Neues Recht für neue Zeiten
Teil 1: Privatkopie und Schutz technischer Maßnahmen
Das Urheberrechtsgesetz ist alt, es stammt aus dem Jahr 1965. Klar, dass man damals noch keine Regelungen für die Online-Nutzung von Musik brauchte, dass der digitale Kopienversand nicht geregelt wurde und es auch keine Bestimmungen zu DRM-Systemen gab. All dies sind heute jedoch sehr relevante Themen, deren sich der Gesetzgeber annehmen musste. Hierzu diente zunächst der Erste Korb, eine Gesetzesreform, die 2003 in Kraft getreten war. Der Zweite Korb setzt diese Reform nun fort und behandelt jene Themen, die so umstritten und schwierig sind, dass sie im Ersten Korb aus Zeitgründen nicht mehr berücksichtigt werden konnten.
Der zweite Korb wurde im Juli 2007 vom Bundestag verabschiedet und trat am 1. Januar 2008 in Kraft. Welche Regelungen des Urheberrechts genau geändert wurden und was sich dadurch verändert, wird im Folgenden beschrieben.
Privatkopie und Schutz technischer Maßnahmen
Eines der umstrittensten Themen des neuen Gesetzes ist die Regelung über Kopien zum privaten Gebrauch. Für den alltäglichen Umgang mit geschützten Werken, wie Computerprogrammen, Musikstücken, Filmen, Fernseh- oder Radiosendungen, ist sie von elementarer Bedeutung. Die so genannte „Privatkopieschranke“ erlaubt allerhand Nutzungen für private Zwecke, wie etwa Sendungen aufzuzeichnen, CDs zu brennen, einen Text aus dem Internet herunterzuladen, Beiträge aus Büchern in der Bibliothek zu kopieren und vieles mehr.
Bereits im Ersten Korb wurde viel über die Privatkopieschranke debattiert. Konkret ging es darum, ob diese Regelung für digitale Kopien überhaupt gelten, und wenn ja, ob sie nicht eingeschränkt werden sollte. Besonders die Musikindustrie hatte gefordert, die Privatkopie im digitalen Bereich ganz abzuschaffen, jedenfalls aber erheblich zu begrenzen. Als Grund dafür führte sie an, dass nachweislich immer weniger Tonträger (also mit Musik bespielte CDs und DVDs) verkauft werden. Das sollte, nach Ansicht der Plattenfirmen, daran liegen, dass Tonträger zu privaten Zwecken gebrannt werden dürfen. Eine kopierte CD ist für die Musikindustrie eine nicht verkaufte CD. Dass das nicht unbedingt richtig sein wird, liegt auf der Hand. Klar ist aber auch, dass digitale Kopien – anders als analoge Aufnahmen auf einer Leerkassette – ohne Qualitätsverlust hergestellt werden können. Der Anreiz, geliehene CDs zu brennen, statt sie für viel Geld zu kaufen, ist groß.
Der Gesetzgeber hat sich nach langen Debatten letztlich nicht dafür entschieden, die digitale Privatkopie massiv einzuschränken oder gar abzuschaffen. Denn die Privatkopieregelung bringt den Inhabern von Urheber- und Nutzungsrechten Geld über die so genannte Kopiervergütung. Würde man sie abschaffen, könnten die Verwertungsgesellschaften (wie die GEMA oder die VG WORT) kein Geld mehr aus den Verkäufen von CD-Brennern oder Rohlingen für die Urheber einsammeln. Da trotz eines Verbotes absehbar weiterhin viel kopiert werden würde (denn so ein Verbot wäre kaum zu kontrollieren), gingen die Künstler und Musiker leer aus.
