Leonhard Dobusch: Neue Formen der Kreativität ermöglichen
Digitale Technologien erleichtern altbekannte und ermöglichen völlig neue Formen kreativen Schaffens – und zwar nicht nur für eine kleine Gruppe professionell Kunst- und Kulturschaffender sondern für breite Teile der Bevölkerung. Die Bandbreite reicht dabei von aufwändig-künstlerischen Performances über humoristische Entfremdung und politische Parodien bis hin zu kreativen Formen des Medienkonsums.
Sämtliche diese Beispiele haben drei Dinge gemeinsam: Erstens sind sie kreative Ausdrucksweisen ohne unmittelbare Verwertungsinteressen ihrer Urheber, die über das Internet eine große Öffentlichkeit erreichen. Zweitens verwenden sie alle dabei in unterschiedlichem Ausmaß existierende Werke (z.B. als Hintergrundmusik). Drittens ist die Veröffentlichung dieser kreativen Werke im Internet zumindest im europäischen Urheberrechtssystem unzulässig. Denn die einschlägige EU-Urheberrechtsrichtlinie und deren Umsetzung in nationales Recht erlauben nur in wenigen, abschließend aufgezählten Ausnahmefällen („Schranken“) die Verwendung urheberrechtlich geschützter Werke ohne Nachfrage bei den Rechteinhabern. Für die Online-Veröffentlichung von kreativen Remixes und Mash-ups, sei es auf der eigenen Homepage oder sei es in sozialen Netzwerken, ist keine derartige Ausnahme vorgesehen.
Im Ergebnis führt diese Rechtslage dazu, dass kreative Werke von Nutzern – sogenannter User-generated content – regelmäßig Säuberungsaktionen auf den erwähnten Plattformen zum Opfer fallen. Häufig werden dabei auch völlig unbedenkliche Werke gelöscht, weil der gesamte Nutzeraccount gesperrt wird. Um das Risiko rechtlicher Auseinandersetzungen zu minimieren, gilt dabei für die Plattformbetreiber das Prinzip: im Zweifel gegen die User.
In den USA gibt es mit der sogenannten „Fair use“-Klausel eine etwas flexiblere Ausnahmebestimmung, die zumindest einige der oben verlinkten Beispiele erlauben würde. Eine Ergänzung der europäischen Schrankenbestimmungen um eine ähnliche Regelung ist mehr als überfällig, um schöpferische und nicht-verwertungsorientierte Ausdrucksformen von kreativen Usern zu ermöglichen. Dabei geht es nicht nur um die Freiheit künstlerischen Schaffens, sondern ganz allgemein auch um Rede-, Meinungs- und Ausdrucksfreiheit.
Zur Person
Leonhard Dobusch hat nach Studien der Betriebswirtschaft (Abschluss 2003) und Rechtswissenschaft (Abschluss 2004) an der Linzer Johannes Kepler Universität im DFG-Graduiertenkolleg „Pfade organisatorischer Prozesse“ zum Thema „Windows versus Linux“ (2008, VS Verlag) an der Freien Universität Berlin promoviert. Dort ist er nach Aufenthalten als Postdoc am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln sowie als Gastwissenschafter an der Stanford Law School als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Management tätig. Für sein mit Christian Forsterleitner herausgegebenes Buch „Freie Netze. Freies Wissen.“ (2007, Echomedia) wurde er 2010 mit dem Wolfgang-Heilmann-Preis für humane Nutzung der Informationstechnologie ausgezeichnet. Der Nachfolger „Freiheit vor Ort: Handbuch kommunale Netzpolitik“ (2011, Open Source Press) steht wie der Vorgänger unter einer Creative-Commons-Lizenz und ist unter www.freienetze.at als kostenloser E-Book-Download verfügbar.
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