Mit der Lizenz zum Lesen: Was E-Books von physischen Büchern unterscheidet
Texte genießen als sogenannte „Sprachwerke“ urheberrechtlichen Schutz. Das legt Paragraf 2 Absatz 1 Nr. 1 Urheberrechtsgesetz (UrhG) fest. Dieser Schutz folgt automatisch aus dem Gesetz und steht Autorinnen und Autoren von Sprachwerken zu.
Geschützt ist damit zunächst einmal nur der Text, unabhängig von seiner Verkörperung beziehungsweise dem Ort oder Medium seiner Veröffentlichung: Er kann zum Beispiel in Form eines Buches, auf einer Webseite, als Audiodatei vorgelesen oder als elektronisches Buch veröffentlicht werden.
Eigentum und Erschöpfungsgrundsatz
Hat man ein Buch gekauft, darf man damit grundsätzlich tun und lassen, was man will – zumindest mit dem Buch als Gegenstand, also der Verkörperung des urheberrechtlich geschützten Textes.
Möchte man ein gebrauchtes Buch weiterverkaufen, muss man hierfür beim Verlag nicht um Erlaubnis fragen. Das hat einen großen Gebraucht-Markt für Bücher entstehen lassen.
Genauso wenig benötigt man die Erlaubnis dafür, ein Buch zu verschenken, zu vererben, zu verlieren oder mit Markierungen und Notizen zu versehen.
Durch den Kauf eines Buches erwirbt man das Eigentum an diesem. Gemäß Paragraf 903 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) darf man als Eigentümerin einer Sache „mit der Sache nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen“.
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Urheberrecht: Wann eine „Erschöpfung“ beim Buch eintritt
Der Verkauf des Buches hat auch Auswirkungen auf den urheberrechtlichen Schutz: Mit dem Verkauf hat sich das Urheberrecht bezogen auf dieses Buch verbraucht. Juristisch wird das als „Erschöpfungsgrundsatz“ bezeichnet.
Nach Paragraf 17 Absatz 2 UrhG tritt diese „Erschöpfung“ dann ein, wenn ein Urheber beziehungsweise eine Rechteinhaberin erstmalig das Werk im Gebiet der Europäischen Union verkauft.
Wer ein Buch kauft, darf damit also machen, was sie oder er will – allerdings nur in Bezug auf das Buch als Träger des Inhalts, das sogenannte Werkstück.
Beim Inhalt liegen die Dinge anders, hier besteht weiterhin urheberrechtlicher Schutz: Das heißt, man darf zum Beispiel nur innerhalb der Schranken der Zitatfreiheit aus dem Buch zitieren. Auch darf man ohne Erlaubnis der Rechteinhaber*innen keine Kopien davon – etwa als Scan – online auf einer Webseite einstellen.
Urheberrechtsschutz erlischt 70 Jahre nach dem Tod
Das ändert sich erst, wenn ein Text in die Gemeinfreiheit übergeht: Denn das Urheberrecht wird nur für eine beschränkte Zeit vergeben. Die Schutzdauer eines Werkes beträgt in der Europäischen Union für alle Werke 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers oder der Urheberin.
Nach Ablauf dieser Zeit ist das Werk gemeinfrei. Dann bestehen keine urheberrechtlichen Beschränkungen mehr. Damit können Texte auch online zur Verfügung gestellt werden, wie es beispielsweise die Webseite projekt-gutenberg.de macht: Dort werden gemeinfreie Bücher digitalisiert und die Scans anschließend hochgeladen.
Zur Orientierung: Was Gemeinfreiheit praktisch heißt
Rechnet man von heute aus 70 Jahre zurück, landet man im Jahr 1951. Urheberrechtlich geschützte Werke von Menschen, die in diesem Jahr gestorben sind, werden Anfang 2022 also gemeinfrei.
