Lischka (SPD): „Wir wollen gezielt gegen illegale Plattformen vorgehen“
Zur Person
Burkhard Lischka ist rechtspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Die Fraktion hat mit Vertretern aus Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft einen “Pakt für die Kreativwirtschaft” ausgearbeitet. iRights.info befragt die Bundestagsfraktionen in einer Interviewserie nach dem Stand der Urheberrechtsformen, die sich die Bundesregierung vorgenommen hat.
iRights.info: Wir haben ein Jahr der Appelle zum Urheberrecht hinter uns – von ‚Wir sind die Urheber‘ bis ‚Wir sind die Bürger‘. Wird das Urheberrecht ein Wahlkampfthema 2013 sein?
Burkhard Lischka: Ja, und zwar aus verschiedenen Gründen. Die Kreativindustrie ist in Deutschland ein wichtiger Wirtschaftszweig, mit rund einer Millionen Beschäftigten. Von der Wertschöpfung her ist sie vergleichbar mit der Autoindustrie. Gleichzeitig verändert die Digitalisierung das Leben von uns allen rasant. Deshalb hat sich Schwarz-Gelb zu Recht im Koalitionsvertrag vorgenommen, die Gesetze den digitalen Gegebenheiten anzupassen und sie auf die Höhe der Zeit zu bringen. Doch weil in dieser Legislaturperiode nichts passiert, verschärfen sich die Konflikte zwischen Urhebern, Nutzern und Verwertern noch. Die Koalition hält ihr Versprechen auf ein modernes Urheberrecht nicht und gibt das selbst zu. Die Justizministerin hat ja schon sinngemäß geäußert, mit dem großen Wurf wird das nichts mehr. Also stimmen die Menschen 2013 auch darüber ab, wer den großen Wurf nachholen soll.
iRights.info: Die SPD-Bundestagsfraktion hat jüngst einen „Pakt für die Kreativwirtschaft“ vorgelegt. Kann sich die SPD vor der Wahl als progressive Kraft profilieren?
Burkhard Lischka: Der Kreativpakt geht weit über das Urheberrecht hinaus und betrifft auch Fragen der sozialen Absicherung von Künstlern und Kreativen. Das Neue am Ansatz ist, dass wir Medien-, Kultur, Forschungs- und Netzpolitiker sowie betroffene Künstler, Verwerter und Nutzer zusammengebracht haben. Fachübergreifend haben wir bereits vor einigen Monaten 12 Thesen zum Urheberrecht aufgestellt…
“Wir wollen gezielt gegen illegale Plattformen vorgehen”
iRights.info: Die ziemlich vage bleiben….
Burkhard Lischka: … die aber deutlich machen, wohin wir wollen und die wir im Gespräch mit den Akteuren weiter verfeinern und detaillieren werden. Vor der Bundestagswahl wird absolut deutlich sein, wo die SPD steht.
iRights.info: Machen wir es konkret. Was wollen Sie gegen die Internet-Piraterie tun?
Burkhard Lischka: Grundsätzlich kann der Kampf gegen Piraterie nicht bedeuten, dass Jugendliche und ihre Eltern mit exorbitanten Abmahngebühren belastet werden. Diese Gelder kommen ja auch nicht den Kreativen zugute, sondern einigen Anwälten.
Rechtsverletzungen sind stattdessen dort zu bekämpfen, wo sie gewerbsmäßig organisiert werden. Wir wollen ganz gezielt gegen illegale Plattformen vorgehen, die wissentlich und willentlich dazu aufgebaut werden, massenhaft Urheberrechtsverletzungen zu begehen.
Schadensersatzforderungen nach Gerichtsprüfung
iRights.info: 2012 wurden die Betreiber des illegalen Streaming-Portals kino.to zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Ohne jede Lizenz stellten sie Hollywood-Filme ins Netz und verdienten Werbeeinnahmen in Millionenhöhe. Inzwischen sind zahlreiche kino.to-Nachfolger im Netz. Wie wollen Sie dagegen vorgehen?
Burkhard Lischka: Auf der einen Seite geht es natürlich um die Rechtsdurchsetzung, also einfach um polizeiliche Ermittlungen. Auf der anderen Seite geht es auch um das Recht selbst. Wir haben hier eine Schwachstelle. Die Rechteinhaber können heute zu einer Internetplattform oder auch zu einem Internet-Service-Provider gehen, und sagen: ‚Nehmt dieses Musikstück, nehmt diesen Filmtitel, nehmt diesen Link runter‘. Im Einzelfall mag das funktionieren, vorausgesetzt, die Rechteinhaber erreichen überhaupt die Betreiber einer Plattform. Aber am nächsten Tag wird das gleiche Werk wieder hochgeladen. Dann geht das Spielchen von vorne los. Irgendwann gibt der Rechteinhaber auf.
iRights.info: Was wollen Sie also tun?
