Let’s not talk about copyright
Mit „Right the Right“ beschäftigte sich das Haus der Kulturen der Welt (HKW) zum zweiten Mal mit dem Urheberrecht. Diesmal standen Alternativen und Entwicklungsmöglichkeiten im Vordergrund. Dafür waren Juristen, Wissenschaftlerinnen, Musik-Start-ups und Künstlerinnen eingeladen, die über alternative Modelle der Entlohnung und der Nutzung urheberrechtlicher Inhalte diskutierten. Ergänzt wurde das Programm durch Performances und Konzerte.
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Vorausgegangen war im vergangenen Jahr eine Bestandsaufnahme. Unter dem Motto „100 Jahre Copyright“ ging es erst einmal darum „das Copyright zu verstehen“, wie es Detlef Diederichsen, der Kurator des Festivals und Leiter des Bereich Musik und Performing Arts am Haus der Kulturen der Welt, im iRights.info-Interview erklärte.
Das diesjährige „Right the Right“-Festival begann mit einem zweitägigen Workshop – geleitet von Andrea Goetzke, Kulturproduzentin aus Berlin, und Till Kreutzer, iRights.info-Mitbegründer und iRights.Law-Anwalt. Die Teilnehmenden diskutierten, wie künstlerische Arbeiten respektiert und wie Künstlerinnen gerecht entlohnt werden können. „Respect and renumeration“ – in dieser Überzeugung waren sich in der abschließenden Präsentation des Workshops am Freitagnachmittag alle einig. Auf dem Weg dahin galt es, eine verworrene Gemengelage zu entflechten.
Denn das ist das Problem am Urheberrecht, so die Teilnehmer_innen: Es versucht, vielfältige Nutzungsszenarien zu regeln, sodass es zu überladen und kompliziert werde. Die Gruppen, die betroffen sind, hätten so unterschiedliche Interessen, dass ein Gesetz dem nicht gerecht werden könne.
Da sind auf der einen Seite die Nutzer_innen, die Zugang haben möchten und eventuell ab und zu ein Meme kreieren, ohne dass sie gleich abgemahnt werden oder ihr Konto gesperrt bekommen. Die Verwerter wiederum teilen sich in zwei Gruppen: auf der einen Seite die traditionellen Verlage und Produktionsfirmen, auf der anderen Seite die neuen Internetdienste, von Facebook und Instagram bis zu Streamingdiensten wie Youtube, Spotify oder Netflix.
Die Künstler_innen, um die es eigentlich geht (es heißt ja Urheberrecht), möchten einerseits angemessen entlohnt werden und andererseits für ihre Arbeit auf die Werke anderer zurückgreifen können. Sampling, Remix, Zitat sind ja keine neuen künstlerischen Verfahren mehr – und wenn man etwas über unsere mediengesättigte Zeit sagen möchte, muss man fast schon zwangsläufig auf die Werke anderer rekurrieren.
Alle Popsongs sind gleich
Eine alle zufrieden stellende Lösung wird allerdings zunehmend schwieriger. So verwiesen mehrere Vortragende der Konferenz – unabhängig voneinander – auf zwei spektakuläre Fälle in der Popmusik, bei denen der urheberrechtliche Schutz so weit ausgeweitet wurde, dass Songwriter inzwischen Angst haben müssen, sich überhaupt von einem anderen inspirieren zu lassen.
Bei dem Streit um den Song „Blurred Lines“ von Pharrell Williams und Robin Thicke bekamen die Erben von Marvin Gaye Recht, dass Williams und Thicke das „Feel“ des Songs nicht hätten kopieren dürfen. Beim Song „Dark Horse“ von Katy Perry klagte der Rapper Marcus Gray alias Flame auf einen simplen unterliegenden Rhythmus, der bei zahlreichen Tracks gleich oder ähnlich verwendet wurde – und gewann den Prozess. Youtuber Adam Neely erklärt, wieso das ein Problem ist.
Der Songwriter Tot Taylor zeigte daher auch in seinem Vortrag „Songs and where they came from“, dass Musik immer auf vorheriger Musik aufbaut, und das eigentlich „alle Popsongs gleich sind“.
