Leistungsschutzrecht: CSU-Netzpolitikerin Bär warnt vor der ACTA-Falle
Die stellvertretende CSU-Generalsekretärin Dorothee Bär hat eine sorgfältige und transparente Ausgestaltung des geplanten Leistungsschutzrechts für Presseverlage angemahnt, dessen Sinn sich ihr „bislang“ noch nicht erschließe. „Es darf zum Beispiel nicht der Eindruck entstehen, dass die Rechte der Verlage gewahrt werden und dabei die User außen vor bleiben“, sagte Bär am Mittwoch gegenüber iRights.info.
Der Koalitionsausschuss von CDU/CSU und FDP hatte am Sonntag in einem Beschluss bekräftigt, ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage auf den Weg zu bringen. Gewerbliche Anbieter sollen künftig für die Verbreitung von Presseerzeugnissen im Internet ein Entgelt an die Verlage zahlen.
Bär zufolge muss genau definiert werden, wer alles als ‚gewerblicher Anbieter‘ gilt, wer also künftig für die Verwendung von Presseerzeugnissen zu zahlen hat. Fraglich sei beispielsweise, ob hierzu auch Blogger gehören, die auf ihrer Seite eine Werbeanzeige integrieren, oder sich ihre Artikel über den Social-Payment-Service Flattr von Internetnutzern honorieren lassen.
Bär: „Keine Freudentränen“
Die CSU-Politikerin zeigt sich prinzipiell wenig begeistert vom Leistungsschutzrecht. „Ich gebe zu, ich breche nicht gerade in Freudentränen aus, wenn ich mir das Vorhaben ansehe.“ Bär verweist auf den Verhandlungsprozess zum Anti-Piraterie-Abkommen ACTA, der wegen mangelnder Transparenz und fehlender Bürgerbeteiligung in der Kritik steht. „Wir müssen darauf achten, dass wir nicht in die ACTA-Falle geraten: Wir müssen also ganz klare und praktikable Lösungen finden, die einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft im digitalen Zeitalter nicht unnötige Einschränkungen aufbürden, die die Menschen nicht verstehen und akzeptieren können.“
Würde das deutsche Google News dichtmachen?
Bär zweifelt zudem an der Bereitschaft von Anbietern wie Google, sich auf Zahlungen im Rahmen eines Leistungsschutzrechts einzulassen. „Es wäre ein Verlust, wenn Dienste wie ‚GoogleNews‘ dem Standort Deutschland verloren gehen würden. Genau das, machen wir uns nichts vor, würde passieren, wenn wir nicht gründlich am entsprechenden Gesetzestext arbeiten würden.“ In einem Land, dessen wichtigste Ressource die Bildung sei, müsse man besonders vorsichtig sein, wenn es um die Gefahr des Versiegens dieser Quellen gehe.
Da noch kein Gesetzentwurf vorliegt, bleibt offen, inwieweit Suchmaschinenbetreiber überhaupt vom neuen Leistungsschutzrecht betroffen sein werden. Der CDU-Netzpolitiker Michael Kretschmer fordert, Mini-Textauszüge aus Presseartikeln („Snippets“), wie sie Google News in den Suchergebnissen anzeigt, müssten freigestellt bleiben. Dem Koalitionsbeschluss zufolge, sollen allerdings auch „kleine Teile“ journalistischer Beiträge unter das Leistungsschutzrecht fallen.
Bär pocht auf Kommunikationsfreiheit
Bär warnt davor, im Rahmen des Leistungsschutzrechts das kostenfreie Zitieren einzuschränken: „Das Recht auf Information ist ein Grundrecht und man muss sich schon überlegen, ob man die Einschränkung dieses Rechts, zu dem beispielsweise auch das Zitatrecht gehört, so ohne weiteres in Kauf nehmen möchte.“
Die CSU-Politikerin zweifelt auch daran, dass vom Leistungsschutzrecht die Urheber, also etwa die Journalisten profitieren. „Denn so wie ich das verstehe, geht es hier ja um die Leistung, die die Verlage erbringen. Die Rechte des Urhebers schützt – wie der Name schon sagt: das Urheberrecht.“ Im Beschluss des Koalitionsausschusses heißt es: „Auch die Urheber sollen eine angemessene finanzielle Beteiligung an der Verwertung des Leistungsschutzrechts erhalten.“ Wie diese Beteiligung erreicht wird, ist allerdings unklar. In der Regel treten Journalisten alle Verwertungsrechte an ihren Texten an die Verlage ab.
Debatte um Lobby-Einfluss: „Boxte“ der Axel-Springer-Verlag?
Bär fordert, den Lobby-Einfluss auf die Gesetzesinitiative zu überprüfen. „Die Vorwürfe, es handle sich hier um das Ergebnis massiver Lobbyarbeit beunruhigen mich durchaus, und man sollte sich fragen, warum diese Vorwürfe entstehen und ob sie vielleicht sogar berechtigt sind.“
Der grüne Netzpolitiker Konstantin von Notz hatte der Bundesregierung vorgeworfen, bei dem geplanten Leistungsschutzrecht handele es sich um „Lobbypolitik“ und ein „verfrühtes schwarz-gelbes Wahlkampfgeschenk an wenige große Verlage“. Markus Beckedahl von Netzpolitik.org kommentierte, der Axel-Springer-Verlag “kaufe” sich das Gesetz bei der Koalition.
Obwohl seine Details noch nicht bekannt sind, und das Leistungsschutzrecht noch durch den Bundestag muss, lobte Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart bereits den Einsatz des Axel-Springer-Verlags und seines Vorstandsvorsitzenden Mathias Döpfner für die Gesetzesinitiative: „(…) Döpfner und sein Team haben fast im Alleingang und gegen allerlei Anfeindungen die neuen Urheberrechtsregeln durchgeboxt, die nun auch Google zum Zahlen verdonnern“, so Steingart in einem Newsletter. Dafür müssten ihm (Döpfer, Anm. d Red.) eigentlich alle deutschen Verlage in diesem Jahr einen Extra-Obolus überweisen.
Döpfner selbst begrüßte den Koalitionsbeschluss als „absolut richtige Entscheidung“. Allerdings erwarte er aus dem Leistungsschutzrecht keine allzu hohen Einnahmen für die Verlage. „Ich sehe da kein großes Geschäft.” Mit dieser Einschätzung scheint Döpfner seiner Zeit voraus. In welcher Höhe die Entgelte ungefähr liegen sollen, und mit welchen Einnahmen für die Verlage zu rechnen ist, hat die Bundesregierung der Öffentlichkeit noch nicht mitgeteilt.
Was sagen Sie dazu?