Leistungsschutzrecht: Was ist das eigentlich? Und wem nützt’s?
Leistungsschutzrechte und Urheberrechte sind nicht identisch. Die Trennung betont auch das „Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte“, wie das Urheberrechtsgesetz (UrhG) ausgeschrieben heißt.
Die Leistungsschutzrechte werden auch als „verwandte Schutzrechte“ bezeichnet; manchmal auch als „Nachbarrechte“, im angloamerikanischen Raum „neighbouring rights“. Leistungsschutzrechte gelten also neben Urheberrechten.
Leistungsschutzrechte: Geschwister des Urheberrechts
Sie sind gewissermaßen Geschwister des Urheberrechts: Leistungsschutzrechte fallen Menschen und Firmen zu, die an der Herstellung oder Darbietung eines Werks beteiligt sind: Entweder als „ausübende Künstler*innen“ oder als Firmen in technischer oder wirtschaftlicher Hinsicht. Das Gesetz bezeichnet sie als Erbringer*innen von sogenannten „Leistungen anderer Art“, die also Tätigkeiten vornehmen, die mit urheberrechtlich geschützten Werken in Verbindung stehen. Diese Leistungen sind – anders als beim Urheberrecht – nicht schöpferisch.
Das Urheberrecht und das Leistungsschutzrecht zu einem Werk können bei ein- und derselben Person liegen, etwa wenn ein Autor einen Roman kreiert (Urheberrecht) und diesen für eine Hörbuch-Produktion einspricht (Leistungsschutzrecht).
Das muss aber nicht zwangsläufig so sein. Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Urheberrechte und Leistungsschutzrechte verteilt sind. Das gilt vor allem für Branchen mit arbeitsteiligen Prozessen, in denen ein Werk bis zu seinem Erscheinen durch viele Hände gehen muss.
Zum Beispiel in der Musik: Eine Musikerin komponiert ein ausreichend individuelles Stück. Dadurch entsteht für sie ein Urheberrecht. Ihr Kollege interpretiert das Stück am Klavier und spielt es ein. So fällt ihm das Leistungsschutzrecht an der Interpretation zu. Presst eine Produktionsfirma die Aufnahme des Stücks auf einen Tonträger (etwa zum kommerziellen Vertrieb), fallen dieser Firma ebenfalls Leistungsschutzrechte zu.
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Unterschiede zwischen Leistungsschutzrecht und Urheberrecht
Das Leistungsschutzrecht betrifft also nicht-künstlerische Aktivitäten und Akteur*innen. In der Musikindustrie fällt es typischerweise Produzent*innen, Musikstudios und Labels zu. Diese stellen die Technik, tragen Investitionskosten oder leisten durch das Mischen und Mastern einen (eher produktionstechnischen) Beitrag zur Aufnahme eines Stücks.
Leistungsschutzrechte sind im Gegensatz zu den persönlich gebundenen Urheberrechten vollständig übertragbar. Während das Urheberrecht die besondere Beziehung zwischen Urheber*in und Werk betont, ist das Leistungsschutzrecht weniger romantisch veranlagt. Es versteht sich vor allem als Recht zum Investitionsschutz.
Leistungsschutzrechte haben unterschiedlich lange Schutzdauern, je nachdem auf welche Werkarten sie sich beziehen. In der Regel ist der Zeitpunkt der Werkerscheinung ausschlaggebend: Bei Presserzeugnissen beträgt die Schutzdauer 2 Jahre, bei wissenschaftlichen Ausgaben 25 Jahre. Filmherstellern wird ein 50-jähriger Schutz gewährt. Und in der Musik kann es 50, unter Umständen sogar bis zu 70 Jahre dauern, bis die Leistungsschutzrechte erlöschen.
In welchen Branchen gibt’s Leistungsschutzrechte?
Erstmals eingeführt und im Gesetz verankert wurde das Leistungsschutzrecht im Jahr 1965. Damals gab es eine große Reform des Urheberrechts. Diese reagierte unter anderem auf neue Speicher-Möglichkeiten (wie beim Tonband) und sollte die Leistung von Tonträgerfirmen rechtlich besser schützen.
Zu dieser Zeit war die Aufnahme und Herstellung von physischen Tonträgern viel umständlicher und mit mehr wirtschaftlichen Risiken behaftet als heute. Dem sollte das Leistungsschutzrecht Rechnung tragen.
