Oberlandesgericht Hamburg: Ein Urteil gegen Online-Archive
Wenn man ein Urteil bei Google aus der Suche nehmen sollte, dann ist es das jüngste Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 7. Juli 2015 zum Komplex der Online-Archivierung (Aktenzeichen 7 U 29/12). Dies lässt sich deshalb so forsch fordern, weil es auf zumindest aktuell falschen technischen Grundannahmen beruht, deshalb einen im engeren Sinn nicht erfüllbaren Tenor aufweist – und die Abwägung des Gerichts damit fehlerhaft war.
Seit vielen Jahren bemühen sich von Presseberichterstattung Betroffene, für sie ungünstige Altbeiträge aus den Onlinearchiven der Verlage geändert zu bekommen oder vollständig zu tilgen. In den meisten Fällen ist das aus Sicht der Betroffenen auch durchaus nachvollziehbar, sind die gängigen Suchmaschinen doch in der Lage, bei einer Namenssuche durch den potenziellen Arbeitgeber, Vermieter, Geschäftspartner oder Nachbarn einen inkriminierenden Beitrag prompt und prominent aus den Tiefen des Netzes zu holen.
Die Rechtsprechung hierzu darf seit den sogenannten Sedlmayr-Fällen 2009 durchaus als gefestigt angesehen werden. Nachdem sie aus der Haft entlassen worden waren, versuchten die wegen Mordes am Volksschauspieler Walter Sedlmayer verurteilten Täter, ihre Namen und Bilder aus Onlinearchiven zu tilgen. Der Bundesgerichtshof entschied dazu: Beiträge, die bei ihrer Erstveröffentlichung grundsätzlich zulässig waren, dürfen auch online abrufbar archiviert werden, sofern die Betagtheit des Beitrags erkennbar ist.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht Beschwerden dazu nicht annahm, haben die beiden Kläger Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingelegt. Das Verfahren wartet seitdem in Straßburg auf eine Entscheidung. Ähnlich gelagerte Fälle aus Großbritannien und Polen lassen die Vermutung zu, dass der Gerichtshof die Bedeutung einer lückenlosen Dokumentation des Zeitgeschehens ähnlich sehen wird wie der Bundesgerichtshof.
Google-Spain-Urteil und Apollonia-Verfahren
Nun gibt es zwei weitere Verfahren höchster Gerichte, die Bewegung in die Diskussion gebracht haben und wohl noch bringen werden: Das Urteil des Europäischen Gerichtshof im Fall „Google Spain“ und das „Apollonia“-Verfahren am Bundesverfassungsgericht. Wobei „Bewegung“ im ersten Fall reichlich untertrieben ist. Das Urteil des Gerichtshofs vom Mai 2014 zum – fälschlicherweise so genannten – „Recht auf Vergessenwerden“ hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Es ist auch nach über einem Jahr immer noch Gegenstand vieler Diskussionen und hat weitreichende Folgen nach sich gezogen.
Der Europäische Gerichtshof sah dabei im informationsaggregierenden Algorithmus einer Suchmaschine eine Verarbeitung personenbezogener Daten und hatte Google deshalb nach europäischem Datenschutzrecht aufgegeben, die Anzeige von bestimmten Suchergebnissen bei einer Suche mit dem personenbezogenen Datum „Name“ zu unterlassen, sofern nicht die Umstände – ausnahmsweise – dies doch zuließen. Hat sich der Europäische Gerichtshof damit insbesondere im Hinblick auf seine Abwägungsdetails auch viel Kritik zugezogen, so kann man unabhängig davon festhalten, dass er von Google verlangt hat, technische Maßnahmen an der Suche zu ergreifen, um personenbezogene Daten zu schützen.
Kurz zuvor hatte auch das Bundesverfassungsgericht erstmals eine Verfassungsbeschwerde zu Online-Archiven angenommen. Das Apollonia-Verfahren ist nach dem Ort eines Kapitalverbrechens benannt, einem Segelschiff. Auch hier begehrte der resozialisierte Täter vom Betreiber des Online-Archivs, die frühere, seinen Namen enthaltende Gerichtsberichterstattung zu anonymisieren.
