OLG Thüringen: Google-Thumbnails verletzen Urheberrecht
Das Thüringer Oberlandesgericht hat Ende Februar entschieden, dass Googles Anzeige von verkleinerten Bildern (Thumbnails) von Websites eine Urheberrechtsverletzung darstellt. Geklagt hatte eine Künstlerin, die auf ihrer Website Fotos ihrer Kunstwerke veröffentlicht hatte. In ihrer Klage hatte die Künstlerin Google jegliche Verwendung von Thumbnails der Fotos oder der Fotos selbst sowie die Speicherung von Kopien ihrer Website im Google-Cache untersagen lassen wollen.
Vorinstanz: Klage unbegründet
Das zuständige Gericht erster Instanz, das Landgericht Erfurt, hatte vor einem Jahr entschieden, dass die Klage zwar zulässig, aber unbegründet sei. Der Klägerin wurde unter anderem deshalb kein Unterlassungsanspruch zugestanden, da „die Klägerin in diese Nutzung und Verwertung konkludent eingewilligt hat.“ Das LG Erfurt nahm in seiner undogmatischen Entscheidung an, dass die Anzeige von Thumbnails den finanziellen Interessen derjenigen, die auf ihren Websites Bilder veröffentlichen, nicht entgegen steht: „Soweit das Urheberrecht auch die finanzielle Verwertung der Werke schützt, ist zu berücksichtigen, dass diese Möglichkeit durch die Suchmaschine ebenfalls nicht beeinträchtigt, sondern gefördert wird. Es besteht nicht die Gefahr, dass sich die Vermarktung der Kunstwerke allein durch das Abbilden der “thumbnails” erschwert oder sogar erübrigt. Vielmehr ist das Gegenteil der Fall…“. Die Kammer vertrat also die Ansicht, dass jemand, der sein Werk online für jedermann zugänglich macht, sich mit derartigen Nutzungen durch Suchmaschinen stillschweigend einverstanden erklärt.
Das LG Erfurt lehnte auch eine Störerhaftung durch das Verlinken auf urheberrechtlich geschützte Werke ohne Genehmigung des Urhebers ab: „Da es die Entscheidung des Berechtigten ist, ob er sein Werk trotz der Möglichkeit, dass nach Aufruf auch rechtswidrige Nutzungen vorgenommen werden, weiter zum Abruf bereit hält, wird grundsätzlich kein urheberrechtlicher Störungszustand geschaffen, wenn der Zugang zu dem Werk durch das Setzen von Hyperlinks erleichtert wird. Denn die Gefahr rechtswidriger Nutzungen eines vom Berechtigten selbst im Internet öffentlich bereitgehaltenen Werkes wird durch Hyperlinks Dritter nicht qualitativ verändert, sondern nur insofern erhöht als dadurch einer größeren Zahl von Nutzern der Zugang zum Werk eröffnet wird. Denn auch ohne den Hyperlink kann ein Nutzer unmittelbar auf eine im Internet öffentlich zugängliche Datei zugreifen, wenn ihm deren URL genannt wird. Ein Hyperlink verbindet mit einem solchen Hinweis auf die Datei, zu der die Verknüpfung gesetzt wird, lediglich eine technische Erleichterung für ihren Abruf.“
OLG: Thumbnails verstoßen gegen geschütztes Bearbeitungsrecht
Gegen die Entscheidung des Landgerichts ging die klagende Künstlerin beim zuständigen Oberlandesgericht in Berufung. Google beantragte die Abweisung der Klage, weil die Rechte der Klägerin nicht verletzt würden. Auch das Oberlandesgericht wies einen Unterlassungsanspruch der Klägerin zurück, allerdings mit völlig anderer Argumentation als die Vorinstanz. Anders als das Landgericht sah das Oberlandesgericht „eine widerrechtliche Verletzung des Urheberrechts durch die Beklagte“ gegeben. Die Anzeige der Thumbnails stellt laut OLG eine „sonstige Umgestaltung“ dar. Das Recht zu Bearbeitungen und Umgestaltungen steht laut Urheberrechtsgesetz ausschließlich dem Urheber zu. Insofern verletzt die Anzeige von Thumbnails die Urheberrechte der Klägerin: „Die Beklagte stellt zwar grundsätzlich (nur) einen Internetsuchdienst zur Verfügung. Die Beklagte nimmt aber eine eigene Verwertungshandlung vor, nämlich das Umgestalten der Originalbilder und das Anzeigen von Verkleinerungen bzw. Komprimierungen des aufgefundenen Bildes. Dadurch greift die Beklagte selbstverantwortlich in das Urheberrecht der Klägerin ein, indem sie das Werk umgestaltet und zugleich verwertet. Sie nutzt das Bild dabei selbst für ihre Zwecke, nämlich der einfachen und von ihr für sinnvoll gehaltenen Darstellung des „Treffers“ im Rahmen der Suchmaschinenergebnisliste.“
