Was ist Science Commons?
Von John Wilbanks, geschäftsführender Direktor von Science Commons
Science Commons (SC) wurde Anfang 2005 gestartet. Es ist ein Teil von Creative Commons – man kann sich uns als hundertprozentige Tochterfirma vorstellen – und soll auf dem erstaunlichen Erfolg der CC-Lizenzen aufbauen, vor allem der CC-Community und iCommons.
Aber wir unterscheiden uns auch. CC konzentriert sich auf die individuellen Schöpfer und ihr Copyright. SC hat notwendigerweise einen weiteren Blickwinkel. Dieser ist unter anderem deshalb notwendig, weil die meisten Wissenschaftler Arbeitsverträge unterschreiben, die ihr „geistiges Eigentum“ auf ihren Arbeitgeber übertragen. Ein anderer Grund ist, dass wissenschaftliche Zeitschriften oft verlangen, dass Autoren ihr Copyright an die Zeitschrift abtreten. Wissenschaftler gehen gern darauf ein, um so im Gegenzug in den so genannten „high impact“-Publikationen zitiert zu werden. Hier liegt ein echtes Problem kollektiven Handelns vor: Kein individueller Wissenschaftler und keine einzelne Institution hat einen Anreiz, das System zu verändern.
Aber das System führt zu Schwierigkeiten in den Wissenschaften. Wissenschaftliche Artikel lagern hinter Mauern, obwohl ihre Verleger längst ihr Geschäft damit gemacht haben. Das bedeutet, dass neue wichtige Artikel aus der AIDS-Forschung nicht weiter verbreitet werden können, geschweige denn in andere Sprachen übersetzt (wo sie anderen Wissenschaftlern Ideen geben könnten, wie sie ihre lokalen Probleme lösen könnten). Aber die Schwierigkeiten, denen man gegenüber steht, wenn es um „Open Access“ (freien Zugang) zu Publikationen geht, sind unbedeutend im Gegensatz zu denen, die sich bezüglich des Zugangs zu Versuchsaufbauten und Daten stellen. Forschungsergebnisse zeigen, dass fast die Hälfte aller Genforscher nicht in der Lage waren, die Forschungsergebnisse ihrer Kollegen zu bestätigen, weil sie von Geheimhaltungsklauseln und rechtlichen Problemen behindert wurden.
Deshalb arbeitet Science Commons an folgenden Problemfeldern: Artikel, die nicht zugänglich sind, Werkzeuge, die durch komplexe Verträge weggeschlossen werden, und Daten, die durch technische Methoden oder Lizenzbedingungen verschleiert werden. Für diese Bereiche haben wir drei verschiedene Teilprojekte entwickelt: Veröffentlichen (reguliert vom Copyright-Gesetz), Lizenzierungen (reguliert durch Patente und Verträge) und Daten (in den USA ausschließlich durch Verträge reguliert). Wir entwickeln Vereinbarungen zwischen Geldgebern und Forschern, zwischen Universitäten und Forschern und zwischen Geldgebern und Universitäten – all das mit dem Ziel, wissenschaftliche Erkenntnisse, Werkzeuge und Daten für die weitere Verwendung zugänglich zu machen. Wir werben auch dafür, CC-Lizenzen in wissenschaftlichen Publikationen zu verwenden, weil wir glauben, dass wissenschaftliche Artikel jedem auf der Welt zur Verfügung stehen müssen, nicht nur denjenigen, die sich die Abonnementgebühren leisten können.
Kommunikation in den Naturwissenschaften besteht normalerweise aus drei unterschiedlichen Bestandteilen: erstens aus Daten, die durch Experimente erzeugt werden, zweitens aus dem Artikel, der von Wissenschaftskollegen gegengelesen wurde (genannt Peer Review) und die Daten erklärt und deutet, und drittens aus den Metadaten, die die zu Grunde liegenden Daten oder den Artikel beschreiben und interpretieren. Traditionellerweise waren die Verleger der Wissenschaftszeitschriften dafür zuständig, diese Informationen zu sammeln, zu verbreiten und zu archivieren.
Durch das Internet und angegliederte digitale Netze entstehen neue Möglichkeiten – und Herausforderungen – die Art und Weise zu verändern, wie und wann Informationen archiviert und weiter gegeben werden, welche Informationen überhaupt weiter gegeben werden, und wie sie mit Metadaten versehen werden, um die Benutzung zu erleichtern. Die Arbeit von Science Commons ist dem Grundsatz verpflichtet, die juristischen und technischen Kenntnisse seiner Mitglieder so einzubringen, dass sie Wissenschaftlern helfen, diese neuen Kommunikationstechnologien so gut wie möglich zu nutzen. So verlangen inzwischen einige Wissenschaftsverlage, die mit neuen Geschäftsmodellen experimentieren, von ihren Autoren, dass diese ihre Artikel unter einer Creative-Commons-Lizenz veröffentlichen. Dazu gehören die Public Library of Science, BioMed Central und Springer OpenChoice.
