Ärger mit dem Online-Händler? Die EU will helfen
Im Impressum von Onlinehändlern in der EU steht seit Januar 2016 ein unscheinbarer Hinweis. Zalando.de, Otto.de oder auch Amazon.fr müssen seitdem auf das freiwillige Angebot einer Streitschlichtung hinweisen, die Konflikte zwischen Händlern und Verbrauchern beilegen soll.
Der Hinweis besteht meist aus einer Zeile Text und einem Link auf die Online-Streitbeilegungs-Plattform der EU-Kommission. Käufer können sich dort über Onlinehändler beschweren, in einigen Ländern sind auch Beschwerden von Händlern über Verbraucher möglich.
Beschwerde geht an Schlichtungsstellen
Hat ein Verbraucher das Formular auf der Plattform ausgefüllt, wird die Beschwerde an den Händler weitergeleitet. Dieser entscheidet, ob er sich am Verfahren beteiligt. Aus einer Liste lässt sich eine Schlichtungsstelle auswählen, die für den den Sitz des Unternehmens und die jeweilige Branche zuständig ist. Diese wird dem Käufer vorgeschlagen. Stimmt der Käufer zu, hat die jeweilige Vermittlungsstelle 90 Tage Zeit, zu entscheiden. Das Ergebnis ist dann noch nicht bindend, beide Parteien werden gefragt, ob sie die Entscheidung akzeptieren.
197 Einrichtungen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Geltungsbereichen, die für das Verfahren zugelassen sind, listet das EU-Portal zurzeit auf. Aus Deutschland kommen bislang zwei: Die Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle des Vereins Zentrums für Schlichtung beschäftigt sich mit so ziemlich allen denkbaren Bereichen des elektronischen Handels, allerdings nur bei Streitigkeiten mit deutschen Händlern. Die Schlichtungsstelle Luftverkehr beim Bundesamt für Justiz hingegen kümmert sich um Streitigkeiten im Flugverkehr und ist nach eigener Aussage für Unternehmen in 31 europäischen Ländern zuständig.
Schlichtung soll schnell und einfach werden
Für Verbraucher ist eine Schlichtung prinzipiell kostenlos. Nur falls eine missbräuchliche Motivation hinter der Beschwerde attestiert wird, fällt eine Strafgebühr von 30 Euro an. Die Kosten für Händler legen die einzelnen Stellen fest. Bei der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle sind sie vom Streitwert abhängig und betragen zwischen 50 und 600 Euro, bei der Schlichtungsstelle Luftverkehr pauschal 290 Euro.
„Das EU-Portal zur Online-Streitbeilegung bietet Verbrauchern in ganz Europa eine zentrale Anlaufstelle, um ihre Streitigkeiten mit Online-Unternehmen mit Sitz in Europa gütlich zu lösen“, sagt Ben Borsche vom Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz, das als deutsche Kontaktstelle für das EU-Portal fungiert. Ein großer Vorteil sei, dass die Schlichtungsverfahren für Käufer einfach, schnell und kostenlos seien. Besonders nützlich sei das bei grenzüberschreitenden Konflikten, wenn Verbraucher und Unternehmen in unterschiedlichen EU-Ländern ansässig sind.
Für die eingereichten Beschwerden soll ein automatisches Übersetzungswerkzeug zunächst helfen, Sprachbarrieren zwischen den Beteiligten zu überwinden. Die konkreten Schlichtungsentscheidungen können Verbraucher in der europäischen Sprache ihrer Wahl anfordern, dann von menschlichen Profis übersetzt.
Händler müssen informieren
Die Einrichtung des Portals geht auf zwei EU-Initiativen aus dem Jahr 2013 zurück. Eine Richtlinie forderte die EU-Länder auf, Schlichtungsstellen zu ernennen und zu akkreditieren, die bei Streitigkeiten mit Offline- und Online-Händlern vermitteln. In deutsches Recht umgesetzt wurde sie durch das Verbraucherstreit-Beilegungsgesetz, das im April in seinen wichtigsten Teilen in Kraft getreten ist. Eine weitere Verordnung verpflichtete die EU-Kommission, das Portal für die Online-Streitbeilegung einzurichten.
Als die Verordnung im Januar in Kraft trat, sorgte sie zuerst für Kopfschütteln und Irritation bei Onlinehändlern. Die Hinweispflicht galt sofort, obwohl das Portal dann erst Mitte Februar online gegangen war. Einige Regelungen des deutsches Gesetzes treten erst am 1. Februar 2017 in Kraft. Dann müssen Unternehmer auch klar darauf hinweisen, ob sie sich an der Online-Streitbeilegung der EU beteiligen – allerdings nicht, ob sie sich einer Entscheidung dann auch unterwerfen.
Verbraucherschützer zweifeln an Beteiligung
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte sich bei der Erarbeitung der Neuregelungen eingebracht. Die Idee einer EU-weiten alternativen Streitschlichtung sei prinzipiell sinnvoll, meint Roland Stuhr, Referent des Verbands: „Es ist allgemein gut, dass Verbraucher einen einfachen und niedrigschwelligen Zugang zu Stellen haben, die vermitteln und als neutrale Schlichter für beide Seiten Lösungen entwickeln.“
Für kritikwürdig hält er aber die Freiwilligkeit für Unternehmen. Da die Händler den überwiegenden Teil der Kosten tragen müssen, glaubt er nicht, dass deren Beteiligung allzu groß wird. Hinter der ab Februar 2017 geltenden Informationspflicht stecke die Hoffnung, dass die Händler teilnehmen werden, um im Wettbewerb bei Kunden zu punkten.
Da ist Stuhr skeptisch: „Das alleine ist nicht ausreichend, wenn zu wenige Unternehmer mitmachen.“ Außerdem dächten Kunden bei einer Kaufentscheidung nur selten gleich an mögliche Streitigkeiten. „Es gibt viele Informations- und Belehrungspflichten, zum Beispiel zum Widerruf, und häufig sehr lange AGB. Erfahrungsgemäß liegt die Aufmerksamkeit aber beim Produkt, der Verfügbarkeit und beim Preis.“ Über mögliche Probleme machten sich Käufer meist erst Gedanken, wenn sie wirklich auftauchten.
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