Reproduktionsfotografie: Welche Möglichkeiten haben Museen?

Foto via Pixabay, CC0
Der nachfolgende Text ist ein Auszug aus Stephanie Niederalts Aufsatz „Recht und Zugang – Die Perspektive der Museen“, erschienen in Ausgabe 1/2020 der Fachzeitschrift „Recht und Zugang“ (Nomos Verlag). Der Aufsatz steht wie die Zeitschrift unter einer CC-BY-SA-Lizenz. Wir veröffentlichen den Auszug mit freundlicher Genehmigung des Nomos Verlags. Über den Start der Zeitschrift berichtete iRights.info.
Ein gemeinsames Problem aller Museen, so unterschiedlich der Sammlungsgegenstand auch sein mag, sind fehlende Abbildungen. Gerade diese stellen aber die Grundvoraussetzung für jede Arbeit im digitalen Raum dar.
Online-Sammlungen, die den kompletten Bestand zeigen wollen, scheitern aktuell nicht zuletzt auch daran, dass nicht von allen Sammlungsgegenständen zeitgemäße, farbige und digitale Aufnahmen in ausreichender Qualität vorhanden sind.
In den wenigsten Fällen sind Digitalisierungskampagnen des bestehenden analogen Bildmaterials ausreichend. Vielmehr müssen nach und nach alle Werke nach neustem Stand der Technik fotografiert werden. Dies stellt eine große finanzielle aber auch personelle und technische Herausforderung dar.
Neben dem reinen Akt des Fotografierens sind hierfür umfangreiche Vorarbeiten erforderlich. So müssen die Werke abgehängt oder aus dem Depot bereitgestellt, gegebenenfalls gereinigt, entglast und entrahmt werden und zuweilen gar kleinere restauratorische Maßnahmen vorgenommen werden.
Als letzter Schritt sind dann die Aufbereitung der zum Digitalisat gehörenden Meta-Daten für die Einstellung in die Datenbank und Online-Schaltung zu bedenken (Maaz, Das gedoppelte Museum, 2020, S. 44 ff., S. 69). Hier ist das mittel- und langfristige Zusammenspiel vieler Personen vonnöten. Ferner braucht es spezialisierte Museumsfotografen um sicherzustellen, dass die Abbildung dem Original möglichst nahe kommt.
Wie Reproduktionsfotografien rechtlich geregelt sind
Nach geltender Rechtslage sind zweidimensionale Fotografien von Sammlungsgegenständen unabhängig davon, ob diese gemeinfrei sind oder noch unter Urheberschutz stehen, zumindest nach Paragraph 72 des Urheberrechtsgesetzes als Lichtbilder mit einem Leistungsschutzrecht geschützt, wie der BGH in der Museumsfotos-Entscheidung explizit anerkannt hat (BGH, Urteil vom 20.12.2018).
Bei dreidimensionalen Objekten geht man hingegen regelmäßig sogar von einem Lichtbildwerk, das heißt einer eigenen geistigen Schöpfung aus (gemäß Paragraph 2 Nummer 5 des Urheberrechtsgesetzes).
Die Lizenzierung dieser Reproduktionen führt zu Einnahmen, die in die Museumsarbeit zurückfließen können (Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Jahresbericht 2018, S. 100). Viele Museen bedienen sich zur Vermarktung ihrer Bilder professioneller Bildagenturen, wie beispielsweise der Bildagentur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (bpk), um den Verwaltungsaufwand gering zu halten.
Immer wieder kommt es auch zu Kooperationen mit Bildagenturen, die Teile der Bestände auf eigene Kosten fotografieren, gegen die Möglichkeit die Lizenzierung zu übernehmen. Das sind allerdings Modelle, die nach der Umsetzung von Artikel 14 der EU-Urheberrechtsrichtlinie gegebenenfalls in Frage stehen.
Welchen Einfluss nimmt die EU-Urheberrechtsrichtlinie auf die Reproduktionsfotografie?