Burkhard Lischka: Unsere heutige Rechtsordnung gibt dem Rechteinhaber nur unzureichende Möglichkeiten, nicht nur gegen die illegale Veröffentlichung eines einzelnen Werkes, sondern gegen ein ganzes Geschäftsmodell vorzugehen, etwa gegen eine auf massenhafte Urheberrechtsverletzungen ausgelegte Streaming-Plattform. Die Rechteinhaber müssten in der Lage sein, einer entsprechenden Plattform schnell, unkompliziert und generell verbieten zu lassen, überhaupt irgendeines ihrer Werke hochzuladen. Das ist wichtig.
iRights.info: Wer soll Geschäftsmodelle verbieten?
Burkhard Lischka: Das ist der Punkt. Gerichte müssten entscheiden können: Dieses Portal ist darauf ausgerichtet, gewerbsmäßig Urheberrechtsverletzungen zu begehen. Also können wir ihm das für die Zukunft untersagen und einen pauschalierten Schadensersatzanspruch festlegen – der sich zum Beispiel an den Werbeeinnahmen orientiert.
Sorgfaltspflicht seitens der Filehoster
iRights.info: Die meisten Portale müsste man wohl in Abwesenheit ihrer Betreiber rügen. In den meisten Fällen weiß doch niemand, wer dahinter steckt…
Burkhard Lischka: Das wird mir von den Rechteinhabern nicht als das drängendste Problem beschrieben. Grundsätzlicher ist die Schwierigkeit, sich immer nur sehr punktuell wehren zu können. An dieser Stelle können wir die organisierte Internet-Kriminalität besser bekämpfen. Mit einem rechtsstaatlichen, gerichtlichen Verfahren gegen bestimmte Geschäftsmodelle mitsamt empfindlicher Sanktionen. Wenn ein Gericht nach eingängiger Prüfung feststellt, dieses oder jenes Portal operiert illegal, können die Rechteinhaber leichter Schadensersatzforderungen stellen.
iRights.info: Wären dann auch Sanktionen gegen die Werbenden denkbar?
Burkhard Lischka: Das ist ebenfalls zu überlegen. Die Wirtschaft könnte gewisse Sorgfaltspflichten haben, wenn sie im Netz Werbung schaltet. Dazu würde gehören, dass Portale tabu sind, deren Geschäftsprinzip ein Gericht für illegal befunden hat.
iRights.info: Stehen entsprechende Gesetzesentwürfe im SPD-Wahlprogramm?
Burkhard Lischka: Ja, das ist für uns ein wichtiger Punkt: Statt die Schulhöfe zu kriminalisieren und Familien mit Abmahngebühren in große finanzielle Probleme zu stürzen, wollen wir die illegalen Plattformen angehen. Die Betreiber tauschen nicht einfach Filme und Musik. Sie machen viel Geld mit anderer Menschen Arbeit.
iRights.info: Bei den großen Filehostern wie Rapidshare finden sich Unmengen an Daten. Inwieweit es sich um legale oder illegale Veröffentlichungen handelt, müsste umfangreich geprüft werden. Können Sie diesen Portalen abverlangen, in vollem Umfang für die von Nutzern hochgeladenen Inhalte zu haften oder wäre das der Tod für alle neuen Cloud-Dienste?
Burkhard Lischka: Es muss zumindest möglich sein, im Rahmen eines rechtsstaatlichen Verfahrens, das heißt konkret durch Prüfung von Gerichten, festzustellen, inwiefern ein Verdacht begründet ist. Nochmal: Hier geht es vor allem darum, gegen Plattformen vorzugehen, die durch bewusste Urheberrechtsverletzungen viel Geld verdienen. Es besteht eine gewisse Sorgfaltspflicht seitens der Filehoster zu gewährleisten, dass keine massenhaften Urheberrechtsverletzungen auf ihren Seiten begangen werden.
iRights.info: Die Deckelung der Abmahngebühren darf in keinem Wahlprogramm fehlen. Warum passiert nichts?
Burkhard Lischka: Der Gesetzgeber wollte die Abmahngebühren bereits vor Jahren bei 100 Euro deckeln. In der Praxis funktioniert das nicht wie erhofft. Der Gesetzgeber müsste nachsteuern. Der Wille ist bei allen Fraktionen auch da. Aber der entsprechende Referentenentwurf wurde auf Eis gelegt. Offensichtlich gibt es Streit zwischen Union und FDP. Ich würde es für sinnvoll halten, die Abmahnfrage mit dem Vorgehen gegen illegale Plattformen zu kombinieren. Das wäre ein konsistentes Paket – ein echter Ausgleich zwischen den Interessen.
