LiveKomm-Sprecher: Die GEMA-Tarifreform muss weg
Zur Person
Olaf Möller ist politischer Sprecher des neuen Verbands „LiveMusikKommission“ (LiveKomm). Als Bundesverband vertritt LiveKomm die Interessen von Musikspielstätten in Deutschland. Zu den Mitgliedern zählen Clubs wie der Tresor in Berlin und Netzwerke wie das Clubkombinat Hamburg. Möller ist außerdem Vorsitzender des Vereins Clubcommission, einem Zusammenschluss von Berliner Club-, Party- und Kulturereignisveranstaltern.
iRights.info: Warum war es notwendig, für die Betreiber von Musikspielstätten einen eigenen Verband zu gründen?
Olaf Möller: Es gibt auf regionaler Ebene eine Reihe von Netzwerken, die sich für Livemusikspielstätten und die Clubkultur einsetzen. Aber wir brauchen einen Dachverband, um Lobbyarbeit bei bundesweiten Themen zu machen, beispielsweise wenn es um steuerliche Fragen oder Lärmschutzvorgaben geht. Der Anstoß zu Gründung war das Spielstättenportrait 2010/2011 der Initative Musik. Dort wurden die bundesweiten Probleme aufgezeigt und eine bundesweite Organisation empfohlen. Wir kommen jetzt schon auf 600 bis 700 Mitglieder, sind also sehr gut gestartet.
„Die GEMA hat gesagt: Nach uns die Sintflut“
iRights.info: Derzeit warnen viele Clubbetreiber, das neue Tarifmodell der GEMA, das ab 2013 gelten soll, gefährde ihre Existenz. Ist der Streit mit der GEMA ein Grund für die Gründung von LiveKomm?
Olaf Möller: Er war nicht der entscheidende Anstoß, aber die neuen GEMA-Tarife sind ein sehr wichtiges bundesweites Thema für uns. Dieses neue Tarifmodell wird ja bereits seit 2007 zwischen der GEMA und dem Bundesvereinigung der Musikveranstalter verhandelt. Sie kamen zu keiner Einigung und jetzt ist das Ganze hochgekocht. Die GEMA hat daraufhin bei ihrer Pressekonferenz Anfang April gesagt, wir kommen nicht weiter, also legen wir jetzt einfach eine Tarifreform vor. Die GEMA hat einfach entschieden, so ist es jetzt und nach uns die Sintflut.
Weil die betroffenen Verbände erwartungsgemäß Sturm liefen, muss jetzt die zuständige Schiedsstelle beim Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) entscheiden, ob das neue Tarifmodel rechtens ist.
iRights.info: Was ist Ihr Problem mit dem neuen Tarifmodell?
Olaf Möller: Das sind die unglaublichen Steigerungsraten bei den Gebühren, die auf die Musikspielstätten zukommen. Die Zahlen, die jetzt in der Presse zu lesen sind, mögen ja wild klingen, aber sie sind richtig. Ich habe selber 6 Jahre lang einen Club betrieben und das für diesen Club selbst nachgerechnet. Sie können den Preisrechner der GEMA nehmen oder den des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, man kommt zum selben Ergebnis, nämlich auf Gebührensteigerungen von durchschnittlich 600 Prozent. Das gilt auch für andere Clubs oder Spielstätten, deren prozentuale Steigerungen Erhöhungen von bis zu 1.200 Prozent ergaben. Im Einzelfall einer kleineren täglich geöffneten Bar lag die Steigerungsrate bei gut 2.600 Prozent.
„Diese Tarifreform muss weg“
iRights.info: Der GEMA-Vorstandsmitglied Georg Oeller sagt, dass 60 Prozent aller Musikveranstaltungen nach dem neuen Tarifmodell gleich viel oder weniger Gebühren kosten…
Olaf Möller: Das ist sachlich falsch. Der Grundtarif mag im Einzelfall ähnlich hoch bleiben, aber es kommen satte Preissteigerungen hinzu. Wenn Musik länger als fünf Stunden gespielt wird, gibt es einen Gebührenaufschlag von 50 Prozent. Nach weiteren drei Stunden nochmal 50 Prozent. Dann gibt es noch eine Laptopabgabe von 30 Prozent, weil es um Vervielfältigungen geht. Dann kommt auch noch die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten (GVL), die ausübende Künstler und Tonträgerhersteller vertritt, und ihre Gebühr an der GEMA-Gebühr ausrichtet. Die GVL will einen Zuschlagtarif von 100 statt 20 Prozent des jeweiligen GEMA-Tarifs. Wenn die GVL vor dem Oberlandesgericht München Recht erhält, kommt das für die Musikveranstalter noch oben drauf. Im Einzelfall bedeutet das, dass ein Club 180.000 Euro mehr Gebühren pro Jahr bezahlt. Weil ich die Gewinnmargen der Clubs kenne, kann ich da nur sagen: Seht zu wie ihr aus euren langfristigen Mietverträgen rauskommt, wenn das Modell durchkommt.
iRights.info: Die Verhandlungen mit der GEMA führt die Bundesvereinigung der Musikveranstalter (BVMV). Die Politik kann der GEMA keine Tarife diktieren. Wie wollen Sie also mit LiveKomm Lobby-Arbeit gegen die GEMA-Tarife betreiben?