Der Bundestag ist den Rechteinhabern (so nennt man Unternehmen, die geschützte Werke vertreiben, also zum Beispiel Plattenfirmen) jedoch insofern entgegengekommen, als bereits im Ersten Korb ein Schutz technischer Maßnahmen eingeführt wurde. Ist zum Beispiel eine Musik-CD oder Film-DVD kopiergeschützt, darf sie nicht – auch nicht zu rein privaten Zwecken – kopiert werden, wenn hierfür der Kopierschutz umgangen werden muss. DVDs (die nahezu immer kopiergeschützt sind) zu „rippen“ ist daher unzulässig, egal, ob man sich von seinem gekauften Silberling eine Sicherungskopie machen oder den in der Videothek geliehenen Film gern in sein Archiv stellen möchte.
Downloads aus Tauschbörsen werden verboten
Der Bundestag hat im Zweiten Korb eine weitere Beschränkung der Privatkopieregelung beschlossen. Downloads von kommerzieller Musik oder Filmen aus Tauschbörsen sollen verboten werden. Nach bisherigem Recht war es unklar, ob und in welchen Fällen solche Handlungen unzulässig sind.
Das neue Urheberrecht besagt, dass es nicht zulässig ist, eine Privatkopie anzufertigen, wenn die Quelle (also die Datei auf dem Rechner eines anderen Nutzers) „offensichtlich rechtswidrig“ online gestellt wurde. Der Gesetzgeber meint, dass es für jeden klar erkennbar sei, dass kein Privatnutzer das Recht hat, einen neuen Film oder einen Song von Robbie Williams in einer Tauschbörse zum Download anzubieten. Findet man eine, darf man die Datei nicht herunterladen.
Allerdings gibt es in Tauschbörsen auch viele Inhalte, die von den Rechteinhabern selbst, also zum Beispiel einer Band, eingestellt wurden. Es wird sich zeigen müssen, wie die Gerichte die neue Regelung im Einzelnen beurteilen und ob Musik- und Filmdateien oder Computerprogramme in Tauschbörsen wirklich generell „offensichtlich rechtswidrig“ angeboten werden.
Teil 2: Die Kopiervergütung
In engem Zusammenhang mit den Fragen rund um die Privatkopie steht ein weiterer großer Komplex des Zweiten Korbes: Das System der pauschalen Kopiervergütung. Urheber und Rechteinhaber erhalten dafür, dass von ihren Werken private Kopien gemacht werden dürfen, einen finanziellen Ausgleich. Da es unmöglich wäre, jeden Kopiervorgang zu kontrollieren, zu protokollieren und abzurechnen, wurde bei der großen Urheberrechtsreform im Jahr 1965 das System der Pauschalvergütung geschaffen, dass in einer weiteren Reform im Jahr 1985 weiter ausgebaut wurde.
Das Prinzip ist einfach: Für Kopiertechnologien (wie CD-Brenner, Videorecorder oder Scanner) und Leermedien (Rohlinge, Tapes usw.) wird eine Gebühr festgesetzt. Die haben die Händler und Hersteller an Verwertungsgesellschaften, wie vor allem die GEMA und die VG Wort, zu bezahlen. Die Verwertungsgesellschaften schütten die Einnahmen wieder an die Urheber und Rechteverwerter aus. Letztlich bezahlen natürlich die Konsumentinnen und Konsumenten, da die Vergütungen auf die Kaufpreise aufgeschlagen werden.
Im Laufe der Jahre hat sich nun herausgestellt, dass das System zwar im Prinzip gut, in seiner Umsetzung jedoch verbesserungsbedürftig ist. Ein großes Manko ist, dass die Höhe der Vergütungen nach geltendem Recht vom Gesetzgeber, also vom Bundestag, festgesetzt werden muss. Das erfordert ein so langwieriges und kompliziertes Verfahren, dass die Vergütungssätze bis heute nicht ein einziges Mal angepasst wurden. Allerdings wird heute sehr viel mehr kopiert, und auch sonst haben sich die äußeren Umstände in den letzten zwanzig Jahren sehr verändert (man denke etwa an die Lebenshaltungskosten der Künstler oder die wirtschaftliche Lage von Musikunternehmen). Kurzum: Die Vergütungen sind nicht mehr aktuell.
