Informationen müssten transparent und frühzeitig vorliegen, damit Verbraucher marktgerecht und legal handeln können.
Potentiale nutzen
Unter dem Stichwort „Potentiale nutzen“ heißt es in der Charta schließlich, dass die neuen Technologien (und deren Nutzungsbedingungen) nutzerfreundlich zu gestalten seien. Dies sei „eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für Politik, Wirtschaft und Verbraucher.“ Nur über eine nutzerfreundliche Gestaltung könne gewährleistet werden, das „vielfach bestehende strukturelle Informationsungleichgewicht zwischen den Marktteilnehmern abzubauen.“
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