Lügen im Netz: Vier Tipps für den Umgang mit Falschnachrichten und Desinformation
„Das erste Opfer eines jeden Krieges ist die Wahrheit“. Dieser Ausspruch, der dem amerikanischen Politiker Hiram Johnson zugeschrieben wird, zeigt sich gerade in seiner ganzen Aktualität: Zum Krieg in der Ukraine sind unzählige Videos und Bilder im Umlauf, bei denen häufig nicht klar ist, ob sie echt sind. Vor allem in sozialen Medien und in Messenger-Diensten verbreiten sich „Fake News“, wie die Falschmeldungen auf Englisch genannt werden, schnell. Das ist problematisch, denn Fakten sind die Grundlage informierter Entscheidungen.
Falschnachrichten versus Desinformationen
Nicht immer werden Falschnachrichten absichtlich oder böswillig verbreitet. Fehlinformationen können aus Versehen in Umlauf geraten, etwa weil eine Nachricht nicht genau recherchiert wurde oder die verfassende Peron übertreibt oder satirisch überspitzt, ohne dabei absichtlich täuschen zu wollen.
Spricht man dagegen von Desinformation, ist eine absichtlich irreführende Nachricht gemeint. Hinter Desinformationen steht in der Regel eine Agenda, sie sollen die öffentliche Meinung in einem gewünschten Richtung beeinflussen. Dabei werden aktiv und absichtlich Lügen erfunden, Dinge aus dem Zusammenhang gerissen oder wesentliche Informationen weggelassen, um gezielt einen falschen Eindruck beim Publikum zu erwecken. Häufig wird auch versucht, die Reichweite einzelner Beiträge künstlich zu steigern, etwa durch Software, mit der sich Social-Media-Accounts steuern und Likes oder Klickzahlen in die Höhe treiben lassen.
Je mehr falsche Nachrichten zirkulieren, desto mehr Panik und Verunsicherung können sie schüren. Auch während der Corona-Pandemie haben Falschnachrichten stark zugenommen, etwa zu den Impfstoffen.
Digitale Manipulation
Falsche oder manipulierende Nachrichten im Internet lassen sich nicht so einfach erkennen. Das liegt auch an den technischen Fortschritten, die das Netz, zum Beispiel bei der Bildbearbeitung, bietet. So können Bilder und Videos heute mittels Techniken der künstlichen Intelligenz abgeändert und verfälscht werden (sogenannte Deepfakes) und machen es schwierig, seriöse Quellen zu identifizieren.
Außerdem ist die Reichweite von Informationen und Desinformationen im Netz häufig viel größer als in den klassischen Printmedien. Große Teile der Kommunikation finden heute in sozialen Medien statt: Mehr als 4 Milliarden Menschen weltweit nutzen soziale Netzwerke monatlich aktiv. Damit tragen diese Plattformen maßgeblich zur Meinungsbildung bei.
Wie man die eigene Medienkompetenz stärkt
Gerade in Krisenzeiten ist es von zentraler Bedeutung, Nachrichten einordnen und hinterfragen zu können. Demokratische Gesellschaften sind auf das Vertrauen der Menschen in Institutionen und die Medien angewiesen. Dabei sind Menschen gerade in den sozialen Medien oder in Messenger-Diensten wie Telegram zunehmend auf sich allein gestellt: Sie müssen selbst einschätzen (lernen), ob sie einer Nachricht vertrauen und diese verbreiten möchten – klassische Redaktionsarbeit, die Meldungen auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft und kuratiert oder einordnet, findet nicht statt: Die dazwischentretende Redaktion, etwa eines unabhängigen journalistischen Mediums, ist in vielen Fällen nicht gegeben.
Verbraucher*innen sind dem aber nicht hilflos ausgeliefert. Die eigene Medienkompetenz zu stärken, das kann jede*r. Vier praktische Tipps helfen dabei:
1. Sich selbst richtig einschätzen
Wie souverän bin ich eigentlich im Umgang mit Falschnachrichten und Desinformation? Wer sich bei der Beantwortung dieser Frage nicht nur auf das eigene Bauchgefühl verlassen will, findet bei der Stiftung Neue Verantwortung (SNV) einen geeigneten digitalen Selbsttest.
Mit dem Selbsttest lernen Menschen, die eigene digitale Kompetenz richtig einzuschätzen und etwaige Schwachstellen zu erkennen. Der Test ist kostenlos und frei zugänglich unter der-newstest.de. Es dauert etwa zehn bis 15 Minuten, die 24 Fragen aus 5 Bereichen zu beantworten. Dabei zeigt der Test den Nutzer*innen Nachrichten und Behauptungen an, die sie einschätzen oder bewerten müssen. Jeder Bereich steht dabei für eine wichtige Fähigkeit im Umgang mit Nachrichten im Internet. Zusätzlich werden bei jeder Frage weitere Informationen eingeblendet.
Die SNV ist ein Verein, der sich als „Think Tank für digitale Technologien, Politik und Gesellschaft“ versteht. Den Test hat die SNV unter anderem zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) und der Landesanstalt für Medien NRW entwickelt.
