Lichtbild vs. Lichtbildwerk – wo der Unterschied liegt
Fotos, auch Lichtbilder genannt, werden täglich millionenfach geschossen – häufig als Schnappschüsse, die in den Sozialen Medien landen. Nicht jedes Foto hat dabei einen künstlerischen oder kreativen Hintergrund: Manche sollen Erinnerungen festhalten, andere werden zum Beweis gemacht. Welche Rolle spielt das Urheberrecht dabei? Und wann besitzt ein Foto Werkcharakter? Diesen Fragen widmet sich der folgende Text.
Beim Thema Fotos und Fotografie spielen verschiedene rechtliche Aspekte eine Rolle. Wichtig ist zunächst, welche Motive die Fotos enthalten, also ob man beispielsweise Gebäude oder Personen fotografiert. Fotografiert man Gebäude, spielt vor allem das Urheberrecht eine Rolle. Denn auch Gebäude können urheberrechtlichen Schutz genießen. Was das bedeutet und wie die Panoramafreiheit Abhilfe schaffen kann, ist hier erläutert.
Bei Fotos, die Abbildungen von Personen enthalten, geht es insbesondere um Datenschutz und Persönlichkeitsrechte. Der zweite Teil unseres Fotografie-Schwerpunkts erklärt, wann es bei Personen-Fotos eine Einwilligung braucht und welche Ausnahmen es davon gibt.
Lichtbild vs. Lichtbildwerk: Wo verläuft die Grenze zwischen Schnappschuss und künstlerischem Werk?
Grundsätzlich bestehen (urheber-)rechtliche Unterschiede zwischen Fotografien selbst. Genauer gesagt genießt nicht jedes Foto urheberrechtlichen Schutz. So kommt es darauf an, ob ein Foto als Lichtbild oder als Lichtbildwerk einzuordnen ist. Der Unterschied ergibt sich aus dem Wort „Werk“: Urheberrechtlichen Schutz genießen nach dem Urheberrechtsgesetz (UrhG) nur Werke der Literatur, Wissenschaft und Kunst. Zu diesen geschützten Werken gehören auch die Lichtbildwerke (Paragraf 2 Absatz 1 Nummer 5 UrhG).
Nicht jedes Foto hat Werkcharakter und ist damit urheberrechtlich geschützt. Entscheidend ist, dass eine Fotografie eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht, um als urheberrechtliches Werk zu gelten. Kennzeichnend dafür sind insbesondere die Merkmale der Individualität und Originalität. Hintergrund ist, dass Banales oder Alltägliches nicht geschützt sein sollen – andernfalls wäre praktisch alles geschützt und das Urheberrecht liefe ins Leere.
Wo genau die Linie zwischen Schöpfungshöhe und Alltäglichem verläuft, ist nicht immer leicht zu sagen. Das Urheberrecht ist dabei eher großzügig und stellt keine besonders hohen Anforderungen an den kreativen und schöpferischen Umfang eines Werkes. Es kommt immer auf den Einzelfall an – und dabei auch auf die Werkart, also ob es sich um einen Text, Musik oder eben eine Fotografie handelt.
Lichtbildwerke: Komposition und fotografisches Handwerk
Bei Fotos kann man dann von einer relevanten Schöpfungshöhe ausgehen, wenn die fotografierende Person mit dem Foto beispielsweise eine inhaltliche Aussage trifft. Dies kann etwa durch eine besondere Komposition, den Lichteinfall oder die Perspektive geschehen. Auch die nachträgliche Bearbeitung des Bildes kann ein Lichtbildwerk begründen. Ist das Bild dagegen ein „Schnappschuss“, etwa von einer Familienfeier oder aus dem Urlaub, kann also jede*r ohne besonderes Können das Bild machen, ist die Schöpfungshöhe in der Regel nicht erreicht.
Die Abgrenzung kann schwierig sein. So werden Selfies, die täglich massenhaft in den Sozialen Medien veröffentlicht werden, in der Regel keinen Werkcharakter haben – sie gehören eher zum Alltäglichen. Allerdings gibt es in der Kunstgeschichte auch zahlreiche Beispiele von fotografischen Selbstporträts, bei denen die Fotograf*innen die Selbstdarstellung als Stilmittel verwendeten, um über ihre Welt und ihren Platz darin zu reflektieren. So hat etwa die amerikanische Fotografin Vivian Maier zahlreiche künstlerische Selbstporträts aufgenommen.
Kleine Münze und Gemeinfreiheit
Liegt ein Werk an der untersten Grenze der Schöpfungshöhe – kann es also gerade noch so für sich beanspruchen, eine gewisse Individualität und Originalität aufzuweisen – wird es als „kleine Münze“ bezeichnet. Damit können auch schon Werke mit geringem kreativem Gehalt unter den Schutz des Urheberrechts fallen.
Ist ein Werk dagegen gemeinfrei, bestehen an ihm keine Urheberrechte. Dann kann jede*r diese Werke uneingeschränkt nutzen.
Gemeinfreiheit
Gemeinfrei sind Inhalte, die nicht oder nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind. Jeder kann mit ihnen machen, was er will. In Deutschland endet der Schutz 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers. Gemeinfrei sind zum Beispiel auch Ideen, einzelne Wörter oder Töne, weil sie allein noch keine „Werke“ sind. Auch „amtliche Werke“ wie Gesetzestexte sind vom Urheberschutz ausgenommen. In Ländern wie den USA steht der Begriff „Public Domain“ für ein ähnliches Modell.
Lichtbilder: technische Leistung der Bildaufnahme
Fotos, die nicht als Lichtbildwerke gelten, genießen häufig trotzdem rechtlichen Schutz durch das Urheberrechtsgesetz. Das wird durch eine Art rechtliche Konstruktion gelöst: Nach Paragraf 72 UrhG werden Lichtbilder „in entsprechender Anwendung der für Lichtbildwerke geltenden Vorschriften (…) geschützt.“ Das bedeutet, dass auch sie etwa nicht ohne Erlaubnis des Fotografen oder der Fotografin verwendet werden dürfen.
Im Unterschied zu den Lichtbildwerken gilt dieser „entsprechende“ Urheberrechtsschutz, auch Leistungsschutzrecht genannt, aber nur 50 Jahre ab Erscheinen oder Anfertigung – urheberrechtliche Werke sind dagegen für 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers oder der Urheberin geschützt.
Mit dem Paragraf 72 werden die rein technischen Leistungen einer Bildaufnahme geschützt, die mit jeder fotografischen Aufnahme verbunden sind. Dazu gehören beispielsweise auch Fotografien von Kunstwerken, wie sie bei der Digitalisierung von Museumsbeständen häufig angefertigt werden (auch Reproduktionsfotografien genannt). Allerdings entsteht dieser Schutz nicht für solche Reproduktionsfotografien, die sich auf bereits gemeinfreie Werke beziehen. Dann sind sowohl die fotografierten Werke, als auch die Fotos von ihnen gemeinfrei.
iRights.info informiert und erklärt rund um das Thema „Urheberrecht und Kreativität in der digitalen Welt“.
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