Neue Handreichung: „Urheberrechtsreform 2021 – Neue Chancen für das kulturelle Erbe“
Im August 2021 trat die Urheberrechtsreform in Kraft: Sie setzt eine europäische Richtlinie in deutsches Recht um. Neben Änderungen im bestehenden Urheberrechtsgesetz (UrhG) wurde auch ein neues Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz (UrhDaG) geschaffen, das sich an Upload-Plattformen richtet (iRights.info berichtete).
Das UrhDaG stand wegen der Diskussionen um die Regelungen zur Plattform-Haftung und Upload-Filter im Vordergrund der öffentlichen Debatte. Schwerpunktmäßig regelt das UrhDaG die Pflichten und Rechte von großen Online-Plattformen und deren Nutzer*innen. Kulturerbe-Einrichtungen sind von dem neuen Gesetz aber nicht betroffen, weil sie in der Regel keine kommerziellen Plattformen sind.
Welche Chancen eröffnet die Reform fürs kulturelle Erbe?
Doch auch im (bestehenden) Urheberrechtsgesetz gab es Neuerungen, die Änderungen für Gedächtnisinsitutionen mit sich bringen: Archive, Museen und Biliotheken bekommen neue rechtliche Möglichkeiten. Diese erleichtern es ihnen, „nicht verfügbare Werke“ online zugänglich zu machen. Zudem stärkt die Reform die Gemeinfreiheit und ermöglicht erweiterte Kollektivlizenzen.
Einen Überblick zu den Änderungen gibt die neue Handreichung „Urheberrechtsreform 2021 – Neue Chancen für das kulturelle Erbe“. Sie ist kostenlos und steht frei zugänglich als PDF bereit.
Erarbeitet wurde die Handreichung von Paul Klimpel, Rechtsanwalt von iRights.Law und Mitglied von iRights.info. Herausgeben wird sie vom Digitalen Deutschen Frauenarchiv (DDF) und dem Forschungs- und Kompetenzzentrum Digitalisierung Berlin (digiS).
Neue rechtliche Spielräume bei Gemeinfreiheit, Kollektivlizenzen und nicht verfügbaren Werken
Die Handreichung ist in mehrere Schwerpunkte aufgeteilt; den größten Umfang nimmt dabei der Abschnitt zu den „nicht verfügbaren Werken“ ein.
Im ersten Teil geht es um eine für Gedächtnisinstitutionen wichtige Neuerung im Urheberrecht: Das UrhG stellt nun in Paragraf 68 eindeutig klar, dass auch die Reproduktionen gemeinfreier Werke gemeinfrei sind. Das hat vor allem Auswirkungen auf die Reproduktionsfotografien, die nicht mehr lizenziert werden können und müssen, und auch nicht mehr mit einer Rechtekennzeichnung zu versehen sind.
Der zweite Teil beschäftigt sich mit den „nicht verfügbaren Werken“, also solchen Werken, die nicht über die „üblichen Vertriebswege“ erhältlich sind. Die Urheberrechtsreform sieht nun unter ganz bestimmten Umständen vor, dass diese Werke online zur Verfügung gestellt werden dürfen. Die Handreichung erläutert die neuen Regelungen und ihre Voraussetzungen detailliert und gibt praktische Tipps, wie damit umzugehen ist.
Schließlich finden sich auch Informationen zu den erweiterten kollektiven Lizenzen, die in Deutschland erstmals eingeführt werden. Um die Funktionsweise zu erläutern, greift Klimpel in der Handreichung zu einem Vergleich (S. 23):
Das Prinzip der „erweiterten Kollektivlizenzen“ lässt sich mit dem eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags im Arbeitsrecht vergleichen, der ebenfalls nicht nur für die Mitglieder der Gewerkschaft gilt, die ihn verhandelt hat, sondern für alle Beschäftigten.
Damit böten erweiterte Kollektivlizenzen den Vorteil, dass ein Vertrag nicht mehr mit allen einzelnen Urheber*innen und Rechteinhaber*innen geschlossen werden müsse – sondern nur noch mit der Verwertungsgesellschaft als Verhandlungspartnerin.
Die Handreichung erscheint pünktlich zur Konferenz „Zugang gestalten!“. Diese findet als Hybridveranstaltung am 4. und 5. November in Frankfurt am Main sowie online statt, organisiert unter anderem von iRights.info und der Deutschen Digitalen Bibliothek (DDB).
Das Thema in diesem Jahr lautet „Schwieriges Erbe“. Damit akzentuiert die Konferenzreihe die Frage, wie Archive, Bibliotheken oder Museen mit problematischen Inhalten, etwa rassistische Zeugnisse oder koloniale Raubgüter, umgehen können und sollten. Näheres dazu im Vorbericht von iRights.info.
Das vollständige Programm und Anmelde-Informationen finden sich auf der Website zugang-gestalten.org. Dort wird auch der Link zum Konferenz-Stream zu finden sein (eine Registrierung für den Stream ist nicht nötig). Zudem können sich Interessierte in der Rubrik „Dokumentation“ einen Eindruck früherer Ausgaben von „Zugang gestalten!“ verschaffen.
Erweiterte Fassung erscheint Mitte 2022
Die Handreichung versteht sich als komprimierte Zusammenfassung der Rechtslage und erklärt, was sich in Zukunft ändern wird. Dabei spielt insbesondere der digitale Zugang zum kulturellen Erbe, der gerade auch durch die Pandemie immer wichtiger geworden ist, eine besondere Rolle.
Geplant ist, darauf aufbauend eine ausführliche und aktualisierte Publikation zur Rechteklärung zu veröffentlichen, die voraussichtlich Mitte 2022 erscheinen wird. Die ersten drängendsten Fragen beantwortet bereits die nun erschienene Fassung.
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