Open-Source-Saatgut: Offene Lizenzen für Gemüse und Getreide
Die Landwirtschaft ist durchzogen von Patenten und Privatisierung. Vielfach können Bauern ihre Traktoren nicht mehr eigenständig reparieren, ohne den Software-Schutz der Geräte zu verletzen und DRM-Mechanismen zu knacken. Aber das ist nicht alles: Oftmals ist das Saatgut selbst rechtlich geschützt, etwa durch Patente oder durch den sogenannten Sortenschutz: Diesen können sich Saatgut-Firmen für Pflanzenzüchtungen wie Kartoffel- oder Getreidesorten eintragen lassen, wenn diese bestimmte Kriterien erfüllen.
Per Sortenschutz lässt sich auf rechtlichem Wege das Eigentum an betreffenden Züchtungen sichern, so dass nur die Sortenschutzinhaberin alleine darüber verfügen darf. Unter Sortenschutz stehendes Saatgut wird auf diese Weise privatisiert, das Erzeugen und Vertreiben entsprechender Sorten muss genehmigt werden – was den rechtehaltenden Firmen ihr Geschäft sichert.
Open Source bei Saatgut
Gegen die Saatgut-Privatisierung wehrt sich die Open-Seeds-Bewegung. Sie überträgt das Prinzip von Open Source und Freien Lizenzen auf das Saatgut. Das Ziel der Bewegung: Saatgut soll (wieder) Gemeingut werden. So sieht das auch die Initiative „Open Source Seeds“. Sie erkennt ein Problem darin, dass wenige Konzerne mittels Patent- und Sortenschutz monopolartige Strukturen auf dem Saatgut-Markt erzielt haben:
Heute werden 60 % des weltweiten Saatguthandels von nur noch drei multinationalen Konzernen beherrscht. Dadurch steht die Souveränität der Landwirt*innen über ihr Saatgut auf dem Spiel – und damit die über unsere Nahrungsmittel.
Da sich der Markt mittlerweile auf „wenige Hochleistungssorten“ beschränke, führe dies zu wirtschaftlicher Abhängigkeit und befeuere die Abnahme ökologischer Vielfalt, schreibt die Initiative auf ihrer Website weiter. Heißt im Klartext: Es gibt weniger Auswahl beim Saatgut, auf den Äckern und damit auch auf unseren Tellern. Die Vielfalt in Form und Geschmack bei Gemüse, Obst, Getreide und Hülsenfrüchten nimmt ab.
Lizenzbedingungen für offenes Saatgut
Die Idee hinter offenem Saatgut ist ähnlich wie bei anderen Openness-Projekten: Weniger Kontrolle für Individuen durch die Verminderung von exklusivem Eigentumsschutz – und mehr Möglichkeiten für die Allgemeinheit. Dieser Gedanke spiegelt sich auch in den Bedingungen der Open-Source-Saatgut-Lizenz wider, wie sie bei Open Source Seeds formuliert wird. So erlaubt die dreiteilige Lizenz „fast alles“, bei gleichzeitigem Wegfall jeglicher Lizenzgebühren:
1. Alle dürfen Open-Source Saatgut nutzen, also anbauen, vermehren, züchterisch bearbeiten sowie im Rahmen bestehender Gesetze verkaufen, tauschen und verschenken.
2. Niemand darf das Saatgut und seine Weiterentwicklungen privatisieren. Patent- und Sortenschutz sind also ausgeschlossen.
3. Zukünftigen Empfängern und Empfängerinnen werden die gleichen Rechte und Pflichten übertragen.
Die Züchtung neuer Sorten ist allerdings aufwändig und teuer. Sortenschutz-haltende Firmen stecken daher Teile ihrer Einnahmen in die Entwicklung – ein typisches Muster von Firmen, die ihr Geschäftsmodell aus der Verwertung von Immaterialgüterrechten speisen. Je umfassender der Eigentumsschutz, desto besser lässt sich das Produkt verwerten und desto mehr Einnahmen lassen sich wiederum (neben dem Erwirtschaften von Profiten) in die Entwicklung investieren – ein Mechanismus, der auf Open-Source-Produkte aber nur bedingt übertragbar ist.
Statt Lizenzeinnahmmen: Crowdfunding soll Entwicklung neuer Roggen-Sorte finanzieren
Privatisierungen des Saatguts und seiner Weiterentwicklungen sind per Lizenz ausgeschlossen: Etwaige zukünftige Lizenzeinnahmen fallen daher weg. Daher startete Open Source Seeds kürzlich eine Crowdfunding-Kampagne. Diese lief im frühen Sommer sechs Wochen lang. Dabei kamen von knapp 400 Unterstützer*innen etwas mehr als die benötigten 30.000 EUR zusammen.
Das Crowfunding folgt einer anderen Logik als die Verwertung von privatisierten Gütern: Es müssen sich bereits im Vorhinein genügend Leute finden lassen, die an das Projekt glauben und es vor-finanzieren. Diese müssen nicht zwangsläufig auch die Konsument*innen des späteren Produkts sein. Das stellt die Finanzierung in gewisser Weise auf den Kopf: Das Produkt muss sich nicht am Markt bewähren, sondern vor allem eine zahlungsbereite Community aufbauen und erreichen.
Aus dem eingesammelten Geld will eine Gruppe von Züchter*innen nun eine neue Roggen-Sorte entwickeln. Auch diese wird gemeinnützig und eigentumsfrei sein und mit der besagten Open-Source-Lizenz ausgestattet sein.
Open-Source-Tomate aus Berlin
Auch an der TU Berlin experimentiert man mit Open-Source-Saatgut. Ein Team um Norbert Kühn, Professor für Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung, verteilte im Frühjahr diesen Jahres an Interessierte rund 900 Tomatenpflanzen der Sorte „TUmate“. Diese steht unter der Open-Source-Lizenz von Open Source Seeds. In einem Image-Film der Universität erläutert Kühn die Hintergründe des Projekts. Gerade die Diversität der Tomatenpflanze sei beeindruckend, so Kühn, und müsse daher geschützt werden. Dazu möchte sein Team mit der offen lizenzierten Tomatensorte beitragen.
Wer eine TUmate für den Anbau auf dem heimischen Balkon haben möchte, kann übrigens eine Tüte mit Samen im hauseigenen Uni-Shop der TU Berlin erwerben. Dort ist die TUmate – fast wie Merchandise – neben T-Shirts, Trinkflaschen oder Turnbeuteln erhältlich, allesamt bedruckt mit dem Logo der TU Berlin. Durch die Hintertür ist die TUmate dadurch doch wieder Teil einer Firmen- und Markenwelt geworden. Diese wollte man mit der Open-Source-Lizenz ja eigentlich hinter sich lassen.
Einen Kopierschutz wird man bei der TUmate jedoch nicht finden: Hebt man sich Samen aus der gereiften Frucht auf, kann man diese im nächsten Jahr einfach wieder säen.
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