Open Access und Datentracking: Wie weit ist die Kommerzialisierung von Offener Wissenschaft?
Offene Wissenschaft (Open Science) beruht auf dem Verständnis, dass die transparente, offene und kooperative Wissensproduktion die Qualität der Forschung verbessert.
Wissenschaft und Forschung können in verschiedener Hinsicht offen sein: Zum Beispiel durch die Nutzung quelloffener Software oder das Offenlegen fachlicher Begutachtungen, auch als „Open Peer Review“ bekannt. Auch sollen bei Open Science Forschungsdaten, wissenschaftliche Materialien und Veröffentlichungen frei zugänglich und nachnutzbar sein.
Hintergrund ist der Gedanke von „public money, public good“: Alles, was mit öffentlichen Mitteln finanziert wird, soll der Öffentlichkeit zugänglich sein – Open Science als Gegenstück der Kommerzialisierung der Wissenschaft.
Doch hält diese Idee der Wirklichkeit stand? Unter dem Titel „Wenn du nicht für das Produkt bezahlst, bist du selbst das Produkt?“ geht eine Podiumsdiskussion an der FU Berlin dieser und weiteren Fragen kritisch nach.
Geschäftsmodell Tracking – auch in der Wissenschaft
Wissenschaftliche Großverlage haben das kommerzielle Potential von Open Access in der Wissenschaft erkannt: Häufig müssen Forscher*innen, die Open Access publizieren wollen, Gebühren an die Verlage zahlen. Statt kostenpflichtiger Inhalte wird auf diese Weise das Publizieren selbst kostenpflichtig.
Noch lukrativer für die Verlage ist das Tracking von Daten: Sie verfolgen das Verhalten ihrer Nutzenden und erstellen personalisierte Profile mittels verschiedener Parameter wie Zugriffs- und Nutzungsmesswerten, Angaben zur Verweildauer oder Tippgeschwindigkeit.
Anschließend werden diese Nutzungsprofile gewinnbringend verkauft, wie das Informationspapier „Datentracking in der Wissenschaft: Aggregation und Verwendung bzw. Verkauf von Nutzungsdaten durch Wissenschaftsverlage“ des Ausschusses für Wissenschaftliche Bibliotheken und Informationssysteme der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) kürzlich aufgezeigt hat.
Nicht nur die DFG befürchtet, dass große Wissenschaftsverlage so zu „Datenkraken“ werden – auf Kosten der Forscher*innen und mit weitreichenden Folgen für den Wissenschaftsbetrieb.
Ist die Wissenschaftsfreiheit in Gefahr?
Die Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre genießt gemäß Artikel 5 des Grundgesetzes verfassungsrechtlichen Schutz.
Die Anonymität von Forscher*innen und Forschungseinrichtungen spielt für die Freiheit der Wissenschaft aus verschiedenen Gründen eine grundlegende Rolle: Sie sichert nicht nur die persönliche Freiheit von Wissenschaftler*innen, ihre Forschung ohne Einfluss von Dritten zu betreiben. Sie sorgt auch dafür, dass die Informationsversorgung und der Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen unvoreingenommen und unabhängig von kommerziellen Interessen gewährleistet wird.
Podiumsdiskussion mit hochkarätiger Besetzung
Doch wie anonym sind Forscher*innen heute eigentlich? Wenn die Nutzer*innen die offenen digitalen Ressourcen mit ihren Daten bezahlen, ist Open Science dann noch unkommerziell?
Björn Brembs, Professor für Neurogenetik an der Universität Regensburg, befürchtet im Interview mit iRights.info, dass Wissenschaftsverlage „den wissenschaftlichen Workflow monopolisieren“. Seit Jahren kritisiert er Verlage wie Springer und Elsevier, die laut Brembs nur noch vordergründig als Verlagshäuser arbeiteten: Tatsächlich entwickelten sie hauptsächlich Tracking-Tools zur Analyse und Überwachung wissenschaftlicher Arbeit.
Gemeinsam mit Andreas Degkwitz, Bundesvorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbandes (dbv), Angela Holzer, Referentin in der DFG Gruppe Wissenschaftliche Literaturversorgung und Informationssysteme, und Julia Reda, Politikerin und Expertin für Urheberrecht und Kommunikationsfreiheit, sollen diese Fragen diskutiert werden.
Julia Reda leitet seit 2020 bei der Gesellschaft für Freiheitsrechte das Projekt „control © – Freie Kommunikation verwirklichen“. Im Interview mit iRights.info hat sie bereits 2020 über Meinungsfreiheit und Überwachung durch Upload-Filter gesprochen.
Moderieren wird die Diskussion der Wissenschaftsjournalist Jan-Martin Wiarda. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Wissenschafts- und Hochschulpolitik.
Anmeldung und weitere Informationen
Organisiert wird die Veranstaltung am 9. Dezember von 16.30 bis 18.30 Uhr von Wikimedia Deutschland und dem Open Access Büro der Freien Universität Berlin.
Das Center for Open and Responsible Research (CORe) der Berlin University Alliance (BUA) und der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) unterstützen die Veranstaltung.
Die Veranstaltung findet online via Zoom statt. Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung finden sich auf der Veranstaltungsseite.
1 Kommentar
1 Simon, Elisabeth am 26. November, 2021 um 10:51
man muss m.M.nach den ganzen Prozess der wissenschaflichen Evaluierung umstellen, um nicht den Graben zwischen Autor und Verlag noch zu vertiefen. Wir sind ein Fachverlag für Bibl./In.wissenschaft und Musik und verdienen daran so gut wie nichts. Gerade bei Musik ist das erschütternd. Eines
Tages in ferner Zukunft wird man sich fragen, gab es keine schriftlicen Kompositionen zu dieser Zeit und eine Übernahme alleerr Kosten für Veröffentlichungen, di gefördert werden ist keine Garantie dafür, dass alle kreativen Ideen ihre Förderung finden. Simon
Was sagen Sie dazu?