Karl-Nikolaus Peifer: Urheber sind heute weniger von institutionellen Verwertern abhängig
iRights.info: Herr Peifer, die Bundesregierung plant Reformen am Urhebervertragsrecht. Erklärtes Ziel ist es, Urheber besser vor Total-Buy-out-Verträgen zu schützen, also vor der Übertragung sämtlicher Verwertungsrechte an Verwerter. Wie beurteilen Sie die Vorschläge?
Karl-Nikolaus Peifer: Der Entwurf zielt darauf ab, Total Buy-out-Verträge zu erschweren, aber er verhindert sie nicht. Ich glaube, er will sie auch nicht verhindern, und man muss sie vielleicht gar nicht verhindern. Denn es gibt Branchen, die nicht anders arbeiten können als mit solchen Verträgen, weil dort kaum Geld verdient wird.
iRights.info: Welche Branchen meinen Sie?
Karl-Nikolaus Peifer: Zum Beispiel die Veröffentlichung und der Druck von Dissertationen. Damit verdienen Verlage praktisch kein Geld, weil diese Dissertationen in sehr geringen Zahlen gekauft werden. Wenn es den Verlagen dabei nur um das Geschäft ginge, würden sie es auch nicht machen. Wenn sie aber Druck und Vertrieb übernehmen, wollen sie den Aufwand für Vergütungen und Verwertungen gering halten und dafür eine pauschale Rechteeinräumung erhalten, wofür sie letztlich gar keine oder nur eine ganz kleine Vergütung zahlen.
iRights.info: Wie genau sollen Total-Buy-out-Verträge erschwert werden?
Karl-Nikolaus Peifer: Hier geht der Entwurf auf drei Ebenen vor: Erstens soll es ein Rückrufsrecht geben, sodass Urheber aus einem Vertrag mit einem Verwerter zurücktreten können. Zweitens sind jährliche Auskunftspflichten festgelegt. Das heißt, Verwerter müssen transparenter arbeiten und den Urhebern, mit denen sie Verträge haben, über die sie betreffenden Geschäftstätigkeiten und Verwertungen berichten. Das wäre bei Total-Buy-out-Verträgen sehr aufwändig. Drittens soll die Pflicht zur Mehrfachvergütung für unterschiedliche Nutzungen des Werkes im Gesetz stehen. Das meint vor allem, dass die Vergütung des Urhebers in der Regel nur dann wirklich angemessen ist, wenn er bei Mehrfachnutzung desselben Werkes jeweils gesonderte Vergütungen erhält.
Mit dieser Änderung entstünde gewissermaßen ein klareres Leitbild des Urhebervertragsrechts, das die gesonderte Vergütung jeder einzelnen Verwertung als neuen Standard setzt. Zwar können ausgehandelte Vergütungsregelungen davon abweichen, doch der gesetzliche Standard wäre für Urheber besser und er würde Total-Buy-out-Verträge deutlich erschweren.
Umkämpftes Ruckrufrecht
iRights.info: Geplant ist auch, dass Urheber ihre Verwertungsrechte zurückrufen dürfen. Die Verlegerverbände haben das bereits scharf kritisiert. Warum ist diese Neureglung so heiß umkämpft?
Karl-Nikolaus Peifer: Bisher erhalten Verlage das Nutzungsrecht für ein Werk für die gesamte Dauer seiner Laufzeit, derzeit bis 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Das ist schon sehr umfangreich. Wenn nun nach fünf Jahren ein Rückruf möglich wäre, bedeutet das eine gewaltige Reduzierung des Standards, und aus Sicht der Verleger wirkt das gewiss wie eine drastische Verschlechterung.
Der entscheidende Punkt scheint mir aber zu sein, dass sie befürchten, erfolgreiche Werke würden ihnen von kapitalkräftigen Verwertern nach fünf Jahren aus dem Vertrag heraus gekauft werden. Und dies würde das Rückrufrecht tatsächlich erleichtern.