Leistungsschutzrecht für Medienunternehmen
Heute gibt es neben der Musik weitere Medienindustrien, in denen Leistungsschutzrechte eine wichtige Rolle spielen. Darunter vor allem die verschiedenen Sparten in Video, Film, Fernsehen und Rundfunk sowie Presse, Theater und Hörspiel.
Wirtschaftlich bedeutend sind Leistungsschutzrechte vor allem bei Medienunternehmen, etwa Produktions- und Sende-Unternehmen. Hier sind eine Reihe von Verwertungsgesellschaften aktiv. Einen Überblick dazu gibt dieser Artikel.
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Typische Berufe von „ausübenden Künstler*innen“
Das Urheberrechtsgesetz definiert es so: Ausübende Künstler*in ist, „wer ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführt, singt, spielt oder auf eine andere Weise darbietet oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirkt“.
Die GVL, die „Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten“, vertritt verschiedene leistungsschutzberechtigte Berufe. Neben den oben genannten Sänger*innen, Instrumentalmusiker*innen und Dirigent*innen nennt die GVL als Berechtigte unter anderem:
- Regisseur*innen
- Schauspieler*innen
- Tänzer*innen
- Stuntschauspieler*innen, Stuntdoubles
- Künstlerische Sprecher*innen, Erzähler*innen
- etc.
Leistungsschutzrecht für Presseverlage
Relativ jung ist das Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Es trat erst 2013 in Kraft, nachdem jahrelang darum gerungen worden war. Über die Änderungen und die wichtigsten Fragen berichtete iRights.info.
Vor allem Verlagsverbände hatten sich für das Leistungsschutzrecht für Presseverlage stark gemacht. Sie waren unzufrieden damit, dass Suchmaschinen und Internet-Konzerne (vor allem Google, aber auch Facebook und Microsoft) die Verlage für die Einblendung von Text-Snippets, Vorschauen und Überschriften in den Such-Ergebnissen nicht bezahlten, obwohl sie gleichzeitig Werbung schalteten und dadurch hohe Summen einnahmen.
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Der Wunsch, von Google vergütet zu werden
Die Leistung der Presseverlage sahen (und sehen) die Verbände vor allem in der Werkvermittlung. Also darin, die von Journalist*innen verfassten Texte aufzubereiten, anzubieten und verfügbar zu halten. Dies sei mit wirtschaftlichen Investitionen verbunden. Entsprechend sei eine Beteiligung an den Werbe-Einnahmen der Suchmaschinen (und anderer Internet-Dienste) angebracht, so die Verlagsverbände.
Seinen Zweck erfüllte das deutsche Leistungschutzrecht für Presseverlage allerdings nicht so richtig. 2019 wurde es vom Europäischen Gerichtshof sogar wegen rechtlicher Mängel gekippt.
Mit der EU-Urheberrechts-Richtlinie, umgesetzt in deutsches Recht im Sommer 2021, kam dann über die europäische Ebene das Leistungsschutzrecht für Presseverlage erneut ins Gesetz. Die Wahrnehmung der Leistungschutzrechte von Presseverlagen (und auch Sendeunternehmen) übernimmt die Verwertungsgesellschaft Corint Media (ehemals VG Media). Über die Höhe der Gebühren kommt es vor allem mit Google regelmäßig zu Streit.
Fazit
In erster Linie sollte das Leistungsschutzrecht als rechtliches Mittel des Investitionsschutzes verstanden werden. Es schützt technische, wirtschaftliche und organsatorische Investitionen von Unternehmen der Medienbranche.
Denn bis eine Schallplatte im Laden zu kaufen, ein Theaterstück auf der Bühne zu sehen oder ein Radio-Feature im Äther zu hören ist, braucht es einige Akteur*innen mit Know-How. Deren Aufwände (und teils auch Geschäftsmodelle) soll das Leistungsschutzrecht absichern.
Dass auch ausübende Künstler*innen als Einzelpersonen vom Leistungsschutzrecht profitieren, ist sicherlich ein Zugewinn. Es zeigt die Vielfalt und Weiterentwicklung kultuerellen Ausdrucks über die Vorstellung des Autorenwerks hinaus.
Wirtschaftlich bedeutender ist allerdings die Rolle des Leistungsschutzrechts für die Unternehmen. Entsprechend groß ist der Aufwand der Industrie in der politischen Interessensvertretung.
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1 Kommentar
1 Valeria am 30. Juni, 2022 um 16:46
Danke für den interessanten Artikel. Ich habe mich schon immer für das Recht des geistigen Eigentums interessiert und in Ihren Artikel habe ich etwas Neues auf diesem Gebiet für mich entdeckt.. danke!
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