Wem das noch nicht reichte an komplexen Fragen: Es ging auch um Uploadfilter und das Sterben von Memes und anderen nutzergenerierten Inhalten, angemessene Entlohnung für Künstler_innen bei Streamingdiensten, wie Sampling & Remixing geregelt werden könnten, sodass die Macht nicht nur bei den Major-Labels liegt, die dafür verlangen können, was der Markt hergibt (Spoiler: ziemlich viel!).
Frischer Wind aus der Wirtschaft
Die Labels und andere mächtige (Musik-)Verwerter fehlten allerdings bei den Diskussionen. Sie waren entweder gar nicht erst eingeladen oder folgten der Einladung nicht. Das mag man einerseits bedauern, weil es so eine Diskussion unter Bekehrten war. Andererseits scheint eine Diskussion mit den üblichen Lobby-Verdächtigen und ihren Nebelkerzen noch sinnloser – zu eingefahren sind die Positionen. Trotzdem kann die Besucherin ein gewisses Deja-Vu-Gefühl nicht leugnen. Alles schon mal da gewesen.
Radikale Vorschläge für eine Urheberrechtsreform sind natürlich nicht falsch (wie etwa das „Berliner Gedankenexperiment“ von 2015, das unter anderem von Till Kreutzer von iRights.Law initiiert wurde, oder der Sammelband „What if we could Reimagine Copyright“ von Rebecca Giblin und Kimberlee Weatherall von 2017).
Eine Umsetzung ist in der gegenwärtigen Situation allerdings eher unwahrscheinlich. Die finanziellen Interessen der Verwerter sind zu stark – viele Menschen können sehr viel Geld am Urheberrecht verdienen, auch wenn es nicht unbedingt die meisten Künstler sind.
Die Präsentationen am Sonntag brachten ein bisschen frischen Wind in das kollektive Seufzen. Sie behandelten nämlich nicht Urheberrecht und die Probleme, die es mit sich bringt, sondern Start-ups und Systeme, die Künstler_innen helfen sollen, ihre Arbeit selbst zu kontrollieren und zu vermarkten.
Ein Beispiel war der genossenschaftlich organisierte Streaming-Dienst Resonate. Dessen Erfinder Peter Harris erzählte, wie Künstler_innen dort mithilfe von Blockchain-Technologien ihre Werke selbst vermarkten können.
Kollektive Organisation von Künstler_innen ist nötig
Es wäre allerdings zu einfach, zu sagen, wir lassen das Urheberrecht Urheberrecht sein und konzentrieren uns auf alternative Regelungsformen. Letztendlich kommt man nicht drumherum – Menschen hören weiterhin Musik, schreiben Texte und machen Youtube-Videos, ob professionell oder zum Spaß. Nur wie den gordischen Knoten zerschlagen, der droht, die Kreativität von sowohl Profis als auch Amateuren zu ersticken?
Das Festival lieferte auf diese Frage keine entscheidende Antwort – es gab nur vage Windstöße. Beispielsweise die Idee, die verschiedenen Regelungsbedarfe auseinander zu ziehen, um das Urheberrecht von zu vielen und zu großen Ansprüchen zu entlasten.
So ließe sich etwa die Einkommenssituation von Kreativen – die außerhalb des Superstartums weiterhin miserabel ist, wie Martin Kretschmer von der Universität Glasgow am Samstag aufzeigte – über das Arbeitsrecht und eine stärkere Selbstorganisation verbessern. Hier könnte eine (gemeinsame) Gewerkschaft für Künstler_innen ein ebenso erstrebenswertes Ziel wie sinnvoller Hebel, sein.
Das heißt, Nutzerinnen, Künstler_innen und neu denkende Verwerter müssen weiterreden – ob im Haus der Kulturen der Welt oder woanders. Nötig wäre es, trotz Deja Vu.
Eine Videodokumentation des Festivals soll in den nächsten Tagen online gehen. Wir ergänzen den Artikel mit dem Link, sobald diese vorliegt
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