Leistungsschutz-Studie: Echte Probleme, falsches Gesetz
In repräsentativen Umfragen hat das privatwirtschaftliche Institut für Strategieentwicklung (IFSE) Einstellungen zum Leistungsschutzrecht (LSR) erfasst, die bei mehr oder weniger Web-affinen Internetnutzern in Deutschland vorherrschen. Ein großer Teil der Befragten (39 Prozent) hatte sich noch keine Meinung zum LSR gebildet. 44 Prozent waren dagegen, 17 Prozent dafür. „Je intensiver ein Nutzer im Internet aktiv ist, desto eher lehnt er das Leistungsschutzrecht für Presseverleger ab“, so ein Ergebnis der Studie „Digitale Mentalität II: Das Leistungsschutzrecht“.
Das LSR soll in der Nacht zum Freitag in erster Lesung im Bundestag debattiert werden. Es sieht vor, dass Presseverleger das ausschließliche Recht erhalten, Presseerzeugnisse oder Teile davon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen. In der Konsequenz sollen gewerbliche Anbieter wie Suchmaschinenbetreiber und News-Aggregatoren für die Verbreitung von Presseerzeugnissen im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen. Betroffen wären zum Beispiel Mini-Textauszüge mit Links zu den Artikeln, wie sie etwa bei Google-News verwendet werden.
Die IFSE-Befragungen fanden zwischen März und Mai 2012 statt, als der endgültige Entwurf des LSR noch nicht vorlag. Mittlerweile hat die öffentliche Debatte an Fahrt aufgenommen. Der direkt betroffene Suchmaschinen-Konzern Google hat eine Kampagne gegen das LSR gestartet. Der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) und der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) dagegen setzen sich in einem Brief an die Bundestagsabgeordneten für das LSR ein.
Gleichzeitig haben sich 16 Urheberrechtsexperten, der Fachausschuss Urheber- und Medienrecht der GRUR und das Max-Planck-Institut für Immaterialgüterrecht in einer Erklärung gegen den LSR-Entwurf gewendet, der sich „durch kein sachliches Argument rechtfertigen“ lasse.
Hilft das LSR den Urhebern?
Ob angesichts dieser Entwicklungen das vom IFSE erfasste Stimmungsbild zum LSR noch aktuell ist, bleibt fraglich. Allerdings zeigt die Studie auch, dass die Gegner und Befürworter nicht so weit voneinander entfernt sind, wenn es um grundsätzliche Einstellungen zum Thema geht. Anhänger wie Gegner befürworten, dass frei zugängliche Texte und Bilder im Internet möglichst leicht gefunden werden sollen. Zugleich soll aber auch die Arbeit von Kreativen im Internet ausreichenden Schutz erfahren – das halten sowohl Gegner (71 Prozent) als auch Befürworter (91 Prozent) für prinzipiell notwendig. Studienautor Hergen Wöbken formuliert: „Die Bedeutung des Schutzes der Arbeit von Kreativen im Internet steht bei weiten Teilen der Internetnutzer außerhalb jeglicher Diskussion.“
Doch genau an diesem Punkt versagt das LSR aus Sicht des IFSE. Zwar ist im LSR vorgesehen, die Urheber „angemessen“ an der Vergütung zu beteiligen. Allerdings bezweifelt das IFSE, dass dieser Anspruch durchgesetzt werden kann. Den Journalisten als Urhebern von Pressetexten käme durch das LSR „wohl kaum“ zusätzlicher Nutzen zu, so der Schluss des Instituts.
Hilft das LSR den Verlagen?
Die Meinungen der Befragten gehen dort auseinander, wo es nicht um die Kreativen, sondern die Verlage geht. Dass sich mit den klassischen Verlagsformaten immer weniger Geld verdienen lässt, macht das IFSE als wesentlichen Hintergrund der Debatte um das LSR aus. Die Befürworter halten es mit großer Mehrheit für notwendig, Verlage vor der Ausbeutung ihrer Leistung durch Suchmaschinen zu schützen, indem sie von diesen ein Entgelt erhalten. Die Gegner bezweifeln dagegen, dass das LSR ein geeignetes Instrument zur Lösung der Verlagsprobleme ist.
Das IFSE schließt sich in seiner inhaltlichen Bewertung den LSR-Gegnern an. Das Leistungsschutzrecht generiere für die Verlage im besten Fall kurzfristig zusätzliche Einnahmen, so Wöbken. „Auf lange Sicht wird das Gesetz den Verlagen jedoch nicht helfen, in der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts zu überleben.“ Die Bundesregierung habe sich auf einen unglücklichen Pfad begeben, indem sie versuche, in einem Konflikt Partei zu ergreifen, der aus dem marktwirtschaftlichen Wettbewerb resultiert.
„Die Bundesregierung sollte das LSR nicht allein deshalb durchdrücken, weil sie das Gesicht wahren will“, so Wöbken am Donnerstag gegenüber iRights.info. Die zugrundeliegenden Probleme – die Zukunft der Verlagsbranche und die Finanzierung des Journalismus – sollten in anderer Form angegangen werden. Wöbken hält zum Beispiel Stiftungsmodelle für journalistische Inhalte für einen diskussionswürdigen Ansatz.
Hintergrund
Das IFSE versteht sich als Organisation an der Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft. Es ging 2003 aus einem Verbund aus Unternehmern, Forschern und Experten an der privaten Universität Witten/Herdecke hervor und bietet unter anderem Evaluationen und Strategieworkshops für Firmen und Institutionen. Die Studie zum LSR wurde laut Wöbken auf eigene Kosten finanziert und unabhängig erstellt, um die Expertise in einem relevanten Bereich des digitalen Wandels zu vertiefen. „Wir werden weder von Google noch von Axel Springer finanziert“, so Wöbken gegenüber iRights.info.
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