Anders als das Landgericht sah das Oberlandesgericht kein eigenes Interesse der Urheber an der Anzeige von Thumbnails ihrer Werke durch Google: „Die Verkleinerung und Komprimierung dient allein den Zwecken der Beklagten bei der technischen Ausgestaltung ihrer Bildersuche, nicht aber dem jeweiligen Werk der Klägerin.“ Eine stillschweigende Einwilligung lag nach Auffassung des OLG auch nicht schon deshalb vor, weil „diese ihre Bilder ins Internet eingestellt hat“. Allgemein gelte vielmehr: „Derjenige, der Bilder frei ins Internet einstellt, will lediglich erreichen, dass sie von anderen Internetnutzern angesehen werden können. Ein darüber hinaus gehender Wille, irgendwelche Nutzungsverträge abschließen oder auch nur Einwilligungen zu erteilen, geht damit vernünftigerweise nicht einher, weil dies originären Urheberinteressen widersprechen würde. Der Urheber, der einen Werkgenuss ermöglichen will, willigt grundsätzlich nicht darin ein, dass Nutzungshandlungen vorgenommen werden, die über den ungehinderten Werkgenuss hinaus gehen.“
Klägerin handelte „rechtsmissbräuchlich und treuwidrig“
Im konkreten Fall sah das Oberlandesgericht allerdings ausreichend Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin „rechtsmissbräuchlich“ gegen Google vorgegangen ist. Die klagende Künstlerin hatte nämlich nicht einfach ein paar Bilder auf einer Website ins Internet gestellt, sondern ihre Website für die Nutzung durch Suchmaschinen optimiert. Dazu hatte die Künstlerin „anlockende“ META-Tags im HTML-Code ihrer Website benutzt, „damit die Seite der Klägerin bevorzugt als Suchtreffer angezeigt wird.“ Daraus folgt in den Augen des Gerichts, dass die Klägerin „durch ihre Beeinflussung der META-Elemente im Rahmen der Programmierung ihrer Homepage… zu erkennen gegeben [hat], dass sie insgesamt am Zugriff durch Suchmaschinen interessiert ist. Sie darf sich dann auch nicht gegen ein Verfahren (also die Umgestaltung in thumbnails) wenden, das bei der Bildersuche üblich ist.“ Das OLG deutet im Urteil sogar die Möglichkeit an, dass die Klägerin absichtlich ein „vom Senat für fraglich gehaltenes…schutzwürdiges Vertrauen geweckt“ haben könnte, ohne das weiter auszuführen.
Fazit des Gerichts: Wer Suchmaschinen-Optimierung vornimmt und anschließend den Suchmaschinen-Betreiber verklagt, handelt „rechtsmissbräuchlich und treuwidrig im Sinne von § 242 BGB“.
Kommentar: Ein praxisnahes Urteil
Die OLG-Entscheidung aus Thüringen setzt die Folge von Urteilen mit restriktiver Urheberrechtsauslegung im Internet fort, für die deutsche Gerichte bekannt sind. Zu begrüßen ist an dem Urteil, und auch am Urteil der Vorinstanz, die gründliche Auseinandersetzung mit der Praxis im Internet. Das OLG-Urteil schafft insofern mehr Rechtssicherheit, als es sowohl den Suchmaschinen-Betreibern als auch Urhebern vergleichsweise klare und praktikable Richtlinien für das Handeln im Internet vorgibt. Urheber müssen sich demnach entscheiden, ob es ihnen lieber ist, eine gute Suchmaschinenplatzierung oder einen maximalen Schutz ihrer Werke zu erreichen. Google und andere Suchmaschinen werden sich hingegen in Zukunft die META-Tags genauer anschauen müssen. Wo keine solchen vorhanden sind, heißt es dann, Vorsicht walten zu lassen.
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