Österreich: Was bringt das neue Urheberrecht für Bildung, Wissenschaft, Archive?
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Man kann und darf der Urheberrechts-Novelle aus dem österreichischen Justizministerium vorwerfen, dass alles darin ungenügend ist. Die Anliegen von Bildung und Wissenschaft aber finden sich in der vorgeschlagenen Novelle wieder. Dennoch bleibt sie weit hinter den Notwendigkeiten zurück.
Das zeigt sich am vorgeschlagenen Zweitveröffentlichungsrecht für wissenschaftliche Beiträge. Deutschland hat im Jahr 2013 eine Regelung dazu eingeführt. Heinz Pampel hat in diesem Medium dazu ausführlich Stellung bezogen und die Kritik der wissenschaftlichen Gemeinschaft zusammengefasst.
Wie auch beim vorgesehenen Leistungsschutzrecht für Presseverleger lehnt sich der österreichische Entwurf stark an die deutsche Regelung an und übernimmt einzelne Teile daraus wortwörtlich. Was also zur deutschen Regelung an Kritik zu üben ist, muss entsprechend auch dem österreichischen Regelungsvorschlag vorgehalten werden.
Zweitveröffentlichung unter vielen Einschränkungen
Auch in Österreich sind vom Entwurf zum Zweitveröffentlichungsrecht für Wissenschaftler nur Werke betroffen, die „in einer periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung“ erschienen sind. Die Frist zur Zweitveröffentlichung beträgt ebenso für alle Disziplinen zwölf Monate. Wissenschaftler dürfen auch in Österreich nur die „akzeptierte Manuskriptversion“ ihres Artikels veröffentlichen.
Dabei war in Deutschland dem Gesetzgeber im Vorfeld eigentlich hinlänglich nahegebracht worden, dass die mathematisch-naturwissenschaftlichen, technischen und medizinischen Disziplinen weitaus kurzlebiger sind als andere Fächer. Sie müssen ihre Ergebnisse schneller kommunizieren und verbreiten, so dass eine Embargofrist von höchstens sechs Monaten sinnvoll und zweckmäßig gewesen wäre.
Zudem findet Wissenschaftskommunikation keineswegs nur mehr über Beiträge statt, die einer „periodisch mindestens zweimal jährlich erscheinenden Sammlung“ erscheinen. Wichtig sind besonders auch Jahrbücher, Aufsatzsammlungen und Konferenzbände, die allesamt nicht periodisch angelegt sind. Für einen großen Anteil der wissenschaftlichen Publikationen greift die Regelung also gar nicht.
Für die Referenzierung, also für das Zitieren und die Sichtbarkeit in der Fachwelt, ist auch die „akzeptierte Manuskriptversion“ nicht so relevant. Wichtiger ist die tatsächlich publizierte Verlagsfassung: Manuskripten fehlen die Seitenzahlen, die gerade in den Sozial- und Geisteswissenschaften zur Zitationskultur gehören. Darüber hinaus können kleine, redaktionell bedingte Abweichungen vom Manuskript in der Verlagsfassung auftreten. Für die Relevanz einer Publikation ist zudem der erste Publikationsort entscheidend – erst durch die Verlagsfassung wird er eindeutig gekennzeichnet und zitierbar. Diese Kritik war und ist auch in Österreich bekannt und immer wieder vorgebracht worden, jedoch offensichtlich ohne Erfolg.
Ein Recht nur für manche Forscher – und für andere als in Deutschland
An einem anderen Punkt unterscheidet sich die geplante Regelung dagegen von dem, was in Deutschland gilt und in der Wissenschaft bereits kritisiert wurde: Drittmittel- und außeruniversitäre Forscher dürfen in Deutschland zweitveröffentlichen, während die Forscher an grundfinanzierten Hochschulen und Universitäten außen vor bleiben sollen.
Während von der deutschen Regelung alle Angehörigen und wissenschaftlichen Angestellten von Einrichtungen begünstigt werden, die einer „mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschungstätigkeit“ nachgehen, geht der österreichische Regelungsentwurf genau umgekehrt vor.
Die in Österreich geplante Regel privilegiert laut Paragraf 37a der Urheberrechtsnovelle allein Angehörige „des wissenschaftlichen Personals einer mindestens zur Hälfte mit öffentlichen Mitteln finanzierten Forschungseinrichtung“. Ausgeschlossen werden somit die außeruniversitäre Forschungstätigkeit und wissenschaftliche Urheber, die mittels Werkvertrag oder sonst als freie Mitarbeiter an einem Forschungsprojekt tätig sind. Sie dürften nicht zum „wissenschaftlichen Personal“ gehören. Da staunt der Laie und der Fachmann wundert sich.
Digitalkopien jetzt gleichgestellt
Erstaunlich begrüßenswert ist dagegen die neue Vorgabe zum Kopienversand auf Bestellung. Die 2008 in Deutschland eingeführte Regel für den elektronischen Versand bei digitalen Kopien hat seitdem zu viel Verdruss geführt. So dürfen die Texte nur als Grafik verschickt werden, nur dann, wenn kein Verlagsdienst dem entgegensteht und unter weiteren Einschränkungen.
Der österreichische Regelungsvorschlag im neuen Paragraf 42a Absatz 2 dagegen unterscheidet nicht zwischen physischen und digitalen Kopien: „Der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtungen, die Werkstücke sammeln, dürfen auf Bestellung unentgeltlich oder gegen ein die Kosten nicht übersteigendes Entgelt Vervielfältigungsstücke auf beliebigen Trägern zum eigenen Schulgebrauch oder zum eigenen oder privaten Gebrauch für Zwecke der Forschung herstellen.“ Der Kopienversand in und aus Österreich bleibt also frei von unsinnigen Restriktionen.
Gute Nachrichten für Lernplattformen und Archivkopie
Ebenfalls offen und freundlich soll die Regelung für elektronische, passwortgeschützte Lernplattformen gestaltet werden. Sie findet sich in Paragraf 42g der Novelle. Hier gibt es nur die vernünftige Einschränkung, keine für den Lehr- und Unterrichtsgebrauch bestimmten Werke auf solche Plattformen einzustellen. Alle anderen veröffentlichten Werke können ohne weitere Einschränkung den Lernenden im Intranet zur Verfügung gestellt werden.
Auch Archive, Bibliotheken und Mediatheken gewinnen mit der Urheberrechtsnovelle etwas mehr Handlungsfreiheit. Sie sollen das Recht erhalten, von vorhandenen physischen Werken eine digitale Kopie anzufertigen und diese wie das Original auszustellen, vorzuführen und zu verleihen, so Paragraf 42 Absatz 7 der Novelle. Damit wurde die bestehende Regelung mit Blick auf digitale Archive ausgeweitet.
Alles in allem: Wenn im Zuge des Begutachtungsverfahrens die Schwächen des Zweitveröffentlichungsrechts behoben werden, ist die österreichische Wissenschaftsgemeinschaft deutlich besser gestelt, auch im Vergleich zu Deutschland. Ein Beispiel, das auch auf anderen Gebieten des Urheberrechts Schule machen kann.
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