An der mangelnden Flexibilität hat der Gesetzgeber nun Grundlegendes geändert. Die Tarife sind nun nicht mehr vom Gesetzgeber festgelegt, sondern werden von den betroffenen Parteien (Verwertungsgesellschaften, Gerätehersteller) in einem gesetzlich festgelegten Verfahren ausgehandelt. Dadurch soll es schneller zu „Updates“ kommen, da die Beteiligten selbst ein Interesse daran haben, die Vergütungen festzusetzen und aktuell zu halten. Ob das stimmt, wird die Praxis zeigen müssen. Tatsache ist, dass es schon in der Vergangenheit endlose Streitigkeiten zwischen den Parteien gab, ob und in welcher Höhe bestimmte Geräte vergütet werden müssen, weil zwischendurch viele neue Kopiertechnologien auf dem Markt kamen, die der Gesetzgeber 1985 noch nicht berücksichtigt hat.
Lange wurde darum gestritten, welche Geräte zukünftig vergütungspflichtig sein sollen und hoch die Abgabe sein darf. Nach einem ersten Vorschlag sollten Technologien, mit denen nicht nennenswert (zu weniger als zehn Prozent) kopiert wird, nicht unter die Vergütungspflicht fallen. Vor allem die Hersteller von Unterhaltungselektronik (wie PCs, MP3-Player oder Festplatten) hatten sich für eine solche Bagatellregelung stark gemacht. Sie hatten sogar gefordert, die Pauschalvergütung ganz abzuschaffen, da im Zeitalter von Digital-Rights-Management-Systemen jede Nutzung auch einzeln abgerechnet werden könne. Der Gesetzgeber ist dem nicht gefolgt. Das heißt, das alle Geräte vergütungspflichtig sind, mit denen tatsächlich (wenn auch in geringem Umfang) urheberrechtlich relevante Kopien erstellt werden.
Ob deshalb die Gerätepreise steigen werd, lässt sich noch nicht sagen. Zunächst müssen empirische Untersuchungen durchgeführt, dann Verhandlungen zwischen den Beteiligten geführt und neue Tarife aufgestellt werden. Ob danach auf mehr Geräte Aufpreise aufgeschlagen oder die bisherigen Aufschläge höher werden, ist schwer zu prognostizieren.
Teil 3: Freiheiten für Bibliotheken
Ein weiteres wichtiges Thema des Zweiten Korbes betrifft die Frage, ob und unter welchen Umständen Bibliotheken gewisse Privilegien genießen sollen, wenn sie geschützte Werke verwenden. Bibliotheken könnten gerade in Zeiten des Internet viel leisten. Sie besitzen einen unschätzbaren Fundus an Büchern, Musik, Filmen und Fotos. Im Zweiten Korb geht es nun um die Frage, wie sie dieses Wissen an den Nutzer bringen können. Denn während es das Gesetz erlaubt, ein Buch in die Bibliothek zu stellen und an Leser zu verleihen, braucht die Bibliothek eine Zustimmung vom Rechteinhaber, wenn sie ein Buch einscannen und ins Internet stellen will.
Nun könnten Bibliotheken zwar versuchen, die notwendigen Rechte von den Verlagen, Film- oder Musikunternehmen zu erwerben. Hierfür haben sie jedoch meist kein Geld; außerdem ist fraglich, ob ihnen die Rechte überhaupt erteilt werden. Denn die Industrien setzen heute auf eigene – meist kommerzielle – Online-Angebote.
Der Gesetzgeber hat also einen Interessenkonflikt zu regeln, was immer sehr schwierig ist. Er muss sich entscheiden, ob er das Interesse der Bibliotheken – und der Allgemeinheit – schützt, kostengünstige und für jeden nutzbare Informationsdienste anzubieten, oder eher die wirtschaftlichen Interessen der Verlage sichert. Wie üblich bei solchen Konflikten hat sich er für einen Kompromiss entschieden. Es gibt zwar zwei neue Schrankenbestimmungen (also Ausnahmen) für Bibliotheken. Diese sind aber so gestaltet, dass sie nur geringe Freiheiten entfalten. Eine Online-Regelung, nach der die Bibliotheken ihre Bestände ins Netz stellen dürften, ohne Nutzungsrechte zu erwerben, wird es nicht geben. Zwar hatte der Bundesrat eine solche vorgeschlagen, der Bundestag hat dem jedoch mit Hinweis auf die Interessen der Verleger und europarechtliche Vorgaben eine klare Absage erteilt.