Nach Artikel 14 der EU-Urheberrechtsrichtlinie wird der Gleichlauf des Schutzes der Vervielfältigung mit dem Schutz des eigentlichen Werkes angestrebt. Sobald der urheberrechtliche Schutz eines Werkes abgelaufen – das Werk somit gemeinfrei – ist, soll auch die Reproduktion keinen Schutz mehr genießen.
Laut Begründungen des EU-Gesetzgebers zielt die Regelung „auf den Zugang zur Kultur und ihrer Förderung und zum Zugang zum kulturellen Erbe“. An dem Verkauf von Postkarten soll das jeweilige Museum hingegen nicht gehindert sein (Erwägungsgrund 53 DSM-RL).
Dieser auf den Grundgedanken der Europeana Charta 12 zum Gemeingut basierende Artikel der EU-Urheberrechtsrichtlinie kann im deutschen Urheberrecht vermutlich nur durch die Einführung einer Schrankenregelung umgesetzt werden, die den Schutz des Lichtbilds zugunsten berechtigter Interessen beschränkt, sobald das Ausgangswerk gemeinfrei geworden ist (Schulze, GRUR 2019, 779, 780 f.; Stellungnahme GRUR im Rahmen der öffenlichen Konsultation zur Umsetzung der EU-Richtlinie, S. 6).
Die Richtlinie lässt Fragen offen
Viele Fragen der Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht sind noch unklar. Welche Nutzung soll durch eine Schrankenregelung privilegiert werden? Nur der Zugang zur Kultur oder jegliche Nutzung, mithin auch kommerzielle Zwecke? Je nachdem, ob man den Erwägungsgrund bei Umsetzung der Richtlinie mit berücksichtigt, sind beide Lesarten möglich.
Solange das Ausgangswerk unter Urheberrechtschutz steht, kann auch eine Reproduktionsfotografie geschützt sein. Entfällt der Lichtbildschutz für eine Fotografie insofern nachträglich, wenn das Werk gemeinfrei wird, oder soll die Regelung nur dann gelten, wenn ein schon gemeinfreies Werk fotografiert wird? (Schulze, GRUR 2019, 779, 780)
Unklar ist auch, wie man mit Objekten umgehen soll, die nie unter Urheberschutz standen, wie beispielsweise das Sammlungsgut in naturhistorischen oder archäologischen Sammlungen.
Nach dem Wortlaut der Richtlinie greift die Regelung zudem nur dann, wenn die entstandene Abbildung nicht selbst eine eigene geistige Schöpfung darstellt. Der fließende Übergang zwischen Lichtbild und Lichtbildwerk ist seit jeher problematisch (Vergleiche hierzu: Lauber-Rönsberg, ZUM 2019, 341, 343).
Bisher war die Abgrenzung in Bezug auf die Reproduktionsfotografie meist unerheblich, da zumindest ein Schutz als Lichtbild nach Paragraph 72 des Urheberrechtsgesetzes gegeben war (BGH, Urteil vom 20.12.2018).
Unterstützung durch das Zitatrecht
Im Rahmen des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes wurde das Zitatrecht ergänzt und in Paragraph 51 klargestellt, dass sich die freie Verwendung zu Zitatzwecken nicht nur auf die Nutzung des zitierten Werkes selbst, sondern auch auf die Abbildung oder sonstige Vervielfältigung des zitierten Werkes erstreckt. (Siehe hierzu: „Neues Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft: Das gilt ab dem 1. März“)
Der Kritik, dass die Zuerkennung des Leistungsschutzrechts für Reproduktionsfotos die Nutzung des Kulturguts durch die Allgemeinheit verhindere, wurde damit in einem wichtigen Bereich die Grundlage entzogen (so auch: Schulze, GRUR 2019, 779, 780).
Soweit eine inhaltliche Auseinandersetzung erfolgt, ist die Nutzung bereits jetzt möglich. Insbesondere die Initiative Urheberrecht sieht auf dieser Grundlage die Regelung des Artikels 14 der DSM-Richtlinie bereits als umgesetzt an (siehe die dazugehörige Stellungnahme).