Die Frage ist aber, ob es für den Urheber womöglich Gründe gibt, die Beziehung zum Verwerter schon fünf Jahre nach Vertragsschluss aufzulösen. Wenn die Beziehung intakt war und wenn der Urheber sich bei seinem Verwerter wohl fühlt, wird er dann nur nach dem Geld schauen und dann zu einem Großverwerter gehen? Vermutlich nicht. Und wohlgemerkt: die Initiative für den Rückruf liegt beim Urheber. Ein neuer Verwerter kann ihn nicht erzwingen, er kann den Urheber nur locken. Doch wenn dieser sich beim bisherigen Verwerter wohl fühlt – und dafür kann dieser Verwerter ja sorgen – dann wird er auch bei ihm bleiben.
iRights.info: Gibt es nicht Branchen, in denen sich Werke erst über lange Zeiträume amortisieren – und fünf Jahre wären zu kurz?
Karl-Nikolaus Peifer: Die Auswertungsdauer ist sicherlich branchentypisch verschieden. Denken wir mal an Presseartikel, da ist die Aktualität des Werkes sehr viel wichtiger als die Archivnutzung. Sie findet dort statt, ist aber vermutlich kein riesiges Geschäftsmodell, das durch das Rückrufsrecht erheblich angegriffen würde.
Im Buchgeschäft hingegen zeigt sich, dass die Titel recht schnell makuliert, also aus dem Programm genommen und als Restware abgegeben werden. Sie landen dann in modernen Antiquariaten, die es mittlerweile überall gibt. Es scheint also speziell für die Buchverleger lästig zu sein, große Lagerbestände zu horten. Das deutet darauf hin, dass innerhalb der ersten fünf Jahre auch die Investitionen in ein Werk amortisiert werden und der Abverkauf erfolgt. Wenn das so ist, würde den Verlagen das Rückrufrecht nicht wehtun.
In anderen Branchen stellen sich diese fünf Jahre ganz anders dar. Im Filmgeschäft, sicherlich eine ganz besondere Branche, spielen sehr lange Auswertungszyklen über viele Vertriebskanäle und -stationen hinweg eine große Rolle. Nun sieht der Referentenentwurf aber vor, dass man vom Standard abweichen kann, etwa durch kollektive Regelungen, weil man mit den fünf Jahren womöglich nicht auskommt und etwas anderes benötigt.
iRights.info: Im Gegensatz zum geplanten „Rückrufrecht“ enthält der von Ihnen mitverfasste „Kölner Entwurf“ zum Urhebervertragsrecht ein „Rückfallrecht“. Worin unterscheiden sich beide Vorschläge?
Karl-Nikolaus Peifer: Unser Rückfallrecht greift erst nach zehn Jahren, zudem kann der Verwerter zwei Jahre vor der Wirkung dieses Rückfalls mit dem Urheber über eine Verlängerung in Verhandlungen treten. So ließe sich ein gutes Verhältnis zwischen Verwerter und Urheber erhalten, um zu erörtern, ob dieses Werk für den Verwerter noch attraktiv genug ist, oder ob es jemand anders nutzen kann.
Wir hatten auch ein Rückrufrecht vorgesehen, wenn ein Nutzungsrecht überhaupt nicht ausgeübt wurde. Dann sollte der Urheber die Chance haben, dem Verwerter anzukündigen: Du tust nichts, bitte bewege Dich mal. Und wenn er dann einen anderen Verwerter findet, sollte er sich aus dieser Beziehung herauslösen können. Aus Sicht der Verwerter scheint das die wesentlich angenehmere Variante.
Uns ging es um jene Fälle, in denen Nutzungsrechte nur auf Vorrat eingekauft werden, ohne dass die Verwerter etwas dafür tun – so etwas kann kein Markterfolg werden. Diese Blockade von Rechten wollten wir verhindern. Der Referentenentwurf geht mit dem Rückrufrecht nach fünf Jahren wesentlich weiter, deshalb wohl die scharfe Kritik.
