iCommons
In meinem vorletzten Brief habe ich unsere ersten Versuche beschrieben, Creative Commons international aufzubauen. Das war der Beginn des „iCommons“-Projekts, das von Berlin aus den Aufbau koordinierte. Das Projekt begann mit einer einzigen Zielsetzung: die CC-Lizenzen auf die Rechtssysteme verschiedener Länder zu übertragen. Unser Ziel war es, eine internationale Infrastruktur freier Lizenzen aufzubauen, so dass schöpferische Arbeit von Rechtssystem zu Rechtssystem übertragen werden kann und dabei die Freiheiten behält, die ihr Schöpfer ihr zugewiesen hat. Nach weniger als drei Jahren gibt es nun mehr als 70 Projekte, in denen ehrenamtliche Helfer daran arbeiten, die Lizenzen zu übertragen, und 25 Rechtssysteme, die bereits ihre lokalen Lizenzen nutzen können.
Dieser erste Versuch, ein internationales „Commons“ aufzubauen, war erfolgreicher, als ich es mir je vorgestellt habe. Es gab viele schlaflose Nächte, in denen ich befürchtet habe, wir würden nicht genug internationale Partner finden. Ich will es so ausdrücken: diese Frage ist jetzt nicht mehr der Grund für meine Schlaflosigkeit. Im Gegenteil: wenn etwas über iCommons gesagt werden kann, dann dass aus dem Projekt wesentlich mehr geworden ist, als wir uns erwartet haben. Während sich die CC-Projekte weltweit entwickelten, knüpften sie Kontakte mit anderen Bewegungen, die sich für die selben Ideale einsetzten. Diese Ideale einer Wissensgemeinschaft, des „Commons“, sind nicht amerikanisch. Sie sind menschlich. Und als iCommons Möglichkeiten dafür geschaffen hat, diese Ideale zu diskutieren, haben wir gemerkt, dass iCommons wachsen muss.
Im vergangenen Juni haben sich etwa einhundert Ehrenamtliche aus mehr als 40 iCommons-Rechtssystemen in Boston zum ersten iCommons-Gipfel getroffen. Dort haben wir angefangen uns darüber zu verständigen, wie wir diese internationale Bewegung am besten unterstützen können. Während ich den iCommons-Teilnehmern zuhörte, wie sie erzählten, was sie planten, wurde mir klar, dass iCommons viel mehr zu werden verspricht, als das (relativ) simple Projekt, das Creative Commons einmal war. Creative Commons wurde in die Welt gesetzt, um eine Infrastruktur der Freiheit zu schaffen; iCommons verspricht eine globale Bewegung aufzubauen, die diese Infrastruktur der Freiheit einschließen und erweitern wird – in der bestmöglichen Weise.
Im Juni haben wir damit begonnen, eine Idee öffentlich zu diskutieren, die einer iCommons-Teilnehmer vorgeschlagen hatte – nämlich iCommons zu einer eigenständigen Organisation zu machen, angeleitet von den vielen jungen internationalen Anhängern dieser Bewegung. Ich bin sehr froh, mit dieser Mail verkünden zu können, dass wir genau das getan haben.
iCommons ist jetzt eine eigene nichtkommerzielle Organisation mit Sitz in Großbritannien. Ihr Aufsichtsrat wird aus einem breiten Spektrum von Aktivisten aus aller Welt bestehen. Außer dass iCommons weiterhin die Verbreitung von Creative-Commons-Lizenzen unterstützen, wird die Organisation außerdem einiges mehr tun. iCommons soll das Herzstück eines Zusammenschlusses von Bewegungen werden, die international Kreativität und die Verbreitung von Wissen und Kultur vorantreiben.
Creative Commons wird mit finanzieller und organisatorischer Unterstützung die Grundlage für diese Bewegung schaffen (noch ein Grund, warum wir Ihre Unterstützung brauchen!). Doch wenn iCommons zu einer eigenen Bewegung mit einer eigenen Stimme wird, wird Creative Commons in diesem Zusammenschluss ein Projekt unter anderen sein.
Was wird dann aus dem Projekt, das die Aufgabe hat, Creative-Commons-Lizenzen weltweit auf andere Rechtssysteme zu übertragen? Das wird die Aufgabe von Creative Commons bleiben. Christiane Asschenfeldt wird weiterhin diesen Teil unseres Projekts leiten. Aber die Aufgabe, die im Vordergrund steht, wird sein, die Infrastruktur aufzubauen, die ein internationales Creative-Commons-Projekt braucht. Christiane wird weiterhin nach ehrenamtlichen Helfern aus aller Welt suchen, die dabei helfen können, die Lizenzen an ihr jeweiliges Rechtssystem anzupassen. Wir werden weiterhin feiern, wenn diese Lizenzen veröffentlicht werden. Und einige (hoffentlich alle) dieser lokalen Partner werden iCommons beitreten.
Was also ist Creative Commons – über die Lizenzen hinaus? Wir bauen weltweit eine Infrastruktur freier Lizenzen auf. Wir arbeiten mit Wissenschaftlern und Gelehrten zusammen, um diese Ideale auf die Wissenschaft auszuweiten. Und jetzt haben wir eine internationale Bewegung mit aufgebaut, die mit Künstlern, Lehrern, Verwertungsgesellschaften, Museen, Verlagen und Regierungen zusammen arbeiten wird, um auf dieser Infrastruktur freie Kulturen zu fördern.
Creative Commons ist all das, was in diesen E-Mails beschrieben wurde. Wichtiger ist, dass all das Ihre Unterstützung braucht.
In den kommenden zwei Wochen werde ich zwei Initiativen beschrieben, die im nächsten Jahr unseren Schwerpunkt bilden werden. Anschließend werde ich auf einige Kritikpunkten eingehen bezüglich dem, was wir getan haben und was wir noch vorhaben. Bleiben Sie dran – und keine Angst: Ich verspreche, bis Weihnachten fertig zu sein.
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Bevor ich die Mail dieser Woche beende, hier noch einige Neuigkeiten von der Spenden-Front: Am 3. November haben in San Francisco mehr als 120 Unterstützer und Freunde von Creative Commons an einer Cocktailparty Teil genommen, um das neue Mitglied des iCommons-Beirats zu feiern: Jimmy Wales, Gründer von Wikipedia. Die Veranstaltung wurde finanziert von den beiden Kanzleien, die Creative Commons aus der Taufe gehoben haben: Cooley Godward und Wilson Sonsini Goodrich & Rosati; außerdem von einem neuen CC-Unterstützer – Scharffen Berger Chocolate. Dank an alle, die dazu beigetragen haben, die Veranstaltung zu einem Erfolg zu machen. Und nachdem Sie sich einige Bilder angeschaut haben, laden wir Sie ein, ebenfalls in den Kreis der CC-Unterstützer einzutreten!
Übersetzung: Matthias Spielkamp. Originalversion dieses Textes: creativecommons.org/weblog/entry/5700
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