Anders als im Rahmen von Artikel 14 der DSM-Richtlinie ist in Bezug auf das Zitatrecht allein die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem abgebildeten Gegenstand erforderlich, um auch die Reproduktionsfotografie nutzen zu dürfen.
Auf die Frage, ob der Gegenstand noch urheberrechtlich geschützt ist oder dies jemals war und ob es sich um ein zwei- oder dreidimensionales Ausgangswerk handelt, kommt es genauso wenig an wie auf die Frage, ob die Reproduktionsfotografie selbst als Lichtbild oder Lichtbildwerk einzuordnen ist.
Welche Möglichkeiten bieten sich bei gemeinfreien Werken?
Aktuell ist bei vielen Museen eine zweigleisige Strategie zu beobachten: Digitale Reproduktionsfotos werden in guter Qualität unter Creative-Commons-(CC-)Lizenz zur kostenfreien Nutzung in Online-Sammlungen eingestellt. Der freie Zugang für interessierte Nutzer sowie die Wissenschaft, teilweise sogar für kommerzielle Zwecke, ist damit gewährleistet.
Für die Bereitstellung hochauflösender Digitalisate fallen hingegen Lizenzgebühren an. Dabei streben viele Museen langfristig die Lizenz CC0 an.
Noch sind viele Fragen offen und die Umsetzung des Gesetzgebers bleibt abzuwarten und zu diskutieren. Letztlich ist die grundlegende Fragestellung zu klären, inwieweit der Umgang mit Abbildungen gemeinfreier Werke rechtlichen Beschränkungen unterliegen kann und soll. (Siehe hierzu auch „Mögliches Happy End dank neuem EU-Urheberrecht“)
Will man diese für jegliche Verwendung freistellen – das niederländische Rijksmuseum beispielsweise stellt alle urheberfreien Bestände unter CC-0 Lizenz zum Download bereit – oder sollen die meist mit Steuermitteln finanzierten Museen zumindest bei kommerziellen Verwendungen ihrer Reproduktionsfotos gewisse Einnahmen erzielen können? (So: Seiler, K&R 2019, 245, 248)
Hier sind die Interessen von Fotografen, die Zugangsinteressen der Allgemeinheit sowie die Interessen der Museen abzuwägen und in einen Ausgleich zu bringen (Ausführlich: Lauber-Rönsberg, ZUM 2019, 341, 343; Schulze, GRUR 2019, 779, 781.). (Siehe hierzu auch: Wozu brauchen wir freie Werke?)
Die EU-RL ist bis 7. Juni 2021 in deutsches Recht umzusetzen. Aber auch die Regelungen des Urheberrechts-Wissensgesellschafts-Gesetzes sind auf 5 Jahre bis März 2023 befristet. Es gilt zu diskutieren, wie sich die Neuregelungen bewährt haben und wo gegebenenfalls Anpassungsbedarf besteht.
Die Autorin Stephanie Niederalt ist Justiziarin der Zentralen Dienste der Staatlichen Museen und Sammlungen der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München.
Der oben stehende Text ist eine gekürzte Fassung aus „Recht und Zugang – Die Perspektive der Museen“ von Stephanie Niederalt, ursprünglich erschienen in Ausgabe 01/2020 der Fachzeitschrift „Recht und Zugang“ beim Nomos Verlag.
Der Text wurde für iRights.info geringfügig bearbeitet: Fußnoten wurden, wo möglich, an den betreffenden Stellen als Hinweise in Klammern ergänzt, Abkürzungen wurden ausgeschrieben; Überschriften stammen von iRights.info.
Sowohl der Originaltext wie auch die redaktionell bearbeitete Fassung von iRights.info stehen unter einer CC-BY-SA-Lizenz.
1 Kommentar
1 iortly am 10. Juni, 2020 um 10:25
Vielleicht ist mein Kommentar ein wenig off-topic, aber in der Quarantäne habe ich erfahren, dass viele Ausstellungen in Museen online besucht werden können. Das könnte vielleicht jemanden interessieren.
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