Rufus Pollock: Wo sind die Belege, dass verschlossene Daten besser sind?
Zur Person: Rufus Pollock ist Ökonom und einer der Gründer und Leiter der Open Knowledge Foundation. Er ist Associate am Centre for Intellectual Property and Information Law der Universität Cambridge und Fellow der Shuttleworth Foundation.
iRights.info: Die Open-Data-Szene ist bunt gemischt: Regierungen und Verwaltungen, Unternehmen, zivilgesellschaftliche Akteure, Journalisten und andere treffen zusammen, mit unterschiedlichen Motivationen und Zielen. Was ist das verbindende Element?
Rufus Pollock: Im Kern geht es um Information und darum, dass Dienste und Produkte auf Informationen beruhen. Man nehme das Beispiel: Ein Produzent liefert Brot an Supermärkte, das wir als Kunden kaufen. Er benötigt zum Beispiel Informationen über Straßen und Verkehr. Oder ich plane eine Reise: Ich benötige Informationen über das Wetter an meinem Zielort. Für ein besseres Gesundheitssystem benötigt man Informationen und Daten über die Situation in Krankenhäusern. In all diesen Fällen können offene Daten zu Verbesserungen führen.

Rufus Pollock. Foto: Sebastiaan ter Burg, CC BY-SA.
Natürlich verbinden sich mit offenen Daten unterschiedliche Zwecke und unterschiedliche Akteure halten diese für unterschiedlich wichtig. Für einige ist es mehr Transparenz und Rechenschaftspflicht von Regierungen und Verwaltungen, andere starten Unternehmen und schaffen Arbeitsplätze.
Ein weiteres Ziel sind effiziente und bessere öffentliche Dienstleistungen. Warum haben wir eine Marktwirtschaft? Weil wir davon ausgehen, dass sie Ressourcen besser als andere Systeme zuordnet und verteilt. Und offene Daten ermöglichen es, dass Ressourcen besser verwendet und weniger verschwendet werden.
Alle diese Zwecke sind also berechtigt. Welche einem wichtiger sind, ist von Mensch zu Mensch natürlich unterschiedlich.
iRights.info: Aus Verwaltungen hört man, offene Daten würden einen neuen Geist oder eine neue Kultur in der Verwaltung voraussetzen. Gerade die deutsche Verwaltung geht auf die preußischen Reformen zurück und ist noch geprägt davon. Wie wollen Sie Verwaltungen von offenen Daten überzeugen? Eine schöne App hier, eine Plattform da, das reicht wohl nicht aus.
Rufus Pollock: Wir sehen eine wachsende Anzahl an Belegen, dass offene Daten von Nutzen sind. Wir haben gesehen, dass offene Daten und mehr Transparenz die Sterblichkeitsraten in Krankenhäusern gesenkt haben. Forscher haben die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile offener Daten untersucht.
Und offene Daten sind nicht teuer. Die Kosten, um schon vorhandene Daten zu öffnen, sind meistens nahe null oder sehr gering. Ich möchte das Argument auch einmal umdrehen: Wo sind die Belege, dass es besser ist, wenn Daten verschlossen gehalten und verkauft werden? Häufig sind Daten auch überhaupt nicht erhältlich und werden nicht einmal verkauft. Die Belege, dass das besser ist, würde ich gerne einmal sehen.
Aber die Dinge ändern sich. Es werden viel mehr Daten geöffnet. Selbst unter Regierungen ist die Haltung inzwischen eine andere als noch vor zwei Jahren. Man sieht es auch daran, dass etwa das Fraunhofer Fokus-Institut eine Konferenz darüber veranstaltet hat, das ja nicht unbedingt zum radikalen Flügel zählt. Das wird zunehmend Mainstream.
iRights.info: In Deutschland gab es auch große Aufregung, als etwa die Schufa ankündigte, sie wolle Facebook-Daten im Rahmen eines Forschungsprojekts darauf untersuchen, ob sie für Bonitätsprüfungen einsetzbar sind. Diese Daten bei Facebook sind natürlich nicht offen, aber dennoch sind sie öffentlich. Damit verbinden sich Ängste. Ist die Sorge nicht berechtigt, dass Daten vor allem jenen nützen, die mit ihnen umzugehen verstehen? Letzten Endes also einer Minderheit, selbst wenn sie offen zutage liegen?
