Ole Wintermann: Das Recht droht seine Legitimation zu verlieren
Die Urheberrechtsdebatte wird sehr von juristischen Interpretationen und Sichtweisen geprägt und orientiert sich scheinbar weniger an realen Veränderungen gesellschaftlicher Verhältnisse. Die Einbettung zukünftiger Regelungssysteme für informationelle Güter in den gesellschaftlichen und politischen Kontext wird insgesamt einer Änderung unterzogen werden. Werden gesellschaftliche und technische Rahmenbedingungen auf Dauer nicht berücksichtigt, so droht das Recht ein Recht ohne Legitimation, ohne Rückhalt in der Bevölkerung, zu werden.
Während das Internet mit Hilfe des Crowdsourcing bei Serious Gaming und Ushahidi auf dem Weg ist, ein Werkzeug für die Generierung politischer Ideen und Konzepte zur Lösung gesellschaftlicher Konflikte und globaler Herausforderungen jenseits von tradierten Prozessen und eingefahrenen Regeln zu werden, bewegt sich die formaljuristische Debatte in die entgegen gesetzte Richtung und sucht weitere Betätigungsfelder, die reguliert werden sollten oder könnten. Die Debatte um die Patente auf Gene von Lebewesen macht deutlich, dass auch über die Grenzen des Zuständigkeitsbereichs von Regulierung gesprochen werden sollte.
Wie sieht die Gesellschaft in 2030 ansatzweise aus? Leben wir in einer internetbasierten Demokratie? Oder wird sich in 2030 gezeigt haben, dass die Aufgabe der Netzneutralität eher ein erster Schritt in Richtung einer rein hierarchie- und kapitalabhängigen Wissensgenerierung, -verteilung und -zugang im Netz gewesen ist und sich in der Folge dann in der Realität manifestiert hat? Je nachdem, welcher Kontext als realistischer gesehen wird, könnten zukünftige Regelungssysteme ausgestaltet sein. Im Fall einer internetbasierten Demokratie wäre dies die Nutzung einer bisher eher verbraucherorientierten Kreativität auch für die Lösung gesellschaftlicher und politischer Konflikte; Crowdsourcing und Gaming für eine „bessere Welt“.
Im alternativen Fall wären die Regelungssysteme sicherlich das Ergebnis einer linearen Fortschreibung bereits bestehender Systeme, ohne dabei auf veränderte Rahmenbedingungen einzugehen. Von daher sollte abschließend die Frage gestellt werden, ob sich Kreativität oder deren Outcome überhaupt „verregeln“ lässt oder ob sich Akteure und Prozesse des kreativen Prozesses nicht – mit Blick auf die erste Variante – selbstregelnd verhalten werden?
Die Grenze wird in der Debatte momentan noch zwischen dem kreativen und dem gesellschaftlichen Bereich gezogen. Von daher wäre es zielführend, wenn sich in der Debatte Juristen, Kreative und Sozialwissenschaftler miteinander austauschen würden, um die jeweilige Sichtweise des Anderen zu verstehen und diese Grenze zwischen den Disziplinen ein Stück weit durchlässiger zu machen.
Zur Person
Ole Wintermann hat in Kiel, Göteborg und Greifswald Politikwissenschaft, Soziologie und Volkswirtschaft studiert und über das schwedische Erfolgsmodell in der Politik promoviert. Er bloggt unter www.globaler-wandel.eu zu Fragen von Demographie, Gov 2.0 und Nachhaltigkeit, ist beim Government 2.0 Netzwerk Deutschland aktiv und leitet in der Bertelsmann Stiftung das Internet- und Blogger-Projekt www.futurechallenges.org. Der Text spiegelt die private Meinung des Autors wider.
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