Olaf Möller: Die Existenz der Clubs ist massiv gefährdet. Wir schaffen dafür Öffentlichkeit. Wir mobilisieren für eine Online-Petition gegen das neue Tarifmodell. Wir schreiben Briefe an die Ausschüsse, Behörden, an die GEMA. Und für den Fall, dass die Schiedsstelle beim DPMA die GEMA-Forderungen mindestens anteilig für rechtens erklärt, prüfen wir Sammelklagen im Schulterschluss mit anderen Verbänden.
iRights.info: Sehen Sie keinen tragbaren Kompromiss?
Olaf Möller: Bei geplanten Tarifsteigerungen von 500 Prozent, im Extremfall von 1.200 Prozent – was soll es da für einen Kompromiss geben? Die Fluglotsen haben vergangenes Jahr 31 Prozent mehr Lohn gefordert, da ist Deutschland zu Recht Sturm gelaufen. Entschuldigung, aber auf der Grundlage des GEMA-Vorschlags brauche ich gar nicht erst zu verhandeln. Da kann ich nur sagen: Diese Tarifreform muss weg.
„Das Geld muss innerhalb der GEMA anders aufgeteilt werden“
iRights.info: Nun vertritt die GEMA die Vergütungsinteressen von Komponisten, Textdichtern und Musikverlegern. Würden Sie dem Argument zustimmen, dass die Künstler zu wenig von ihrer Musik profitieren?
Olaf Möller: Oft ist das so, ja, für bestimmte Genres. Selbst bekannte Elektro-DJs haben nur geringe GEMA-Einnahmen. Nachwuchskünstler im Clubbereich bekommen so gut wie gar nichts, das haben unsere eigenen Stichproben ergeben. Der Aufwand, eine Playlist einzureichen lohnt sich oftmals für die Newcomer nicht, es kommt eh nix bei raus.
iRights.info: Das ist doch ein guter Grund, die Tarife zu erhöhen…
Olaf Möller: Nein. Erstens landen 15 Prozent der Gebühren bei der GEMA-Verwaltung. Das darf zumindest mal hinterfragt werden. Zweitens muss das Geld innerhalb der GEMA anders aufgeteilt werden. Beispielsweise muss die Elektromusik-Branche viel besser vergütet werden. Sie ist gegenüber Genres wie Schlager und Klassik deutlich benachteiligt.
iRights.info: Warum?
Olaf Möller: Es gibt beispielsweise DJs, die ihre Musik nur für eine bestimmte Lokalität mixen. Dafür gibt es in der Regel keine GEMA-Einnahmen. Bei der GEMA profitieren nur die Großen.
„Das geht die GEMA nichts an“
iRights.info: Leidet die Clubmusik-Kultur an zu niedrigen Einnahmen?
Oliver Möller: Die Künstlergagen zum Beispiel in Berlin sind relativ niedrig. Das kann man natürlich anprangern. Aber die Künstlergagen sind eine Verhandlungssache zwischen den Künstlern und den Clubs. Das geht die GEMA nichts an.
Und die Künstler und Künstlerverbände stehen dieser Tarifreform mindestens genauso skeptisch gegenüber wie wir. Sie müssten ja eigentlich diejenigen sein, die davon profitieren. Aber selbst die Künstler hat die GEMA gegen sich aufgebracht. Das ist schon ein Kunststück. Für die GEMA gibt es nicht einen Geisterfahrer, sondern Tausende.
iRights.info: Ein Argument für die Reform ist: Alles wird einfacher. Statt elf soll es künftig nur noch zwei Tarife geben..
Olaf Möller: Da könnte man auf den ersten Blick erleichtert sein, das bin ich aber nicht. Diese elf Tarife wurden in mühevollen Verhandlungen mit bestimmten Genres ausgehandelt. Sie hatten durchaus ihre Existenzberechtigung. Eine Vereinfachung besteht nicht darin, diese Deals wieder aufzulösen. Es geht bei Vereinfachungen um Übersichtlichkeit und Transparenz. Und: die GEMA hat leider den Anschluss ans digitale Zeitalter verpennt. So werden zwar erst seit 2005, aber technisch überholt, immer noch mit repräsentativ verteilten Blackboxen stichprobenartig Diskothekenaufnahmen menschlich statt digital ausgewertet, deren Titel von den Auswertern nur bei hoher Bekanntheit Ausschüttung bekommen.
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