Science Commons hat außerdem eine Arbeitsgruppe gebildet, in der über neue Wege diskutiert wird, wie Forschungsartikel besser mit Forschungsdaten verknüpft werden können, und wie die Metadaten, die zu Artikeln und Daten gehören, standardisiert werden können.
Bei der Lizenzierung konzentrieren wir uns auf die Finanzierung von Forschung zu Krankheiten. Diese Forschung beinhaltet viel Grundlagenforschung, die von vielen einzelnen Wissenschaftlern an sehr verschiedenen Institutionen – sowohl privaten als auch öffentlichen – unternommen wird. Jede davon hat eigene Regeln zu geistigem Eigentum, eigene Lizenzbedingungen und unterschiedliche Geldgeber. Wenn diese Forschung zu ersten Ergebnissen führt, die für die pharmazeutische Industrie interessant sind, ist es wünschenswert, den Pharmaunternehmen ein effizientes Paket von Rechten anzubieten, das ihnen die grundlegende Erlaubnis gibt, die sie brauchen, um die Forschungsergebnisse in Medikamente und Behandlungsmethoden umzusetzen (das betrifft sowohl die finanzielle als auch die ideelle Seite, die darin besteht, das Interesse und die Teilnahme der Unternehmen zu gewinnen). Die derzeitige Praxis macht diese Art von „Einkauf aus einer Hand“ sicherlich nicht einfacher.
Science Commons verwendet die Forschung über das Huntington-Syndrom als Fallstudie, um einen „Technologiefond“ zu erproben. Dieser verbindet eine Art Bibliothek für geistige Eigentumsrechte, einen Patent-Pool und andere Methoden, Rechte zu bündeln, miteinander. Wir verschaffen uns einen Eindruck von den Problemen, die durch Rechte-Fragmentierung zustande kommen, untersuchen mögliche juristische Lösungen für diese Probleme (einschließlich Zwangslizenzen in Fördervereinbarungen), überlegen, wie ein derartiger Fond institutionell organisiert sein müsste, und welche Institution am besten geeignet wäre, einen solchen Fond zu verwalten. Das Ziel des Projekts ist es in erster Linie, eine Methode zu finden, wie die Probleme, die das Huntington-Syndrom stellt, gemindert werden können, aber wir hoffen, dadurch Richtlinien zu entwickeln, um solche Probleme grundlegend auch für andere Projekte zu lösen.
In den Vereinigten Staaten von Amerika kann man an Daten keine geistigen Eigentumsrechte erwerben. In der EU gibt es ein derartiges Recht, wobei es mehr und mehr Belege dafür gibt, dass dieses Recht nicht gebraucht wird. Aber die gegenwärtigen Entwicklungen, in deren Rahmen die Rechte an geistigem Eigentum stetig ausgeweitet werden, könnten eine ganze Reihe neuer Hindernisse schaffen, die verhindern, dass Wissenschaftler oder die Öffentlichkeit Zugang zu Daten bekommen. Wenn die Rechte an Datenbanken ausgeweitet werden, wird das wahrscheinlich dazu führen, dass der Zugang zu Daten entweder verschlossen wird, der Zugang teurer wird, oder dass es leichter wird, die Daten mit restriktiven Lizenzbedingungen zu belegen.
Weiterhin etabliert sich gegenwärtig ein ineffizienter Umgang mit Daten, indem Rohdaten nicht verfügbar gemacht werden – entweder weil Wissenschaftler Angst davor haben, die Kontrolle über ihre Daten zu verlieren, oder weil ihre Arbeitgeberinstitutionen verlangen, dass sie die Daten verschlossen halten. In den Datensätzen sind aber Antworten auf Fragen enthalten, die die Forscher nicht gestellt haben – Antworten, die eine Folge des Versuchsablaufs sind. Diese Daten könnten mehrfach verwendet werden, wenn sie angemessen kommentiert und aufbewahrt würden. Das erfordert jedoch eine Änderung in der Wissenschaftskultur, keine Änderung der Technik, die von Anwälten voran getrieben wird.
Das „Science Commons Data“-Projekt besteht aus zwei Teilbereichen. Zum einen untersuchen wir Daten, die nicht irgendwelchen Rechten an geistigem Eigentum unterliegen sollten. Dabei ist ein Arbeitsschwerpunkt, Informationen für Datenbank-Betreiber anzubieten, die Schwierigkeiten bezüglich der Vergabe von Lizenzen haben. Zum Zweiten versuchen wir, die Datenökonomie zu verbessern, indem wir dabei helfen, ein integriertes Netz – unter dem Namen NeuroCommons – aufzubauen, das Daten, Artikel, Werkzeuge und Regelungen sammelt, mit dem erklärten Ziel, Forschung auf dem Gebiet der Hirnerkrankungen zu fördern.
Originaltext
creativecommons.org/weblog/entry/5695
Übersetzung: Matthias Spielkamp
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