Verfassungsgericht holt Expertise ein, Oberlandesgericht nicht
Mit Frist bis Ende April 2014 hatte das Verfassungsgericht zahlreiche Institutionen und auch Google sowie den Betreiber des Archivs um die Beantwortung folgender Frage ersucht:
Inwieweit und auf welchen Wegen ist es Internetportalen wie dem […]-Online-Archiv möglich, Einfluss auf die von Suchmaschinen aufgefundenen und ausgeworfenen Ergebnisse zu nehmen und auf welche Weise und mit welchem Aufwand kann nachträglich die Erreichbarkeit personenbezogener Daten erschwert oder – im Online-Zugriff – verhindert werden?
Das Verfassungsgericht hat also mit dem Europäischen Gerichtshof angenommen, dass ein technischer Lösungsansatz möglich sein könnte, wo es um das Spannungsfeld zwischen den Persönlichkeitsrechten von Betroffenen einer Berichterstattung einerseits, den Kommunikationsrechten der Betreiber von Online-Archiven andererseits geht. Das Gericht wusste es aber nicht genau und fragte daher nach.
Das Oberlandesgericht Hamburg wusste es offenbar auch nicht. Doch es fragte weder nach noch regte es einen Vortrag der Prozessparteien an. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil der Kläger insoweit viel mehr beantragt hatte. Er wollte dem Archiv verbieten lassen, ihn identifizierende Beiträge „über das Internet zugänglich zu machen, wenn Suchmaschinen wie Google darauf zugreifen können“. Das Oberlandesgericht entschied jedoch, dass das Online-Archiv es zu unterlassen habe,
die den Namen des Klägers enthaltenden Beiträge „[…]“ auf dem Internetauftritt der Beklagten in der Weise zum Abruf bereitzuhalten, dass diese Beiträge durch Eingabe des Namens des Klägers in Internet-Suchmaschinen von diesen aufgefunden und in den Ergebnislisten ausgewiesen werden.“ (Hervorhebungen durch den Autor)
In den Urteilsgründen wird dann klargestellt, dass dies nicht einfach nur unglücklich formuliert, sondern genau so gemeint ist, wenn es heißt:
Soweit berechtigte Interessen der Allgemeinheit oder einzelner Angehöriger der Allgemeinheit daran bestehen, über ältere Presseartikel vergangene Geschehen zu recherchieren, erfordert dieses Interesse es nicht, dass die betreffenden Beiträge, sofern sie zum steten Abruf über das Internet bereitstehen, ohne jeden Aufwand dadurch zugänglich sind, dass sie durch bloße Eingabe des Namens der von der Berichterstattung betroffenen Person aufgerufen werden können; denn die interessierten Kreise, die sich mit einem vergangenen Geschehen beschäftigen wollen, kommen auch in der Weise an die gesuchten Fundstelle [sic], dass sie vorgangsbezogene Suchwörter in eine Internet-Suchmaschine eingeben oder, wenn ihnen die zeitliche Einordnung des zu recherchierenden Geschehens bekannt ist, die betreffenden Jahrgänge im Internet archivierter Zeitschriften durchgehen.
Das Oberlandesgericht meint also, der Betreiber des Archivs solle genau das tun, was der Europäische Gerichtshof von Google verlangt hat: eine Entfernung des Links bei einer Namenssuche über Suchmaschinen. Doch genau das ist technisch für einen Betreiber eines Online-Archivs schlicht nicht zu leisten.
Website-Betreiber kann Namenssuche nicht steuern – bislang
Der Europäische Gerichtshof konnte Google ohne Probleme dazu verdonnern, dafür zu sorgen, dass bei einer bestimmten Namenssuche – und eben nur bei dieser konkreten Namenssuche – ein Suchergebnis zu einen archivierten Beitrag nicht angezeigt wird. Google kann das technisch leicht umsetzen. Dem Betreiber einer Website ist es technisch aber gar nicht möglich, eine solche automatisierte Folge bei den Suchmaschinen auszulösen.
Welche Möglichkeiten hat der Betreiber eines Online-Archivs? Suchmaschinen schicken ihre Suchroboter durchs Netz, die die Seiten durchforsten und Informationen zur Indexierung und Gewichtung der Inhalte an die Suchmaschinen schicken. Dabei kann ein Seitenbetreiber den Suchrobotern diverse Vorgaben machen, im Wesentlichen mit zwei Techniken:
- Durch die Steuerungsdatei robots.txt, mit der sich auf Serverebene Vorgaben für das Durchsuchen und Indexieren der gesamten Webseite machen lassen. Beispielsweise „Diese Seite gar nicht durchsuchen“ – und damit auch nicht anzeigen – oder: „Keine PDFs dieser Seite durchsuchen“.
