Grüße aus dem Urlaub! Die Panoramafreiheit bleibt lückenhaft
Zunächst ein Wort zur Beruhigung: Es ist noch niemand im Gefängnis gelandet, weil er oder sie die jeweiligen Regelungen übersehen hatte und es an einer europaweiten Panoramafreiheit fehlt. Trotzdem besteht auch Grund zur Beunruhigung. In vielen europäischen Ländern sind die Regelungen weniger liberal. Dadurch entstehen Nachteile und Risiken.
In der Konsequenz werden Urheberrechtsverstöße wahrscheinlicher, wenn ein Bild grenzübergreifend geteilt oder auf andere Weise verwendet wird. So musste etwa der Steidl-Verlag nachträglich ein Foto aus einem Bildband entfernen. Höchstwahrscheinlich wird es leider auch die Europäische Kommission versäumt haben, in ihrem Vorschlag zur Urheberrechtsreform diese Risiken anzugehen. Das wird das Europäische Parlament nachholen müssen.
Panoramafreiheit: Die Basics
In fast allen Ländern sind Skulpturen und Bauwerke urheberrechtlich geschützt, wenn in ihnen eine schöpferische Leistung zum Ausdruck kommt. Das bedeutet zunächst, dass auch Fotos und Zeichnungen dieser Werke während der Schutzdauer eine Erlaubnis des Rechteinhabers – des Architekten oder Künstlers – benötigen.
Daher besteht in vielen Ländern eine Ausnahmeregelung im Urheberrecht. Sie räumt die Notwendigkeit aus dem Weg, bei Fotos im öffentlichen Raum Rechte an diesen Werken klären zu müssen. In Deutschland heißt diese Regelung Panoramafreiheit, weil sie etwa Fotografen und Straßenmalern erlauben soll, das öffentliche Panorama abzubilden.
Die sorgenfreien Länder
In vielen Ländern ebenso wie in Deutschland gibt es eine weitgehende Panoramafreiheit. Dazu gehören Portugal, Spanien, Kroatien, Malta, Zypern, Österreich, Tschechien, die Slowakei, Polen und Ungarn. Gleiches gilt in Großbritannien, Irland und den Niederlanden. Neuerdings auch in Belgien: Das Land hat vor kurzem eine Urheberrechtsreform durchgebracht, um die Panoramafreiheit sicherzustellen.
Die fürs Fotografieren günstigsten Regelungen gibt es in Belgien, Irland und Großbritannien. In diesen Ländern sind auch öffentliche Innenräume in der Panoramafreiheit inbegriffen. Voraussetzung ist, dass der Raum ohne Hürden öffentlich zugänglich ist. Der wunderschöne Bahnhof von Antwerpen ist ein solches Beispiel.
Die Problemfälle
Im Norden Europas ist es verbreitet, die Regelungen zur Panoramafreiheit auf Architektur zu beschränken und etwa Statuen und Skulpturen auszuklammern. Das gilt in Dänemark und Finnland. Doch auch in Deutschland gibt es Einschränkungen. So gilt die Panoramafreiheit nur, wenn der Fotograf auf öffentlichen Straßen, Wegen oder Plätzen steht. Ein spektakuläres Bild vom Dach des Nebenhauses kann schnell zum urheberrechtlichen Problem werden, wenn es nach deutschem Recht beurteilt wird.
Wochenende in Paris? In Frankreich gilt die Panoramafreiheit nur für nichtkommerzielle Zwecke. Das große Problem dabei sind soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter oder Fotoplattformen. Obwohl der Nutzer kein Geld mit den dort veröffentlichten Bildern macht, kassieren die Plattformen über Werbung. Ein Bild vom Centre Pompidou auf Facebook ist rein urheberrechtlich betrachtet nicht in Ordnung.
Es ist auch nicht vollständig geklärt, wann welches Recht beim Posten eines Bildes aus Frankreich in Deutschland gilt. Für das Familienalbum, sofern es nicht öffentlich im Netz steht, reicht die französische Ausnahmeregelung immerhin. Ähnlich wie Frankreich handhaben es auch die osteuropäischen Länder von Estland über Lettland, Litauen und Rumänien bis Bulgarien.
Schlusslicht: Italien, Griechenland, Luxemburg
Gar keine solche Ausnahme für Fotos kennen hingegen Luxemburg, Italien und Griechenland. Hier müssen sich Fotografen meist auf Tricks wie Bagatellgrenzen oder vergleichbare Regelungen stützen – oder sicherstellen, dass urheberrechtliche Schutzfristen abgelaufen sind. Selbst dies ist aber in Italien und Griechenland besonders tückisch.
Während Fotografen in Luxemburg noch darauf vertrauen können, ältere Gebäude frei ablichten zu dürfen, haben Griechenland und Italien zusätzliche Hürden errichtet: die Antikengesetze. Sie schaffen einen besonderen Schutz für Denkmäler, sodass für Fotos von ihnen Geld verlangt werden kann.
Die italienische und die griechische Regierung verlangen für Abbildungen etwa des Kolosseums oder der Akropolis eine Abgabe. Die Idee dahinter war ursprünglich, einen Teil der Einnahmen aus Postkarten in die Restaurierung des Kulturerbes zu investieren. Doch diese Einnahmen haben sich mittlerweile – nach dem Einzug von Digitalkamera und Smartphone – derart verringert, dass die Regelungen nur noch rechtliche Risiken schaffen.
Die Panoramafreiheit war früher ein Randthema, das nur einige wenige spezialisierte Berufsgruppen wie Straßenmaler und Postkartenverlage betroffen hat. Smartphone, Digitalkamera und Internet haben die Regelungen jedoch in unserem Alltag getragen. Wo wir vor fünf Jahren noch eine SMS schrieben, da veröffentlichen wir heute ein Selfie mit zwei kurzen Hashtags. Die Panoramafreiheit gehört zum Alltag. Es ist Zeit, dass die europäischen Gesetze der Realität näher rücken.
1 Kommentar
1 Khedron the Jester am 29. Mai, 2018 um 07:49
Obwohl kürzlich das Reisen nach fernen Erdteilen wie etwa Europa für mich in Betracht kommt, da mir endlich nun das Vermögen und die Zeit zur Verfügung steht, bezweifele ich dass ich nach Europa fliegen will. Wenn ich mir wegen Datenschutzwahnsinns deutsche Stadtstrassen per Google Street View nicht anschauen darf, dann viellecht bin ich auch nicht dazu willkommen, im wirklichen Leben diejenigen Strassen entlangzuspazieren.
Wenn ich wegen Urheberrechts über meine Ablichtungen von italienischen Denkmälern und Antiquitäten in Facebook nicht diskütieren darf, dann will ich mein Geld lieber woanders ausgeben.
Was sagen Sie dazu?