Verbandsklagerecht und Vergütungsregelungen
iRights.info: Ein weiterer Schlüsselpunkt ist das sogenannte Verbandsklagerecht, mit denen Urheberverbände rechtlich gemeinsam gegenüber Verwertern auftreten könnten. Werden sie damit tatsächlich mehr Vergütung und faire Verträge durchsetzen können?
Karl-Nikolaus Peifer: Das Verbandsklagerecht hat nicht die Funktion, dass Verbände damit generell auf faire Vertragsbedingungen in allen Bereichen dringen können. So wie es im Referentenentwurf ausgestaltet ist, soll es ihnen ermöglichen, gegen die Nichtausübung geltender Vergütungsregeln vorzugehen.
Insbesondere von Journalistenverbänden wissen wir, dass die Vergütungsregeln, die mit dem Zeitungsverlegerverband ausgehandelt wurden, von Verlagen nicht immer eingehalten werden. In diesem Fall soll das Verbandsklagerecht ein Hebel sein, um die Einhaltung bestehender Regeln juristisch zu erstreiten.
Die Frage muss daher lauten, ob das neue Gesetz beiden Parteien genügend gute Anreize bietet, um Vergütungsregeln überhaupt abzuschließen. Die Idee des Referentenentwurfs ist, die gesetzlichen Standards für Verwertungsverträge – die stets dort greifen, wo es noch keine Vergütungsregeln gibt – zugunsten der Urheber zu erhöhen. Damit müssten auch die Verwerter umgehen. Sie müssten prüfen, ob auch diese neuen Standards auf ihre Branche passen. Wenn nicht, sollen sie aber die Chance haben, Vergütungsregeln abzuschließen, die auch unter den Standards des Gesetzes bleiben können, aber möglicherweise für die jeweilige Branche passgenauer sind.
iRights.info: Nehmen wir einmal an, dass sich Verwerter den Vergütungsverhandlungen verweigern. Wie könnten sich die einzelnen Urheber dann dagegen wehren, wenn sie alle Rechte für Dumpinghonorare abgeben sollen?
Karl-Nikolaus Peifer: Nun, es gab und gibt schon immer das Unterlassungsklagegesetz, damit könnte man vorgehen, doch auch das ist für den Einzelnen schwierig. Daher würde ich die Frage erweitern: Würden sich die Urheber denn wirklich wehren? Oder befürchten sie – wenn sie sich nicht gerade als Pulitzer-Preis-verdächtig gelten und somit eine gute Verhandlungsposition hätten – von den Verwertern auf eine schwarze Liste gesetzt zu werden, wenn sie sich zur Wehr setzen? Diesen Punkt vernachlässigt der Referentenentwurf ein bisschen.
Als vor vielen Jahren einige diesbezügliche Prozesse von Journalisten beim Bundesgerichtshof landeten, gab es mal Versuche, dieses Problem über eine sogenannte AGB-Kontrolle zu lösen. Damit wären die Verbände in der Lage gewesen, Standardverträge besser anzugreifen und sie als insgesamt Interessen-widrig untersagen zu lassen. Das hat der Bundesgerichtshof damals zurückgewiesen.
Unser Kölner Entwurf sieht daher vor, dass die Vergütungsstruktur selbst zum Leitbild erhoben wird. Danach muss jede Vergütungsvereinbarung klare Vorgaben beachten, sonst wäre sie über die AGB-Kontrolle angreifbar. Beim jetzigen Referentenentwurf dagegen muss man abwarten, ob er auch für die AGB-Kontrolle genügend ist und die Gerichte überzeugt.
iRights.info: Wie sollen schwarze Listen bei Verwertern denn überhaupt zu verhindern sein?