Rufus Pollock: Eine Antwort ist, dass die Nutzer mehr Kontrolle über ihre eigenen Daten haben sollten. Ich sollte etwa wählen können, mit wem ich meinen „sozialen Graphen”, meine Beziehungen bei Facebook teile. Man kann natürlich immer Schlüsse ziehen, auch dann, wenn jemand seine Daten nicht teilt. In diesem Fall geht es natürlich auch um fehlende Einwilligung.
Open Data dagegen ist in der Regel das Ergebnis einer Entscheidung. Wir sollten auch zwischen wirklich offenen und nur „mehr geteilten” Daten unterscheiden. Es gibt hier einen fundamentalen Unterschied.
iRights.info: Man kann zwischen rechtlichen, technischen und politischen Aspekten der Diskussion um offene Daten unterscheiden. Wo sehen Sie die größten Probleme, um Daten in ihrem Verständnis zu öffnen?
Rufus Pollock: Bislang besteht das Problem vor allem darin, vorhandene Daten zu öffnen. Das braucht Zeit und Einsatz. Die technischen Probleme sind nicht riesig. Es gibt sie natürlich, aber mit etwas Erfindergeist lassen sie sich lösen.
Die rechtlichen Probleme sind offensichtlich gewichtig: Es ist gut, dass man entscheiden kann, Daten zu öffnen. Aber wir könnten eigentumsähnliche Rechte an Daten auch weniger umfassend und tiefgreifend gestalten. Wenn solche Monopolrechte wirklich benötigt werden, dann sollten sie zeitlich begrenzt sein – so wie auch das Urheberrecht zeitlich begrenzt ist.
Wichtig dabei ist natürlich, zwischen Immaterialgüter- und Persönlichkeitsrechten zu unterscheiden. Mein Recht auf Privatheit gilt ein Leben lang. Aber das Recht, über Daten zu verfügen, könnte und sollte viel kürzer sein, womöglich allenfalls ein paar Jahre.
Foto: Calistobreeze, CC BY-NC-SA.
2 Kommentare
1 Andy am 23. Februar, 2013 um 14:54
Entweder ist in der Übersetzung einiges schief gelaufen oder Rufus Pollock weiß nicht wirklich wovon er redet.
“Wir sollten auch zwischen wirklich offenen und nur „mehr geteilten” Daten unterscheiden.”
–> Soll “mehr geteilten” für “merely shared” stehen? In jedem Fall ist der Unterschied belanglos. Gibt man Daten und die damit verbundenen Inhalte einmal frei, dann muss (und sollte) man auch das teilen, kopieren, weiterverbreiten hinnehmen. Ein Unterschied wäre vielmehr kontraproduktiv, für das Argument das Rufus Pollock, versucht zu etablieren.
“Es ist gut, dass man entscheiden kann, Daten zu öffnen. Aber wir könnten eigentumsähnliche Rechte an Daten auch weniger umfassend und tiefgreifend gestalten. Wenn solche Monopolrechte wirklich benötigt werden, dann sollten sie zeitlich begrenzt sein – so wie auch das Urheberrecht zeitlich begrenzt ist.”
Hier wird Banane mit Apfel verglichen und gleichgestellt mit der Begründung beides sei Obst. Die Entscheidung über den in Daten verkörperten Inhalt, also zB. vertrauliche oder auch allgemeine Informationen, beruht auf der Idee der informationellen Selbstbestimmung. Jeder soll seine Daten öffnen oder geheim halten können. Unabhängig von einem Staat, Gesetzgeber, Gewerkschaft, etc. Es ist ermüdend das immer nur die positiven Vorteile von Rechten substanzlos in Verruf gezogen werden, obwohl ohne den negativen Vorteile des selben Rechts, jene Kritik gar nicht (in dem Umfang) möglich wäre.
2 David Pachali am 23. Februar, 2013 um 15:08
@Andy: Es geht um den Unterschied zwischen öffentlichen, aber nicht offen lizenzierten Daten.
Was sagen Sie dazu?