Roger Jøsevold: Die in Norwegen erschienenen Bücher sind bis 2017 digitalisiert
Hinweis in eigener Sache: Roger Jøsevold ist Referent der Konferenz „Zugang gestalten! – Mehr Verantwortung für das kulturelle Erbe“, die nächste Woche in Berlin stattfindet und bei der Rights.info zu den Ausrichtern gehört. Sein Referat am ersten Konferenztag (13.11.) trägt den Titel „Eine Nationalbibilothek für das 21. Jahrhundert – Inhalte und Dienstleistungen einer digitalen Bibliothek“.
iRights.info: Herr Jøsevold, wie ist es Ihrem Land eigentlich gelungen, große Wissensbestände nicht nur digitalisieren zu können, sondern auch den Norwegern zugänglich zu machen?
Roger Jøsevold: Ich würde sagen, dafür gibt es drei wesentliche Gründe. Erstens die strategische Entscheidung im Jahr 2004, die norwegische Nationalbibliothek zu einer digitalen Bibliothek zu machen und die Folge-Entscheidung im Jahr 2006, wirklich sämtliche Bestände der Nationalbibliothek zu digitalisieren.
Zweitens haben wir eine Rechtsgrundlage, die Extended Collective License. Sie versetzt die Nationalbibliothek in die Lage, dass sie für die Rechteklärung nur mit einem Partner verhandeln muss, nämlich der Verwertungsgesellschaft Kopinor, die sämtliche Rechteinhaber des Landes vertritt.
Drittens haben wir traditionelle, über lange Zeit gewachsene strategische Partnerschaften zwischen Verlagen und der Nationalbibliothek.
Extended Collective Licensing
Unter dem Begriff „Extended Collective Licensing“ werden gesetzliche Regelungen und Lizenzvereinbarungen zusammengefasst, die alle Rechteinhaber auf einem bestimmten Gebiet umfassen. Es ist ein „erweitertes“ Modell, weil Verwertungsgesellschaften nicht nur die Rechte ihrer Mitglieder, sondern per Gesetz auch von Außenstehenden wahrnehmen. Eine Bibliothek etwa kann somit viele Rechte auf einmal einholen, um Werke zu digitalisieren. Das Modell ist besonders in den skandinavischen Ländern verbreitet.
iRights.info: Was war oder ist noch immer die größte Herausforderung für das Bokhylla-Programm?
Roger Jøsevold: Meiner Meinung nach ist es die Angst unter Verlagen, dass der freie Online-Zugang zu Büchern, die nach wie vor käuflich sind, die Verkäufe dieser Bücher beeinflusst.
iRights.info: Gab es von den Verlagen also auch Widerstände gegen das Bokhylla-Programm?
Roger Jøsevold: Ich würde es nicht echte Widerstände nennen sondern eher Abneigungen. Die größte Abneigung zeigten Verleger von Nachschlagewerken, von Lehrbüchern und von Kinderbüchern.
iRights.info: Was antworten Sie, wenn Autoren, Verleger oder andere Rechteinhaber mehr Vergütungen verlangen, weil die Umsätze durch das Digitalisierungsprogramm schrumpften?
Roger Jøsevold: Denen sage ich, dass die Vergütung nun einmal in einer Vereinbarung festgelegt ist und die Vergütungssätze nach einem generellen Index berechnet werden.
iRights.info: Auf Ihrer Website heißt es, dass die im Jahr 2006 begonnene Digitalisierung rund 20 bis 30 Jahre dauern wird. Ist das aus Ihrer Sicht schnell genug oder zu langsam?
Roger Jøsevold: Diese Angaben basieren auf Prognosen aus dem Jahre 2006, die wiederum von bestimmten Annahmen für die Finanzierung des ganzen Programms ausgingen, insofern war das damals eher grob geschätzt. Tatsächlich ist die Digitalisierung aller Bücher, die bis 2001 in Norwegen erschienen sind, bereits 2017 abgeschlossen. Außerdem haben wir jetzt schon den Großteil der Radio-Archive des Norwegischen Rundfunks digitalisiert. Die größte Herausforderung ist der Filmbereich, mit dem wir gerade begonnen haben, weil die digitalen Dateien dort so enorm groß sind.
iRights.info: Was betrachten Sie neben diesen gewaltigen Dateimengen als kniffligste Aufgabe bei der Digitalisierung?
Roger Jøsevold: Von einem nicht-technischen Standpunkt aus betrachtet sehe ich die Langzeitaufbewahrung der digitalen Inhalte als besonders herausfordernd, weil sich sowohl die digitalen Dateiformate als auch die Speichertechnologien ständig ändern und einen endlosen Prozess des Umkonfigurierens und Umziehens der Dateien erfordern.
iRights.info: Gibt es etwas, dass Sie es im Laufe der vergangenen Jahre hätten besser hinbekommen können?
Roger Jøsevold: Eigentlich nicht, denn es war über die Jahre – von einem technischen Standpunkt aus betrachtet – ein schrittweiser Prozess von Versuch und Irrtum, in dessen Verlauf wir ständig Änderungen vornehmen mussten. Das betrifft sowohl die Qualität der Digitalisate als auch die Benutzerfreundlichkeit der digitalen Sammlungen.
iRights.info: Wenn andere Länder bei der Digitalisierung den „norwegischen Weg“ gehen wollten, was würden Sie diesen Ländern raten?
Roger Jøsevold: Ich denke, als allererstes müsste eine klare Entscheidung für eine digitale Nationalbibliothek gefällt werden. Danach müssten genügend Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um zu zeigen, dass man die genannte Entscheidung auch wirklich umsetzen will.
iRights.info: Aus der rechtlichen Perspektive sieht es so aus, als hätte Norwegen die harte Nuss geknackt, die das Urheberrecht für Digitalisierungsprojekte zu sein scheint. Oder sehen Sie hier auch für Ihr Land weitere Probleme?
Roger Jøsevold: Sie haben Recht, Norwegen und die nordeuropäischen Länder verfügen mit dem Extended Collective Licensing über eine umfassende rechtliche Basis, um große digitale Bibliotheken aufzubauen.
Doch im Sinne des gesellschaftlichen Auftrages, den wir als Nationalbibliotheken haben – das gesamte kulturelle Erbe dauerhaft zu sichern – benötigen wir eine modernisierte Regelung der sogenannten Hinterlegungspflicht für Veröffentlichungen in der Nationalbibliothek. Sie sollte sich fortan auch auf originär digitale Inhalte beziehen.
Es muss dabei darum gehen, sowohl den Verwertungsinteressen der Rechteinhaber gerecht zu werden als auch den Anforderungen an die Bewahrung des digitalen Kulturerbes. Momentan können wir das Web sozusagen nicht auf breiter Basis durchfischen, und das heißt, im kollektiven Gedächtnis entstehen schwarze Löcher.
1 Kommentar
1 Monika & Dr. Bernd Hofmann am 14. März, 2015 um 18:00
Wir finden Ihr Vorhaben fantastisch.
Deshalb haben wir Ihnen ein Fotoalbum unserer Vorfahren gesendet. Sie haben Norwegenreisen 1902/1904 gemacht. Herr Schmidt, der Verfasser der Fotosammlung, weilte zu einem Theologenkongress in Oslo.
Kontakt hatten wir zu Frau Dr. Caroline Serck-Hanssen.
Mit freundlichen Grüßen
Monika & Dr.Bernd Hofmann
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