Karl-Nikolaus Peifer: Wenn man sich ansieht, mit welchen Mitteln das Blacklisting verhindert werden soll, dann findet man zunächst die Verbandsklage beim Nichteinhalten von Vergütungsregelungen – aber sonst nichts. Warum das Justizministerium keine weitergehende Kontrolle vorsehen wollte, geht aus den Begründungen zum Entwurf nicht hervor, ich finde dafür auch keine objektive Erklärung. Es mag sein, dass das Ministerium nach Anhörungen im Vorfeld zum Ergebnis kam, solche Neuregelungen wie Rückrufsrecht, Auskunftspflicht und Beteiligung an Mehrfachwertungen wären so scharf, dass man in Bereichen wie der AGB-Kontrolle etwas großzügiger bleiben kann.
iRights.info: Kritisiert wurde ebenfalls, dass kleinere Berufsverbände beim Verbandsklagerecht außen vor bleiben würden. Wenn Verwerter mit ihnen nicht über Vergütungsregeln verhandeln wollen, könnten sie auch nicht klagen.
Karl-Nikolaus Peifer: Ob ein Verband in der Lage ist, eine Vergütungsvereinbarung zu schließen, wird vom Gesetz nicht beschrieben, also auch nicht per se erschwert. Vielmehr geht es davon aus, dass eine Vereinbarung sehr kleinteilig sein kann, wenn sie sehr kleine Branchen oder bestimmte Branchenbereiche adressiert. Das will das Gesetz sogar: je passgenauer, je branchentypischer die Regelungen, desto besser. Wenn wir also einen kleinen Markt haben, den man klar begrenzen kann, dann mag der kleine Verband, der die Urheber auf diesem Markt vertritt, bereits ausreichend groß sein, um eine Vergütungsregelung kollektiv vereinbaren zu können.
Wenn es dagegen zu keinen Verhandlungen kommen sollte, wäre der neue gesetzliche Standard für den einzelnen Journalisten, Fotografen oder Illustratoren trotzdem besser als vorher. Das heißt, der Anreiz für die Verwerter, auch mit einem kleinen Verband über Vergütungsregelungen zu reden, wäre höher als bisher. Daher sollten die Chancen auf solche Verhandlungen auch für kleinere Verbände steigen, sofern der Referentenentwurf so umgesetzt wird.
Peifer: Transparenzpflicht hilft auch Verwertern
iRights.info: Eine weitere vorgesehen Regelung soll Verwerter verpflichten, Urheber über die tatsächliche Verwertung ihrer Werke zu informieren. Diese Idee erntete ebenfalls scharfe Kritik – zu Recht?
Karl-Nikolaus Peifer: Der Entwurf bezieht sich auf Regelungen, die woanders bereits eingeführt wurden, etwa bei den Verwertungsgesellschaften. Dort gibt es die Pflicht zu regelmäßiger Transparenz. Jeder Verwerter muss sich ohnehin Gedanken darüber machen, mit welchen Urhebern er wie, auf welcher Basis zusammenarbeitet, und diese Zusammenarbeit in Prozesse überführen.
In manchen Branchen ist ein kompliziertes Gebilde von Verträgen hintereinander geschaltet, etwa in der Filmbranche. Dort werden die Nutzungsrechte für ein Werk mittlerweile aufgespaltet in Verwertungsketten von acht, neun, zehn Schritten. Dementsprechend komplex sind die Kontroll- und Abrechnungsprozesse, aber sie werden durchgeführt, damit man das Werk maximal auswerten kann. Je besser man diese Prozesse installiert und steuert, desto besser ist man auch wirtschaftlich aufgestellt.