Die durchschnittliche Lebenserwartung damals betrug etwa 60 Jahre. Daraus ergibt sich ganz grob gerechnet: Es handelt sich im Durchschnitt um Werke von Menschen, die zwischen 1895 und 1905 geboren wurden.
Dieser Wert dient aber nur zur groben Orientierung: Entscheidend für die Gemeinfreiheit ist, wann der Urheber oder die Urheberin tatsächlich gestorben ist.
Rechtlich und praktisch: Bücher und E-Books im Vergleich
Auch wenn der Begriff „E-Book“ eine Gleichwertigkeit zum physischen Buch suggeriert – es gibt große rechtliche und praktische Unterschiede.
Ein E-Book ist ein in elektronischer Form verfügbarer Inhalt, der in technisch unterschiedlichen Formaten vorkommt. Bei E-Books handelt es sich damit um die digitale Ausgabe eines Sprachwerks, das zur Darstellung ein Gerät mit Bildschirm benötigt: etwa einen Laptop mit entsprechender Software oder einen E-Book-Reader.
Neben dem Lesen bietet ein E-Book verschiedene Nutzungsmöglichkeiten wie Nachschlagen und Durchsuchen. Ein E-Book kann nicht abgenutzt werden wie ein physisches Buch, auch wenn man es immer wieder liest. Damit bekommt der Begriff „gebrauchtes Buch“ bei E-Books eine ganz andere Bedeutung.
E-Books: Kein Eigentum – sondern eine Lizenz …
Auch wenn es umgangssprachlich oft so bezeichnet wird: Ein E-Book „kauft“ man nicht. Denn ein Kaufvertrag setzt rechtlich voraus, dass man das Eigentum an der gekauften Sache erwirbt.
Eigentum lässt sich aber nur an körperlichen Gegenständen – wie einem „normalen“, also physischen Buch – erlangen.
Da sich an einer digitalen Datei kein Eigentum erlangen lässt, erhält man stattdessen ein Nutzungsrecht. Das entspricht der Erlaubnis, das E-Book zu lesen – häufig beschränkt auf ein bestimmtes Dateiformat.
… und keine Erschöpfung
Anders als beim gedruckten Buch tritt bei einem E-Book urheberrechtlich auch keine Erschöpfung ein.
Der Grundsatz, dass das Recht an einem urheberrechtlich geschützten Gegenstand, die weitere Verbreitung in der Öffentlichkeit zu erlauben oder zu verbieten, erschöpft ist, sobald er einmal in der EU verkauft wurde, gilt bei E-Books nicht.
EuGH: Verkauf „gebrauchter” E-Books stellt öffentliche Wiedergabe dar
Das hat auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2019 bestätigt. Dieser urteilte, dass der Verkauf „gebrauchter” E-Books über eine Webseite eine öffentliche Wiedergabe darstellt, die der Erlaubnis des Urhebers oder der Urheberin bedarf.
Die öffentliche Wiedergabe ist quasi das Gegenstück zur Erschöpfung und steht der Urheberin oder dem Urheber als ausschließliches Recht zu. Das heißt: Nutzer*innen dürfen das Werk nur mit Erlaubnis der Urheber*innen wiedergeben und verwerten.
Im Falle der „gebrauchten“ E-Books hatte das oberste EU-Gericht argumentiert, dass der Verkauf „gebrauchter“ E-Books die Rechteinhaber*innen besonders beeinträchtige: Denn anders als bei gebrauchten physischen Büchern, die sich abnutzten und Gebrauchsspuren aufwiesen, würde der Zustand eines E-Books durch den Gebrauch nicht schlechter.
Dadurch gäbe es keinen Anreiz mehr für Nutzer*innen, „neue“ E-Books zu kaufen; das Interesse der Rechteinhaber*innen, angemessen vergütet zu werden, würde viel stärker beeinträchtigt als im Fall gedruckter Bücher.
