Leistungsschutzrecht in Österreich: Die Snippets sollen nicht entkommen
Zeitungs- und Zeitschriftenverlage in Österreich haben sich ein Leistungsschutzrecht von der Bundesregierung gewünscht. Aufgrund des symbiotischen Naheverhältnisses zwischen zweiter und vierter Gewalt haben sie es auch bekommen.
Zwar sprechen die Erläuterungen der Bundesregierung davon, dass die Regelung des Leistungsschutzrechts „zur Diskussion gestellt“ werde. Jedoch hat diese Diskussion in Österreich schon längst stattgefunden. Bereits im inoffiziellen Entwurf vom Juni 2014 war ein solches Leistungsschutzrecht nach deutschem Vorbild enthalten, das weitgehend die selben systemischen Fehler enthielt und die gleichen juristischen Fragen unbeantwortet ließ.
Die geplante Regelung in der Begutachtungsvorlage der Novelle (Paragraf 76f) vom Juni 2015 ist nun wortgleich mit dem Entwurf des vorangegangenen Jahres. Die seit damals veröffentlichten Stellungnahmen zum Leistungsschutzrecht haben also weder in der Politik noch bei den Beamten des Justizministeriums Gehör gefunden. Und auch im österreichischen Nationalrat wird weniger diskutiert als abgenickt. Das neue Leistungsschutzrecht dürfte daher erwartungsgemäß zum 1. Oktober 2015 in Kraft treten.
Nur Google wird betroffen sein
Die urheberrechtliche Ausgangslage in Österreich ist weitgehend mit der deutschen vergleichbar. Warum österreichische Zeitungen und Zeitschriften, wie es in den Erläuterungen heißt, den „Schutz von Zeitungs- und Magazinverlagen im Internet-Zeitalter durch ein neues Leistungsschutzrecht eingefordert“ haben, bleibt angesichts des Adressatenkreises des Leistungsschutzrechts und des bereits bestehenden Urheberrechts an den Presseinhalten völlig unklar. Auch in Österreich sind sich die juristischen Fachkreise darin einig, dass es keine Schutzlücke gibt, die es zu schließen gegolten hätte.
Ebenso wie bei dem in Deutschland beschlossenen Modell sollen vom Leistungsschutzrecht nur „gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten […], die Inhalte entsprechend aufbereiten“, betroffen sein. So definiert es Paragraf 76 Absatz 2 der Novelle. Für den österreichischen Markt heißt das: Nur Google wird betroffen sein. Denn andere Dienste, die „Inhalte entsprechend aufbereiten“, sind in Österreich nicht ansässig oder bewegen sich hinsichtlich ihrer Bedeutung unterhalb der Wahrnehmungsschwelle. Das wird mit dieser Regelung für Österreich sicherlich auch so bleiben.
Alle anderen Online-Dienste werden damit auch in Österreich nicht vom Leistungsschutzrecht der Verlage erfasst sein, sondern müssen Presseinhalte gegebenenfalls auf dem bislang üblichen Weg lizenzieren. Das betrifft Repositorien, Archive oder jegliche anderen Internetangebote, die einzelne Zeitungsartikel oder ganze Zeitschriften digital zur Verfügung stellen wollen.
Leistungsschutz auch für Blogs und Online-Medien?
Auch wenn Gesetzestexte keinen urheberrechtlichen Schutz genießen, wollte man im Justizministerium nicht alles unbesehen von den Deutschen kopieren. So hält sich die österreichische Regelung nicht damit auf, den Kreis der durch das neue Recht privilegierten Inhalteanbieter ausführlich zu definieren, um so den in Deutschland in Gang gekommenen juristischen Interpretationsprozess weiter zu entfachen.
In Österreich kommt laut Entwurf jeder in den Genuss des Leistungsschutzrechts, der eine „Zeitung oder Zeitschrift in einem Massenherstellungsverfahren oder in Form einer Internetausgabe herstellt“. Ganz offensichtlich hat der Gesetzgeber die klassischen Printverlage im Blick, die zusätzlich eine Onlineausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift produzieren.
Es wird also einen neuen Interpretationsprozess geben, der sich mit der Frage beschäftigen wird, ob es das neue Leistungsschutzrecht auch für reine Online-Medien im Blogformat geben wird.
Keine Ausnahme für „kleinste Textausschnitte“
Einen Weg, der sicherlich einer Netflix-Serienstaffel würdig und Popcorn-verdächtig ist, geht die österreichische Regelung beim Umfang des neuen Schutzes. Die deutsche Regelung sieht in Paragraf 87f eine Ausnahme für „einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte“ vor – jenes Schlupfloch, durch das die Snippets, die Kurzanreißer in Suchmaschinen, dem deutschen Gesetz so leicht entkommen können.
Das österreichische Pendant, die Regelung in Paragraf 76f der Novelle, „heilt“ diesen Fehler nun, indem es schlichtweg keine Ausnahme vorsieht. „Gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten […], die Inhalte entsprechend aufbereiten“ werden also weder eine automatisch generierte Textvorschlau noch Überschriften oder Titel von Beiträgen lizenzfrei anzeigen können.
Was passiert also, wenn das Gesetz in Kraft tritt und die angesprochenen Anbieter keine Lizenzverträge mit der zuständigen Verwertungsgesellschaft abschließen wollen? Womit im Justizministerium und bei den Presseverlagen wohl niemand rechnet? Werden künftig Suchergebnisse, die auf Zeitungen und Zeitschriften verweisen, nur noch aus der Adresse des Artikels bestehen, und man muß einfach ausprobieren, was sich hinter diesem Link verbirgt?
Die beliebte Serie „Presseverlage im Internetzeitalter“ geht also mit einem österreichischen Beitrag ab 1. Oktober 2015 in eine neue Staffel. Es wird sicher unterhaltsam. Bleiben Sie dran.
4 Kommentare
1 Schmunzelkunst am 9. Juni, 2015 um 20:17
Am besten alles in den Link packen:
http://www.heise.de/forum/heise-online/News-Kommentare/Oesterreich-will-Speichermedienabgabe-und-Leistungsschutzrecht-einfuehren/Null-Punkte-fuer-Deutschland-und-Oesterreich/posting-16864691/show/
2 JensE am 10. Juni, 2015 um 13:20
Ich habe schon wieder ein Deja Vu.
Der Irrsinn geht weiter: Belgien, Spanien, Deutschland … und nun Össterreich.
Einsatz: groß
Ertrag: nicht vorhanden
Kollateralschäden: viel zu viel
Was sagen Sie dazu?