Das alles bedeutet, es gibt bereits Strukturen für die Auswertung, und diese geschäftlichen Prozesse sollten sich mit den Transparenzpflichten gegenüber den Urhebern verbinden lassen. Sicher, wer die Last hat, das umzusetzen, stöhnt natürlich erst einmal auf, denn es macht Arbeit – leichter wäre es, keinerlei Kontrollen durchführen zu müssen. Aber dass es unmöglich oder gänzlich außergewöhnlich ist, bezweifle ich. Betriebswirtschaftlich gesehen hilft diese Art von Transparenzpflicht nach außen auch der Verbesserung von Abläufen innerhalb der Organisation.
iRights.info: Wie gut stehen Ihrer Meinung nach die Chancen, dass die proklamierten Ziele des ersten Entwurfs auch wirklich umgesetzt werden?
Karl-Nikolaus Peifer: Die Chancen sind höher als noch im Jahr 2001. Zum einen, weil es konkret im Koalitionsvertrag steht, dass eine Verbesserung der vertragsrechtlichen Stellung der Urheber erreicht werden soll. Das ist ein ganz klarer Gesetzgebungsauftrag und er muss auch umgesetzt werden. Doch dafür reicht es nicht, mikroskopische Veränderungen vorzunehmen, sondern es müssen schon deutlich wirksame Regelungen sein, und diese sind im Entwurf klar erkennbar. Die Chancen stehen aber auch aufgrund veränderter Rahmenbedingungen besser.
So hat sich, glaube ich, die Abhängigkeit der Urheber von institutionellen Verwertern vermindert. Wir haben völlig neue Verwertungsstrukturen, wir haben auch völlig neu aufgestellte Verwertungsgesellschaften, gerade im digitalen Zeitalter. Und ob der Urheber, der gelesen, verstanden, gesendet werden möchte, unbedingt noch einen Verwerter aufsucht, wenn er das auch selbst bewirken kann, das mag man auch bezweifeln.
Kopiervergütung: „Die Frage ist, ob die Verwerter tatsächlich zurückzahlen werden“
Für Urheber ist die Möglichkeit, selbstbestimmt über die Verwertung ihrer Inhalte zu entscheiden, viel greifbarer und höher, als sie es noch vor zehn Jahren war. Das müssen die Verwerter im Moment auch vergegenwärtigen, sodass eigentlich die Zeit reif ist, das Verhältnis zu den Urhebern wieder zu verbessern, mit ihnen kooperativer und fairer umzugehen. Denn ohne Urheber wird es auch die Verwerter nicht mehr geben.
iRights.info: Auch der Europäische Gerichtshof hat ein Urteil gefällt, welches ebenfalls das Verhältnis von Urhebern und Verwertern betrifft: Er hat die Verlegerbeteiligung an Kopiervergütungen gekippt. Was halten Sie vom Urteil?
Karl-Nikolaus Peifer: Das ist ja praktisch die spiegelbildliche Seite des Urhebervertragsrechts. In dem Fall geht es darum, dass Verwerter an einem Vergütungsaufkommen beteiligt werden wollen, das nach der gesetzlichen Regelung nur den Urhebern zusteht.
Bisher argumentieren die Verwerter, dass ohne ihren Beitrag die Vergütungsaufkommen gar nicht erst entstehen würden, deswegen sei es fair, sie an diesem Aufkommen zu beteiligen. Das heißt, die Verwerter begehren von den Urhebern eine Art faire Beteiligung an Vergütungen. Das ist spiegelbildlich das, was auch die Urheber von den Verwertern begehren. Die Argumentation ist gleichgerichtet. Der Europäische Gerichtshof hat jetzt recht klar gesagt, dass diese Vergütungserträge den Urhebern zustehen und man sie deswegen nicht per Gesetz aufteilen darf.
iRights.info: Der Urheber Martin Vogel klagt in einem ähnlichen Verfahren gegen die Verwertungsgesellschaft VG Wort. Hätte diese die Verlage erst gar nicht aufnehmen dürfen?