- Durch sogenannte Meta-Tags für einzelne Unterseiten, also im Zusammenhang mit einer konkreten Webadresse (URL). Hier gibt es klassisch vier Befehle: „noindex“ (Seite gar nicht anzeigen), „nofollow“ (keine Links auslesen), „nosnippet“ (nur Überschriften anzeigen) und „noarchive“ (keine Speicherung im Google-Cache).
Einen Befehl, der Suchmaschinen anweist, eine URL nur bei der Suche nach einem bestimmten Namen nicht auszuspielen, gibt es jedoch nicht. Man könnte einen solchen Befehl als Meta-Tag einführen. Dafür müssten sich die Suchmaschinen aber darauf verständigen, dies zum Standard für die Suchroboter zu machen. Technisch wäre das kein Problem, doch es existiert eben noch nicht.
Diese Variante könnte womöglich eine gute Lösung für den Bereich redaktioneller Angebote darstellen, die im Datenschutzrecht eine privilegierte Stellung haben. Der Konflikt zwischen Persönlichkeitsrechten und der Informations- und Meinungsfreiheit würde abwägungsoffen in das Verhältnis zurückgebracht, in das es gehört: zwischen Betroffenem und redaktionellem Angebot, nicht zwischen Betroffenem und Suchmaschine. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Wenn die Suchmaschinenbetreiber hier nicht aktiv werden, könnte eine gesetzliche Vorgabe zum Beispiel im Rahmen der Datenschutzgrundverordnung helfen.
Archive können das Urteil nur übererfüllen
Will der beklagte Betreiber des Archivs dem Urteil des Oberlandesgerichts Folge leisten, kann er dies derzeit jedoch nur, wenn er über das hinausgeht, was im Urteil verlangt wird. Er muss den Beitrag komplett aus den Suchmaschinen herausnehmen – anders sind die Vorgaben des Urteils nicht zu erfüllen. Das Oberlandesgericht dagegen glaubt, dass Nutzer „auch in der Weise an die gesuchten Fundstelle kommen, dass sie vorgangsbezogene Suchwörter in eine Internet-Suchmaschine eingeben“. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Auch bei vorgangsbezogenen Suchwörtern würde der Link zum Beitrag nicht angezeigt.
Bei dieser Frage handelt es sich nicht um technisches Detail: Da das gesamte Urteil auf einer falschen technischen Annahme basiert, geht auch die vom Oberlandesgericht vorgenommene Abwägung zwangsweise ins Leere. Anders als das Gericht annimmt, besteht der Eingriff in die Kommunikationsrechte des Betreibers des Online-Archivs nicht nur darin, dass Links bei einer Namenssuche entfallen. Der Eingriff besteht letztlich vielmehr in der Herstellung einer faktischen Unsichtbarkeit des Beitrags im Internet insgesamt. Wer in den Suchmaschinen nicht gefunden wird, existiert im Internet praktisch nicht.
Ein solcher Eingriff ist dramatisch größer als derjenige, nur bei einer Namenssuche nicht gefunden zu werden, bei allen anderen thematischen Suchen aber schon. Damit hat der Kläger beim Oberlandesgericht Hamburg praktisch doch das bekommen, was er wollte, beim Bundesgerichtshof aber nicht bekommen hätte. Denn der Bundesgerichtshof führt zu dieser Frage im Apollonia-Verfahren aus:
Etwas anderes ergibt sich auch nicht – wie das Berufungsgericht meint – aus den technischen Nutzungsmöglichkeiten des Internets und den dort kostenlos verfügbaren und „hoch effizient arbeitenden Suchmaschinen“. Die technischen Möglichkeiten des Internets rechtfertigen es nicht, die Zugriffsmöglichkeiten auf Originalberichte über besondere zeitgeschichtliche Ereignisse nur auf solche Personen zu beschränken, die Zugang zu Print-Archiven haben oder diesen suchen.
Obwohl die Revision zugelassen wurde, hat der Archivbetreiber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, das Urteil ist mittlerweile leider rechtskräftig. Es wäre auch sonst noch einiges über das Urteil, seine Vollstreckbarkeit und die allgemeine Haltung des Oberlandesgerichts Hamburg in Online-Archivfällen zu sagen; dies soll aber anderen vorbehalten bleiben. Die komplett falsche Grundannahme des Urteils darzustellen, war die einzige Absicht dieses Beitrags.