2. Kritisch bleiben und hinterfragen
Wer den Test gemacht hat, wird vermutlich (noch) kritischer auf die Nachrichtenlage blicken. Grundsätzlich gilt: Je einfacher eine Erklärung für ein komplexes Problem, desto eher handelt es sich um falsche Informationen. Auch Panikmache oder Verharmlosung sind häufig Anzeichen dafür, dass eine Nachricht zumindest stark verkürzt wurde und nicht objektiv und umfänglich informieren soll.
Auch kann es hilfreich sein, sich zu fragen, von wem die Meldung stammt und wer dahintersteht. Gezielte Desinformation dient in der Regel einem Zweck, etwa, um Hass zu verbreiten oder Geschäfte zu machen.
3. Zweitmeinung einholen und Quellen prüfen
Ist man sich unsicher, ob eine Nachricht echt ist, kann ein erster Schritt sein, die Nachrichtenlage mit anderen Meldungen abzugleichen, etwa mit Medienangeboten der öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender oder Tages- und Wochenzeitungen. Viele Redaktionen haben sogenannte Faktencheck-Abteilungen, in denen spezialisierte Personen Zitate, Bilder, Videos, Quellen und Identitäten überprüfen und verifizieren.
Daneben gibt es auch Organisationen wie CORRECTIV, die sich mit einem Faktencheck gegen „Falschinformationen, Halbwahrheiten und Gerüchte“ einsetzen, wie es auf der Webseite heißt. Das Recherchenetzwerk CORRECTIV setzt sich seit 2014 als Non-Profit-Organisation für unabhängigen Journalismus und freien Zugang zu Informationen ein. Finanziert wird CORRECTIV durch private Spenden sowie Zuwendungen von Stiftungen und Institutionen.
Nutzer*innen können beim CORRECTIV.Faktencheck Meldungen verifizieren, die die Redaktion aktiv gesucht und überprüft hat oder selbst Fakten einreichen und überprüfen lassen. Die Meldungen werden von CORRECTIV mittels einer detaillierten Skala bewertet, die von „Richtig“ über „Teilweise falsch“ bis zu „Frei erfunden“ reicht. Aus aktuellem Anlass findet man dort nun auch aktuelle und international kursierende Desinformation und Falschmeldungen zum Krieg in der Ukraine oder zur Corona-Pandemie.
4. Bilder checken
Gerade Bilder und Videos haben das Potenzial, Menschen zu beeinflussen. Sie sind heute leicht zu fälschen, aber mit einigen Tipps kann man auch hier Täuschungen erkennen und aufdecken.
Häufig werden Bilder oder Videos aus dem Kontext gerissen, etwa, indem veraltete Bilder bei aktuellen Geschehnissen verwendet werden. Hier kann die Bilder-Rückwärtssuche helfen: Suchmaschinen wie Google Images oder TinEye können ein Bild oder die URL zu einem Bild im Netz suchen und die Quelle anzeigen. Wurde ein Bild also schon vor längerer Zeit an anderer Stelle verwendet, ist das ein Indiz dafür, dass es nicht zu einer aktuellen Meldung passen kann.
Außerdem lässt sich über die Rückwärtssuche feststellen, ob das Bild auch auf anderen Seiten auftaucht und dort im gleichen Kontext erscheint. Man sollte zudem immer prüfen, wer das Bild veröffentlicht hat: In sozialen Netzwerken kann die Angabe eines Klarnamens ein Indiz für die Echtheit eines Accounts sein. Handelt es sich um einen verifizierten Account offizieller Stellen und Institutionen oder bekannter Persönlichkeiten, erkennt man dies an dem blauen Haken neben dem Namen.
Bei Webseiten hilft ein Blick ins Impressum: Webseitenbetreiber*innen sind gesetzlich verpflichtet, bestimmte Angaben über ihre Identität bereitzustellen. Das Impressum ist wie eine digitale Visitenkarte, die es Nutzer*innen ermöglichen soll, die Seriosität der Seite zu überprüfen und mit den Verantwortlichen in Kontakt zu treten. Deshalb muss dort eine vollständige Anschrift stehen und nicht nur etwa eine anonyme E-Mail-Adresse.
Mediennutzung reduzieren
Medienkompetenz heute bedeutet vor allem, einen bewussten Umgang mit Social Media und Medien generell zu finden. Die schiere Masse an Informationen und die ständige Verfügbarkeit können für sich schon überfordern. Ständiger Medienkonsum kann eine Sogwirkung erzeugen, in der es schwieriger wird, Falschnachrichten und Desinformation zu erkennen.
Deshalb ist es genauso wichtig, auch das eigene Mediennutzungsverhalten in den Blick zu nehmen: gezielter Nachrichten zu konsumieren, sich bewusst Zeitfenster für Social Media zu machen – oder im Sinne von „Digital Detox“ einfach mal das Handy für eine Weile wegzulegen und gezielt etwas anderes zu machen.
Was sagen Sie dazu?