Was man darf – oder: Was man nicht darf
AGB der Anbieter beachten
Die Entscheidung des EuGH hat gezeigt: Man darf ein einmal gelesenes E-Book nicht als gebraucht weiterveräußern.
Was man sonst mit einem E-Book machen darf und was nicht, ergibt sich häufig aus den allgemeinen Geschäfts- oder Nutzungsbedingungen der Anbieter.
Diese AGB sind oft besonders restriktiv. Nicht zuletzt deswegen, weil digitale Werke aus urheberrechtlicher Sicht verletzungsanfälliger sind als physische Werke: In der digitalen Welt können einfach Kopien hergestellt werden, die sich zudem leicht verbreiten lassen.
Nutzungsbedingungen und Kopierschutz können Nutzung einschränken
In den allgemeinen Nutzungsbedingungen steht meist, dass man lediglich ein einfaches Nutzungsrecht erhält, wenn man ein E-Book herunterlädt – und dass man dieses Nutzungsrecht nicht übertragen darf. Es gilt also nur für die Person, die das E-Book erwirbt.
Konkret bedeutet das zum Beispiel: Man darf E-Books nicht vererben. Die Weitergabe einer Bibliothek von Büchern an die Erben ist digital nicht möglich. Auch verschenkt oder an Freundinnen und Freunde „verliehen“ werden können bereits erworbene E-Books dann nicht.
Die Nutzbarkeit ist also gegenüber physischen Büchern eingeschränkt. Unterstützt werden diese Einschränkungen in der Regel durch technische Schutzmaßnahmen. Diese bezeichnet man im Englischen meist mit dem Begriff „Digital Rights Management“ (DRM), im Deutschen auch als „digitale Rechteverwaltung“ bekannt.
Die Schutzmaßnahmen wirken nicht nur als Kopierschutz gegen unautorisierte Verbreitung, sondern können auch verhindern, dass E-Books auf verschiedenen Geräten gelesen werden können.
Fazit
Auch wenn es der Sprachgebrauch nahe legt: E-Books und physische Bücher sind nicht gleichgestellt, weder rechtlich noch praktisch.
E-Books bieten praktische Möglichkeiten, die physische Bücher gar nicht haben können. Zum Beispiel lassen sie sich digital durchsuchen oder ohne Qualitätsverlust beliebig oft kopieren (sofern kein DRM genau das verhindert).
Gleichzeitig sind E-Books dem Recht nach keine materiellen Güter, die der Eigentümerin oder dem Eigentümer aufgrund des Erschöpfungsgrundsatzes bestimmte Rechte einräumen: Etwa das Recht, zu vererben oder zu verkaufen.
In vielen Fällen ist bei E-Books daher nicht nur das Urheberrecht zu beachten, sondern auch, wie die Nutzungslizenz genau ausgestaltet ist. Wer genau wissen will, was mit seinem E-Books alles erlaubt (oder verboten) ist, kommt um einen Blick in die Nutzungsbedingen des E-Book-Anbieters nicht herum.
iRights.info informiert und erklärt rund um das Thema „Urheberrecht und Kreativität in der digitalen Welt“.
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2 Kommentare
1 Thomas Löding am 1. Juli, 2022 um 02:25
Vielleicht wäre hier noch die Ergänzung interessant, dass das deutsche / kontinentaleuropäische Urheberrecht automatisch entsteht, und ein Verzict darauf unmöglich ist; während im angloamerikanischen Raum der Verzicht auf das Copyright möglich ist, das Werk fällt dann in den Bereich der Public Domain. https://www.bpb.de/themen/digitalisierung/urheberrecht/169971/urheberrecht-und-copyright/
2 Walter Williams am 8. September, 2022 um 10:45
Mich interessiert die Frage, darf der Text vom Verlag oder vom Autor, nach dem Kauf eines E-Books geändert werden? Oder ist der zum Zeitpunkt des Erwerbs, sozusagen “gekaufte” Text geschützt und bleibt somit unverändert?
Danke!
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