Schwieriges Erbe: Illegale Opern-Bootlegs stellen Schweizer Hochschule vor Probleme
Leroy Ehrenreichs Nachlass ist beeindruckend: 30.000 Stunden Material hat der Opern-Freund zwischen 1965 und 2010 vor allem in den Opernhäusern New Yorks aufgenommen. Allerdings ist seine Sammlung urheberrechtlich ein großes Problem: Ehrenreich hat die Aufführungen ohne Erlaubnis der Urheber*innen und Konzerthäuser mitgeschnitten – heimlich mit einem Tonbandgerät unter dem Mantel, so saß er in vermutlich hunderten Vorstellungen und drückte auf Record. Das stellt die Hochschule der Künste Bern (HKB) nun vor Probleme. Sie verwaltet den Nachlass des 2016 verstorbenen Opernfreunds, darf ihn aber aufgrund fehlender Rechteklärung nicht öffentlich zugänglich machen.
Beim SRF, einem öffentlich-rechtlichen Sender aus der Schweiz, ist nun ein halbstündiges Radio-Feature über den Fall erschienen. Unter dem Titel „Ein Opernschatz, bloss nicht legal“ beleuchtet die Sendung die schwierige Lage von drei Seiten: Natürlich geht es um Ehrenreich selbst. Vor allem, was den Opern-Piraten dazu motivierte, über so einen langen Zeitraum Opern-Mitschnitte zu sammeln, und wie trickreich er dabei vorging.
Wissenschaftlich wertvoll, juristisch heikel
Daneben behandelt das Feature die Frage, wie Forscher*innen der HKB den musikwissenschaftlich zwar wertvollen, aber juristisch heiklen Nachlass erschließen. Erschwert wird ihre Arbeit unter anderem dadurch, dass eines der Operhäuser, das Ehrenreich besonders gerne besuchte, vor einigen Jahren bankrott ging und schloss. Das macht die Klärung der Urheberrechte so schwierig, vielleicht sogar unmöglich. Andererseits dokumentiert Ehrenreichs umfangreiche und sorgsam beschriftete Sammlung die Geschichte des Opernhauses und wie sich der Musikstil im Laufe der Zeit dort veränderte. Es handelt sich also um musikhistorisch bedeutende Tonträger, die als Zeitzeugnisse auch Aufschluss über das betreffende Opernhaus selbst geben können.
Daher geht die Sendung auch genauer auf die urheberrechtliche Situation der Mitschnitte ein. So sieht das US-amerikanische Copyright Law, gewissermaßen das Geschwister des deutschen Urheberrechts, vor, dass die in der Oper erklingende Musik mitunter zweifach geschützt ist: Einerseits im Sinne des Urheberrechts, etwa wenn die Komponist*innen der jeweiligen Oper noch am Leben sind oder deren Tod vor weniger als 70 Jahren war. Andererseits aufgrund von Leistungsschutzrechten (sogenannte recording rights, zu Deutsch etwa Rechte an der Aufnahme): Das betrifft die Aufführenden, vor allem die Musiker*innen im Orchestergraben, die das Werk an Flöte, Pauke und Geige zum Erklingen bringen. Gerade bei Leistungsschutzrechten an Tonaufnahmen kann es in den USA kompliziert werden, da hier je nach Situation verschiedene Schutzfristen gelten (hier eine Übersicht).
Open Access zu Opern-Bootlegs? Zugang nur mit Passwort für ausgewählten Kreis
Immerhin hat die HKB nun eine Kompromisslösung gefunden, wie die Sendung genauer erläutert. Eine breite Veröffentlichung der Opern-Bootlegs wird es bis auf Weiteres nicht geben. Dafür ist die urheberrechtliche Lage der Aufnahmen zu heikel, die drohenden Schwierigkeiten wiegen zu schwer. Doch stellen die Forscher*innen die Aufnahmen mittlerweile mit Passwortschutz wenigstens ihren internationalen Kolleg*innen zu Forschungszwecken zur Verfügung. Zumindest für Teile der Forschungsöffentlichkeit ist somit ein Zugang geschaffen.
- Die 30-minütige Sendung „Ein Opernschatz, bloss nicht legal“ (SRF 2022) kann unter diesem Link öffentlich und ohne Registrierung angehört werden. Auch ein Direkt-Download der Datei ist verfügbar.
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