5 Kommentare
1 Karsten am 31. August, 2015 um 10:32
Theoretisch könnten Archivbetreiber sich jetzt anpassen, indem sie ihre Archive duplizieren, im Duplikat alle problematischen Eigennamen löschen, und nur dieses Duplikat für externe und eigene Suchmaschinen zugänglich machen. Erst beim Aufruf eines einzelnen archivierten Artikels wird dann auf das “echte” Archiv zugegriffen. So bleibt eine vorgangsbezogene Recherche in vollem Umfang möglich.
2 Arno Lampmann am 31. August, 2015 um 17:00
Dass der Justiziar des SPIEGEL das Urteil (wir hatten hier darüber berichtet: http://www.lhr-law.de/…/olg-hamburg-recht-auf-vergessenwerd…) für falsch hält, verwundert nicht.
Dass dieser aber Grundlagen der ZPO und des Systems der Unterlassungsansprüche fehlerhaft darstellt, ist jedoch bemerkenswert und erklärt die Art und Weise so mancher dortiger Berichterstattung.
1. Ein Gericht hat den von den Parteien gelieferten Tatsachenstoff rechtlich zu beurteilen und keine “Expertisen” einzuholen.
2. Ein Unterlassungsanspruch führt im Erfolgsfall zu einem Tenor, der dem Schuldner – wie der Name schon sagt – vorschreibt, dass zB eine Rechtsverletzung nicht mehr vorkommen darf, somit unterlassen werden muss. Wie, das ist dem Schuldner überlassen.
Wer aufgrund eines Unterlassungstitels seiner Auffassung nach “überobligatorisch” handeln muss (übrigens ein häufig gehörter Einwand), entlarvt ein zweifelhaftes Rechtsverständnis und sollte seine Arbeitsweise und den Umgang mit Betroffenenrechten grundsätzlich überdenken, anstatt die betreffende Gerichtsentscheidung zu kritisieren.
3 Jan Siegel am 31. August, 2015 um 18:56
§ 139 ZPO, der leider nicht immer ausreichend gelebt wird, lässt Rückfragen durch das Gericht nicht nur ausdrücklich zu, sondern verlangt diese sogar, wenn es ihm erforderlich erscheint. Auf einem Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat oder den das Gericht anders beurteilt, seine Entscheidung aber darauf stützen will, muss es sogar zwingend hinweisen und Gelegenheit zur Äußerung geben. Niemand soll überrascht werden. Da der Tenor nicht den Anträgen – auch nicht dem modifizierten – entspricht und die gesamte Abwägung mithin falsch ist, das Urteil also darauf beruht, hätte das Gericht hierauf und mithin auf sein geschildertes relevantes technisches Verständnis durchaus hinweisen können, m.E. sogar müssen.
Ein Unterlassungstenor muss wie jeder Tenor nicht nur so bestimmt sein, dass er vollstreckbar ist, er muss dies natürlich auch faktisch sein können. Niemand kann zur einer Leistung verpflichtet werden, der nicht erfüllbar ist – wer z.B. kein Eigentum an einer Sache hat, kann auch nicht verpflichtet werden, diese zu übereignen. Und der Umfang des Tenors ergibt sich in Zweifelsfällen dann durch Auslegung der Gründe, was vorliegend dazu führt, dass nur zu einer Verpflichtung zur Löschung bei Namenssuche verurteilt wurde. Dies ist jedoch nicht zu leisten. Dies haben Sie in Ihrer Urteilsbesprechung vom 17. August leider auch falsch dargestellt, wenn Sie ausführen, dass das OLG die Umsetzung zwar offen gelassen habe, hier aber natürlich der Zusatz bestimmter Metatags in Frage kämen. Das stimmt nun eben gerade nicht, genau das ist der Knackpunkt. Und, soviel sei noch ergänzt, auch Ihr zweiter Vorschlag, die personenbezogenen Daten einfach aus dem Beitrag zu entfernen, ist unabhängig vom Eingriff in die Integrität eines Archivs oftmals wirkungslos. Die Algorithmen der Suchmaschinen sind viel zu gut, als dass dies automatisch dazu führt, dass ein Beitrag nicht gelistet wird. Dem Schuldner kann hier also leider nichts Machbares “überlassen” werden, er muss “überobligatorisch” handeln, wenn er sicher sein will, dass kein Zwangsmittel beantragt wird.