Die „Subito-Schranke“
Subito ist ein Dienst der öffentlichen Bibliotheken, bei dem sich jeder registrieren und Kopien aus Büchern oder Zeitschriften bestellen kann. Über Subito kann man sich mit Literatur versorgen, die nicht in der örtlichen Bibliothek zu bekommen ist. Relativ günstig ist das Ganze auch noch. Lässt sich eine Privatperson einen vierzigseitigen Beitrag aus einer teuren Fachzeitschrift kopieren und per Mail schicken, muss sie 7,50 Euro bezahlen. Lädt man sich so einen Artikel aus der kommerziellen Datenbank eines Verlags herunter, kann das bis zu vierzig Euro kosten.
Nach geltendem Recht sind Kopienversanddienste zulässig, soweit sie die Kopien analog per Fax oder Post verschicken. Natürlich ist die Versendung per Mail wesentlich günstiger, praktischer und schneller. Der analoge Versand wird daher kaum noch nachgefragt. Ob digital versendet werden darf, ist seit Jahren Gegenstand eines Rechtsstreits. Das Oberlandesgericht München hat gerade entschieden, dass Subito nicht so weitermachen darf wie bisher. Nun ist der Gesetzgeber gefragt.
Jein, sagt dieser im Zweiten Korb. Subito soll zwar nach einer neuen Regelung grundsätzlich auch digital versenden dürfen. Aber zum einen nur noch an Wissenschaftler und Lehrpersonal, zum anderen nur, wenn der jeweilige Artikel nicht auch von den Verlagen elektronisch angeboten wird. Letzteres bedeutet Konkurrenzschutz für kommerzielle Anbieter. Ob sie die Bibliotheken auf dem Markt für die digitale Distribution von Kopien mitspielen lassen, hängt ganz von ihrer eigenen Entscheidung ab.
Ein wenig ist der Gesetzgeber den Bibliotheken bei der Konkurrenzschutzregel letztlich doch noch entgegengekommen.
- Erstens muss es für sie „offensichtlich“ sein, dass der jeweilige Beitrag auch kommerziell angeboten wird. Die Verlage werden also dafür Sorge zu tragen haben, dass den Bibliotheken Datenbanken zur Verfügung gestellt werden, aus denen sich diese Informationen ergeben.
- Zweitens besteht Konkurrenzschutz nur, wenn angemessene Preise verlangt werden. Hiermit geht der Gesetzgeber auf den wesentlichen Einwand ein, dass sich die meisten Nutzerinnen und Nutzer die hohen Verlagspreise nicht leisten können und so bei uneingeschränktem Konkurrenzschutz von der Informationsversorgung abgeschnitten werden.
Fortsetzung folgt – im Dritten Korb
Wer die Debatten über Gesetzgebungsverfahren verfolgt, wird schon bald ein Naturgesetz kennenlernen: Am Ende sind nie alle zufrieden. Wer die politischen Auseinandersetzungen über das Urheberrecht beobachtet, lernt sogar, dass die Negativbilanz hier sogar noch schlechter ausfällt: Keiner ist zufrieden. So auch beim Zweiten Korb. Unmittelbar nachdem der Bundestag seine Entscheidung über die letzte Fassung verkündet hat, wurde gefordert, einen Dritten Korb zu flechten. Hier soll es dann nach Meinung der einen darum gehen, die gefundenen Kompromisse im Hinblick auf die Belange von Wissenschaft und Bildung wieder zu korrigieren. Andere wollen noch weitere Einschränkungen der Privatkopie diskutieren oder sie vielleicht doch gleich ganz abschaffen. Was kommt, bleibt abzuwarten. Sicher ist nur, dass das Urheberrecht noch lange auf der politischen Agenda bleiben wird.
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