Musikindustrie: „Internet als Hoffnungsträger“
Noch könne der Downloadmarkt nicht ausgleichen, was bei klassischen Tonträgern verloren werde: der Umsatz der Branche ging im Vergleich mit 2005 um 2,4 Prozent auf gut 1,7 Milliarden Euro zurück. Das meiste Geld wird mit CDs eingenommen: sie spielen 85 Prozent des Umsatzes ein, danach kommen Musikvideos mit neun Prozent. Downloads und der Verkauf über mobile Geräte kommen zusammen auf fünf Prozent, was die IFPI für niedrig hält. Sie macht illegale Downloads und private Kopien dafür verantwortlich: „Trotz unserer Erfolge bei der Eindämmung der Internet-Piraterie blockieren die hohe Zahl illegaler Downloads und der weiter wachsende Anteil von Privatkopien nach wie vor den Turnaround”, sagte IFPI-Geschäftsführer Peter Zombik.
„Zahl der Strafverfahren bei Bedarf weiter erhöhen“
Nach Erhebungen der IFPI sank die Zahl der von ihr als illegal eingeschätzten Downloads von rund 600 Millionen im Jahr 2003 auf 374 Millionen im Jahr 2006. Damit sei der niedrigste Stand erreicht worden, seit Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen aktiv verfolgt würden, also seit 2004, obwohl sich die Zahl der Breitband-Internetzugänge im gleichen Zeitraum fast verdreifachte. „Zwar kommen auf einen legalen immer noch rund 14 illegale Downloads, aber die Zahlen bestätigen unsere Strategie“, folgerte Michael Haentjes, Vorstandsvorsitzender der IFPI, und ergänzte: „Allein seit Jahresbeginn haben wir 15.000 Strafverfahren eingeleitet und werden diese Zahl bei Bedarf weiter erhöhen.”
Ingesamt wurden 2006 rund 186 Millionen physische Tonträger, also CDs, DVDs, LPs und Musikkassetten verkauft. Das sind 2,7 Millionen weniger als im Vorjahr. Dabei legte das CD-Album von 147,6 Millionen im Jahr 2005 auf 149,5 Millionen leicht zu, ebenso wie der Verkauf von DVD-Videos, der um 10 Prozent auf 14,2 Millionen stieg. Der Rückgang ist vor allem durch Verluste bei CD-Singles und den analogen Formaten LP, Kassetten und VHS zurückzuführen. So wurden 2006 15,9 Millionen CD-Singles verkauft, elf Prozent weniger als im Vorjahr. Allerdings wurden mehr als 25 Millionen Einzeltitel aus dem Internet herunter geladen, also 28 Prozent mehr als im Vorjahr. Bei den Alben lag die Steigerung bei 36 Prozent auf 1,9 Millionen Stück. Auch der Verkauf von CDs über das Internet stieg: mit 17,9 Prozent (2005: 16,8%) Umsatzanteil ist das Web zweitwichtigster Vertriebskanal hinter den Elektrofachmärkten mit 30 Prozent (2005: 30,8%).
IFPI: Intelligente Aufnahmesoftware verbieten
Besonders verärgert zeigen sich die Lobbyisten über die Privatkopie. Nach ihren Studien brennt jeder zweite Deutsche ab zehn Jahren CDs oder DVDs. Seit der ersten Erhebung 1999 habe sich die Zahl der Personen, die CDs oder DVDs brennen, damit von 7,9 Millionen auf 31,4 Millionen nahezu vervierfacht. Beliebtester Inhalt sei Musik: sie werde von 70 Prozent aller Personen gebrannt. Die Zahl der CD-Kopien mit Musik lag mit 486 Millionen rund zehn Prozent höher als im Vorjahr. Das Verhältnis von verkauften zu kopierten CDs habe sich damit weiter verschlechtert und liege bei über 1:3. Dabei seien private Musik-Kopien auf MP3-Playern, USB-Sticks, Mobiltelefonen oder Festplatten nicht berücksichtigt.
In dem Zusammenhang forderte Haentjes ein Verbot intelligenter Aufnahmesoftware, mit der sich aus Internetradios vollautomatisch maßgeschneiderte CDs zusammenstellen ließen: “Ein gesunder Musikmarkt kann sich nur dann entwickeln, wenn die Interessen von Künstlern, Musikindustrie und Verbrauchern gleichermaßen berücksichtigt werden.“ Weiterhin kritisierte er den Entwurf zur Umsetzung der Durchsetzungsrichtlinie, den das Justizministerium kürzlich vorgelegt hatte. Er verlagere Kosten und Lasten der Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen auf die Geschädigten. Der Entwurf sieht vor, dass ein Auskunftsanspruch gegenüber Internet-Service-Providern nur dann besteht, wenn Urheberechte in gewerblichem Ausmaß vorliegen, außerdem muss in den meisten Fällen ein Richter darüber entscheiden. Weiterhin sollen die Abmahngebühren gedeckelt werden. Das alles passt Haentjes nicht: “Das Urheberrecht muss endlich in der digitalen Realität ankommen. Der jetzt vorliegende Entwurf bewirkt genau das Gegenteil”, sagte er.
Mit Schadensersatz Musikunterricht fördern
Haentjes kündigte außerdem an, dass die betroffenen Labels Schadensersatzzahlungen aus Prozessen gegen Urheberrechtsverletzer einsetzen werden, um Projekte zur musikalischen Grundbildung zu fördern. Im Schuljahr 2007/2008 sollen an 2.500 Schulen bundesweit rund 100.000 Musikstunden gefördert werden. “Wenn in einzelnen Bundesländern bis zu 80 Prozent des Musikunterrichts ausfallen, brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, dass es gerade in der jungen Generation an Bewusstsein dafür mangelt, welchen Wert Musik und geistiges Eigentum haben”, sagte Haentjes. Unter dem Motto “Musik macht Schule – Schule macht Musik” können ausgewählte Schulen bei Partnern vor Ort Musikkurse buchen. “Wir können den klassischen Musikunterricht nicht ersetzen, wollen aber wenigstens einen Beitrag zur Linderung des Problems leisten”, betonte Haentjes. Details zu dem Projekt würden noch vor Beginn der Sommerferien bekannt gegeben.
Was sagen Sie dazu?