4 Arno Lampmann am 1. September, 2015 um 21:20
Sehr geehrter Herr Siegel,
erst einmal vielen Dank, dass Sie sich hier – neben Ihrer sicherlich zeitintensiven Tätigkeit als Justiziar des SPIEGEL einer Diskussion stellen.
1.
Es bleibt dabei: Im Zivilprozess herrscht der Beibringungsgrundsatz. Die Parteien bestimmen den Streitgegenstand. Mit dem von Ihnen sogar für zwingend gehaltenen Verhalten hätte sich das Gericht dem Vorwurf der Befangenheit ausgesetzt. Das Gericht darf die Parteien nicht – schon gar nicht einseitig – zu ihrem “Glück zwingen”. Vielleicht wollte die dortige Beklagte sich gar nicht mit angeblichen (und ohnehin fragwürdigen) Unmöglichkeit einer technischen Umsetzung verteidigen. Wer weiß das schon? Sie hat ja schließlich auch die zugelassene Revision nicht eingelegt.
Die Behauptung, dass das OLG ein aliud tenoriert hätte, trifft nicht zu. Selbstverständlich ist in dem Begehren, es zu unterlassen, den (“Archiv”)-Beitrag im Internet öffentlich zugänglich zu machen, als wesensgleiches Minus auch enthalten, damit wenigstens bei Google nicht mehr gefunden zu werden. Dies jedenfalls dann, wenn – wie hier – die Begründung das zum Streitgegenstand gemacht hat.
2.
Auch Ihre Annahme, dass das Gericht den Beklagten mit einer Unterlassungsverpflichtung zu etwas Unmöglichem verurteilt hätte, ist nicht richtig. Eine Unterlassung ist, anders als eine Handlung, die vertretbar oder unvertretbar sein kann, bis auf krasse Ausnahmen, nie unmöglich. Man muss ja nur etwas unterlassen. Sie lesen den Tenor – fälschlicherweise – als Handlungsverpflichtung. Deswegen passt auch Ihr Beispiel der Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung nicht.
Die in unserer Urteilsbesprechung laienhaft angedachten von Ihnen kritisierten Lösungsmöglichkeiten mögen nicht in Betracht kommen, das ist aber, wie gesagt, unerheblich. Es ist schlicht Sache des Schuldners als Verursacher der Rechtsverletzung, wie er das Unterlassungsgebot verwirklicht. Im schlimmsten Fall muss er sein Verhalten (in Ihrem Fall die Art und Weise der Online-“Archivierung”, wobei sich bereits die Frage stellt, ob die nachhaltige öffentliche und unbeschränkte Zuganglichmachung von Presseartikeln im Internet mit dem althergebrachten Begriff es “Archivs” nicht sowieso irreführend bezeichnet ist) grundlegend überdenken. Zur Lösung des Problems mag er IT-Spezialisten zu Rate ziehen, oder die Politik zu Gesetzesänderungen bewegen, der Senat des Hanseatischen Oberlandesgericht ist dazu jedoch weder in der Lage, noch verpflichtet.
Mit freundlichen Grüßen
Arno Lampmann
5 Jan Siegel am 15. September, 2015 um 15:21
@Karsten:
Die Idee scheint auf den ersten Blick ganz charmant und pfiffig, scheitert aber wie so vieles am beeindruckenden Algorithmus der Suchmaschinen. Diesen ist es oft völlig egal, ob ein Beitrag den Namen des Betroffenen enthält oder nicht, sie verknüpft den beschriebenen Sachverhalt trotzdem mit dem betreffenden Namen, weil sie weiß, dass diese zusammengehören. Dann würde auch bei einem duplizierten Archiv ohne Eigennamen der Link zum bearbeiteten Beitrag trotzdem angezeigt werden und beim Klicken auf den Link zum unveränderten Archiv ist man dann wieder beim Originalbeitrag mit Namen.
Verhindern könnte man das nur, wenn man anfinge, sich ranzutasten, indem man nach und nach alle identifizierenden Merkmale löscht und dazu dann noch Google bittet, auch deren Cache löschen. Dann müsste man schauen, ob der Beitrag noch angezeigt wird, was auch aufwändig sein kann, wenn er erst weit unten auf der Suchergebnisliste erscheint. Irgendwann erscheint er dann womöglich nicht mehr.
Es wäre dies ein Try and Error-Spiel ohne jede Sicherheit, dass es funktioniert. Der die Pressefreiheit mittelbar auch beeinträchtigende enorme Aufwand, all dies umzusetzen, bleibt dabei noch gänzlich unberücksichtigt.
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