Neues Urheberrecht: Schlecht für Bildung und Wissenschaft?
Der VZBV hält eine ganze Reihe der nun vorgeschlagenen Regelungen für falsch. So soll der elektronische Dokumentenversand durch Bibliotheken, eine Art digitale Fernleihe, nur noch dann erlaubt sein, wenn die Verlage kein eigenes elektronisches Angebot vorhalten. Dabei spielt es keine Rolle, wie teuer diese privaten Angebote sind. Für einen wissenschaftlichen Aufsatz, der bisher über den so genannten SUBITO-Versand 5 Euro kosten würde, könnte dann leicht ein Mehrfaches fällig werden.
Dem elektronischen Dokumentenversand, in den das Bundesministerium für Bildung und Forschung in den letzten Jahren mehrere Millionen Euro investiert hat, werde damit die Grundlage entzogen, so der VZBV.
Zudem ignoriere der Entwurf die Forderungen vieler Schulen und der Kultusministerkonferenz, für Rechtssicherheit zu sorgen, wenn es um die Nutzung digitaler Werke im Unterricht geht. Im Jahr 2003 hatte die erste Stufe der Reform es ermöglicht, digitale Kopien im Unterricht einzusetzen. Dieses Recht ist bis Ende 2006 befristet, so dass für Schulen unklar ist, ob es etwa künftig illegal sein wird, Inhalte in schulinternen Netzwerken anzubieten. Schulen würden damit von Investitionen in ihre digitale Infrastruktur abgehalten, weil sie diese nach 2006 möglicherweise nicht mehr nutzen können. „Hier wird deutlich, dass ein wesentliches Ziel des Urheberrechts – die Förderung von Wissensaustausch und Innovation – zunehmend untergraben wird“, sagte von Braunmühl.
Recht auf Privatkopie faktisch abgeschafft
Der VZBV kritisiert weiter, dass die geplante Urheberrechtsnovelle das Recht, digitale Kopien zu privaten Zwecken anzufertigen, nahezu vollständig aushöhlt. „Der Käufer einer Musik-CD wird keinen Anspruch haben, die Stücke auch auf seinen MP3 Player zu übertragen, um sie unterwegs zu hören, oder eine Sicherungskopie anzufertigen, um die Musik noch zu hören, wenn die gekaufte CD einen Kratzer hat“, so von Braunmühl.
Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken sollen in Zukunft verboten sein, wenn eine „offensichtlich rechtswidrig öffentlich zugänglich gemachte Vorlage verwendet wurde“. Damit ist vor allem der Download von Werken aus dem Internet gemeint. Die Formulierung könne zu gefährlichen Konsequenzen für den Nutzer führen. Vor dem Download einer Datei müsse der Nutzer in Zukunft prüfen, ob die Datei im Internet legal angeboten wird. Wäre dies „offensichtlich“ nicht der Fall, ist der Download strafbar oder zumindest rechtswidrig. Wie der Nutzer beurteilen soll, welche Angebote „offensichtlich rechtswidrig“ sind, bleibe schleierhaft, so von Braunmühl: „Es findet hier eine Verlagerung der Verantwortlichkeit für die Beachtung von Urheberrechten vom Anbieter zum Nutzer statt, die völlig inakzeptabel ist.“
Bleibt der Gesetzentwurf unverändert, müsse dem Nutzer in Zukunft empfohlen werden, deutlich vorsichtiger mit dem Medium Internet umzugehen. „Ob dies mit den Zielen der Bundesregierung vereinbar ist, die Informations- und Wissensgesellschaft zu fördern und Deutschland zu einem Vorreiter bei der Nutzung des Internet zu machen, darf bezweifelt werden“, sagte von Braunmühl.
Digital Rights Management als Innovationsbremse?
Zusätzlich werde die Möglichkeit private Kopien digitaler Inhalte zu erstellen, durch das so genannte Digital Rights Management (DRM) erheblich eingeschränkt. DRM-Systeme verhindern beispielsweise, dass digitale Inhalte gespeichert oder kopiert werden können. Gleichzeitig markieren sie die Dateien und ermöglichen es so, den Weg jeder einzelnen Datei zu verfolgen. Das Urheberrecht verbietet es, DRM-Systeme auch für private Kopien zu umgehen.
Das Argument von Verlagen und Musikindustrie, DRM solle Raubkopien und Piraterie verhindern, hält der VZBV für vorgeschoben. „Digital Rights Management trifft ausschließlich harmlose Privatnutzer“, glaubt von Braunmühl, denn: „Gewerbliche Raubkopierer wissen genau, wie sich DRM-Systeme ausschalten lassen.“ Durch DRM-Systeme könnte der Zugang vieler zu Informationen und Kultur beschränkt werden. Wenn jedes Mal, wenn jemand Informationen abrufen, ein Musikstück hören oder einen Dokumentarfilm anschauen möchte, Geld verlangt werden könne, ohne dass eine Aufzeichnung gestattet wird, bestehe die Gefahr, dass Informationen, Kulturwerke und Beiträge der Wissenschaft verknappt und verteuert würden. Dies könne nicht im Interesse des Allgemeinwohls liegen.
Zudem könnten DRM-Systeme auch genutzt werden, um das Verhalten der Nutzer am PC oder anderen Endgeräten aufzuzeichnen und zu kontrollieren. Das würde es möglich machen, Nutzerprofile zu erstellen und bedeute einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre.
Datenschutz
In einem parallelen Gesetzentwurf zur Verbesserung der Durchsetzung von Urheberrechten, der ebenfalls in dieser Woche veröffentlicht wurde, plant das Justizministerium, Inhabern von Urheberrechten einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegen Internet-Service-Provider einzuräumen, so dass sie Nutzerdaten herausgeben müssten. Das sei eine unzumutbare Einschränkung des Datenschutzes von Internetnutzern. „Es ist völlig ausreichend, wenn Staatsanwälte im Verdachtsfall die Daten von Beschuldigten ermitteln können. Ein solches Auskunftsrecht muss zumindest unter Richtervorbehalt gestellt werden“, kritisierte von Braunmühl.
Der Entwurf für die zweite Stufe der Reform sollte eigentlich schon vor längerer Zeit vorgestellt werden, hatte sich aber durch die vorgezogenen Neuwahlen verzögert. Für Presse und Öffentlichkeit ist er noch immer nicht verfügbar, wurde aber bereits den Institutionen zugestellt, die an der so genannten kooperativen Gesetzgebung beteiligt sind, also vom Bundesjustizministerium in die Beratungen zum Entwurf einbezogen werden.
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