Karl-Nikolaus Peifer: So habe ich ihn bisher nicht verstanden. Es geht ihm beim Vergütungsaufkommen um die Urheberpositionen, und darum, dass die Verwertungsgesellschaft in erster Linie Treuhänder derjenigen ist, deren Rechte sie wahrnimmt. An diesem Argument ist sehr viel dran. Wenn ich von einer Gruppe ein Recht wahrzunehmen habe, muss ich es natürlich so wahrnehmen, dass diese Gruppe möglichst viel davon hat. Was dieses „möglichst viel“ ist, das hat der Europäische Gerichtshof jetzt entschieden – denn er hat gesagt, es sind Beträge, die den Urhebern zustehen.
Dass Verwertungsgesellschaften auch Verwerter aufnehmen, ist durchaus üblich und sinnvoll, weil es ja auch Bereiche gibt, in denen Verwerter eigene Leistungsschutzrechte einbringen. Die VG Wort ist insofern eine Besonderheit, weil der Verleger der einzige ist, der keine Leistungsschutzrechte hat. Ob er nach der Debatte um das Leistungsschutzrecht der Presseverleger noch eins bekommen wird, ist zweifelhaft. Letzteres erweist sich da gerade als ganz fürchterlicher Bumerang.
Allerdings werden Verleger – wie derzeit schon – auch künftig Rechte in Verwertungsgesellschaften außerhalb der Kopiervergütungen einbringen. Deren individuelle Wahrnehmung ist gar nicht möglich, weil viel zu teuer. In einem solchen Fall bringen beide Beteiligte Rechte ein, dann wird man auch wieder über Erlösverteilung sprechen müssen.
iRights.info: Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sagt, das Urteil stelle das gesamte System der Verwertungsgesellschaften infrage, andere Stimmen sehen aufgrund drohender Rückzahlungen die ganze VG Wort gefährdet.
Karl-Nikolaus Peifer: Die VG Wort hat ihre Ausschüttungen in den letzten Jahren unter Vorbehalt vorgenommen, das hat sie den Ausschüttungsberechtigten auch mitgeteilt. Das heißt, wenn sie Beträge zurückfordert, dann wird dieser Vorbehalt wirksam. Und wenn sie das Geld dann wieder erhält, dann ist das keine Implosion, sie kann es an die Urheber ausschütten. Es ist also eher die Frage, ob die Verwerter es tatsächlich zurückzahlen werden.
Der Bundesgerichtshof hat seine Entscheidung im Vogel-Verfahren ausgesetzt, weil er die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs abwarten wollte. Diese ist recht klar ausgefallen, also dürfte der Bundesgerichtshof eine eindeutige Regelanweisung haben. Für die Urheber ist das zunächst einmal eine gute Nachricht.
Dass jetzt eine Atmosphäre der Konfrontation entsteht und Urheber und Verwerter entzweit würden, wie es der Börsenverein des Deutschen Buchhandels formulierte, betrachte ich als ein rhetorisches Herbeireden. Vielmehr sollte es doch ein Anlass sein, wieder aufeinander zuzugehen und an einen Tisch zu kommen. Das würde ich mir zumindest davon versprechen.
2 Kommentare
1 Christoph Gurlitt am 26. November, 2015 um 11:05
Guten Morgen,
hoffentlich steht in dem neuen Gesetz auch die “Formel”:
Urheber*in = Übersetzer*in = Autor*in
in irgendeiner Art …
2 Matthias Ulmer am 3. Dezember, 2015 um 14:19
Die Aussage, dass Verlage kein Problem mit der 5-Jahres-Frist haben, weil Verlage ihre Bestände schnell makulieren (!) und ins moderne Antiquariat geben beweist, was man immer schon vermutet hat: Herr Pfeiffer hat keinen blassen Schimmer, wie Buchhandel und Verlagswesen funktioniert und wie die Realität aussieht. Das hält ihn nicht davon ab, sich als Experte für die Regulierung der Branche zu empfehlen.
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