Gemeinsames Singen von GEMA-Gebühren ausnehmen
iRights.info: Derzeit scheint das GEMA-Bashing politisch opportun zu sein. Ist die GEMA ein Fall für den Gesetzgeber?
Burkhard Lischka: Wir müssen in der GEMA-Debatte vieles auseinanderhalten. Da sind zunächst die viel kritisierten Tarifstrukturen, die ab dem 1. April 2013 in Kraft treten sollen. Da läuft bei der zuständigen Aufsicht, dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA), ein Schlichtungsverfahren. Spätestens im Juni 2013 gibt es einen Einigungsspruch. Wir kennen diese Auseinandersetzungen mit samt den Schlichtungen aus Tarifverhandlungen. Es hat sich bewährt, dass die Politik sich da zunächst einmal raus hält. Ich wünsche mir natürlich eine Einigung, die Künstlern Einnahmen beschert und zugleich das kulturelle Leben nicht beeinträchtigt.
Eine andere Frage ist, ob die bestehenden Ausnahmen von GEMA-Gebühren punktuell ausgeweitet werden müssen, zum Beispiel im Bereich von Bildungs- und Sozialeinrichtungen Hier kann die Politik unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben über Erweiterungen nachdenken.
iRights.info: Für welche Ausnahmen sind Sie konkret?
Burkhard Lischka: Sehr konkrete Beispiele sind öffentliche Aufführungen von Schulklassen oder Kindergartengruppen sowie Laternenumzüge von Kindern. Diese Aktivitäten sind häufig GEMA-gebührenpflichtig, sofern sie in der Öffentlichkeit stattfinden. Ich halte es für sinnvoll, hier über eine Ausweitung der bestehenden Ausnahmeregelungen nachzudenken. Nicht zuletzt auch deshalb, weil gemeinsames Singen beispielsweise bei der Entwicklung von Sprachkompetenz bewiesenermaßen ein wichtiger Baustein frühkindlicher Bildung ist. Es geht also gewissermaßen um einen gesamtgesellschaftlichen Bildungsauftrag.
“Konflikte lassen sich übrigens nie ganz ausschließen”
iRights.info: Eine weitere GEMA-Debatte kreist um die Verteilungsgerechtigkeit. Kleine Bands werden benachteiligt, sagt auch Ihr Fraktionsvorsitzender Frank-Walter Steinmeier…
Burkhard Lischka: Wir müssen uns tatsächlich fragen, ob die staatliche Aufsicht über die GEMA funktioniert. Wir müssen uns anschauen, ob das zuständige Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) den richtigen gesetzlichen Rahmen für die Aufsicht hat.
iRights.info: Nun, das DPMA fällt nun nicht dadurch auf, die Strukturen der Verwertungsgesellschaften kritisch zu hinterfragen…
Burkhard Lischka: Der Gesetzgeber muss überlegen, wo die staatliche Aufsicht an ihre Grenzen stößt- ganz praktisch, also etwa personell, aber auch rechtlich. Wenn wir mehr Transparenz möchten oder mehr Verteilungsgerechtigkeit, hat der Gesetzgeber durchaus Möglichkeiten. Aber wir sollten das erst mit allen Beteiligten diskutieren. Konflikte lassen sich übrigens nie ganz ausschließen, wenn es etwas zu verteilen gibt.
“Die SPD hat hier einen gewissen Vorsprung”
iRights.info: Mit welcher Partei sehen Sie die größten Schnittmengen beim Thema Urheberrecht?
Burkhard Lischka: Die Positionen der anderen Parteien widersprechen sich stark. Die Fachpolitiker äußern sich sehr konträr. Es ist schwer zu sagen, für was sie stehen. Bei der Union finden Sie jede Forderung – vom Warnhinweismodell über Three-Strikes-Internetsperren bei den Hardlinern bis zu deren absoluter Ablehnung durch die Netzpolitiker. Bei den Grünen will der Netzpolitiker Konstantin von Notz eine Kulturflatrate, andere Grüne lehnen die komplett ab. Die SPD hat hier einen gewissen Vorsprung, weil wir uns schon länger fachübergreifend abstimmen. Wir möchten die Diskussion versachlichen und auf die Punkte fokussieren, die der Gesetzgeber überhaupt regeln kann, und wo es tatsächlich Probleme gibt. Unser Plan bringt dann die anderen in Zugzwang, Farbe zu bekennen.
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